Er ist der Gastronom und Reise-Spezialist für Syrien. Mit Gerichten, Geschichten und seinem Charme hat er vor knapp 30 Jahren Hamburg erobert.

Hamburg. Hanna Saliba ist ein großartiger Verführer. Mit Gerichten, Geschichten und seinem Charme hat er vor knapp 30 Jahren Hamburg erobert. Ein syrischer Seemann, der hier seine heimische Küche einführte, zum Kultgastronom avancierte, sich ein kleines Imperium aufbaute, es jetzt radikal reduziert hat und zu neuen Ufern aufbricht.

Wieder einmal. Denn das sei drin bei Seeleuten, sagt er: Dieses Im-Hafen-Ankommen, Ladung löschen, neue laden und auf zum nächsten Hafen. Das sei so gewesen. In seinen 16 Jahren als Kapitän und danach als Gastronom. Salibas Geheimwaffe war das Mazza. Diese üppige Vorspeisenpalette mit so geheimnisvollen Namen wie Tabule und Baba Ghanndsch, Humus und Kibbe, die tiefe Gräben durch Freundeskreise zog. Man musste sie mögen, sonst war man out.

Darüber kann er herzhaft lachen, und dass ich kein Mazza-Fan bin, verzeiht er mir - hier am Fischmarkt, wo er abends manchmal ganz allein steht. Den Duft nach Meer und Weite einatmet, umgeben von den Geräuschen des Hafens. Einfach so zur Entspannung. Solche kleinen Oasen brauche man im Leben, sagt Hanna Saliba. Und erzählt von dem kleinen Jungen, der am Hafen von Lattakia in Syrien mit der Sehnsucht seiner Vorfahren, phönizischen Seefahrern, im Herzen davon träumte, auch einmal übers Meer zu fahren.

Hanna Saliba ist das älteste von zehn Kindern eines syrischen Tabakschätzers. Die Mutter stirbt, als er 17 ist. Die 15-jährige Schwester Hanneh übernimmt den Haushalt, versorgt die kleinen Geschwister, kocht für die Familie und die vielen Gäste. Gastfreundschaft - das höchste Gut - lernt er zu Hause. "Gleich neben der Liebe", ergänzt er schnell. Ein Gastgeber müsse immer mehr servieren als erwartet werde. Und immer wieder überraschen. So wie ein Mann seine Frau. "Einen Tag Rosen, den nächsten ein Liebesschwur, den dritten Tag Zärtlichkeiten, den vierten Tag Frühstück servieren." Nur keine Routine aufkommen lassen. Die Ehe als Überraschungsmenü? "Vielleicht", sagt er leise in sich hineinlachend. Denn auch auf die Vorspeisen komme es an. Streicheln und Kuscheln sei das Wichtigste. Und wenn es sexuell nicht mehr hinhaue, solle man sich trennen. "Wie kommen wir denn jetzt darauf", fragt er. Und erzählt schnell, wie er als 20-Jähriger nach abenteuerlichen Umwegen in Bremervörde auf der Seefahrtsschule an- und mit dem deutschen Essen nicht zurechtkommt.

Wir sitzen längst bei Hummer Pedersen an der Großen Elbstraße, wo er gern einkauft und auch mal mittags im Bistro isst. Hanna Saliba erzählt von seinem Neustart. Von jenem Abend in der Wüstenstadt Palmyra. Bei Sonnenuntergang. Mit einem Bier in der Hand und die Ruinen eines antiken Tempels vor Augen. Kulturelle Schätze, die er sich zum ersten Mal bewusst macht. Und wie er seine Beatrix anruft. "Steig ins nächste Flugzeug", habe er gesagt. "Das musst du einfach sehen." Und so wurde Salibas Reisen geboren.

"Hier", sagt er und malt die Landkarte Syriens auf einen Zettel. "60 Prozent Wüste, keine schönen Strände, nur dieser fruchtbare grüne Gürtel entlang des Euphrat." Touristisches Brachland. Bis jetzt. Vor Hanna Saliba. Von dem zu einem Hotel umgebauten Familiensitz in Damaskus aus wird er mit kleinen Gruppen durchs Land fahren; gemeinsam einkaufen, kochen und essen. Bei Drusen, Arabern, Armeniern, sunnitischen Turkmenen, Aramäern und bei Hanneh, seiner Schwester. Christin wie er. Ein Land übers gemeinsame Essen kennen- und lieben zu lernen, sei doch das Wunderbarste, sagt Hanna Saliba.

Wir reden noch ein bisschen über seine Familie. Beatrix, seine "sehr kluge Ehefrau", die selbst geschäftliche Zwiste mit den beiden in Hamburg lebenden Brüdern geschickt ausgleiche. Die beiden Kinder, die nicht in sein Business einsteigen werden. Und wie klug es von ihnen sei, eigene Wege zu gehen und "wie klug von den Eltern, sie gewähren zu lassen". Vom Glück, sich bescheiden zu können, erzählt er. In immer noch derselben Wohnung in Eimsbüttel zu leben gehöre dazu. Und zögernd gesteht er, dass er einfach einen Strich unter eine Freundschaft ziehen könne, wenn der Freund sich verweigere. "So", sagt er und zieht ein imaginäres Messer durch die Luft. Wie Finger abschneiden. Weg für immer. Verlust und Mahnung zugleich.

Ach ja, und einen Traum habe er auch noch. Einen Hamam, ein richtiges islamisches Dampfbad, möchte er bauen. In Hamburg natürlich. Dieser Stadt, an der sein Herz hängt. Wenn er damit nicht gerade in Syrien unterwegs ist. Dieser Mann mit der unruhigen Seefahrerseele, umgeben von einem Hauch aus Tausendundeiner Nacht. Zum Essen sind wir nicht einmal gekommen an diesem Vormittag. Aber mit seinen Verführungskünsten hat es geklappt. Selbst nur bei Kaffee und Brot.