Freundeskreis von Loki Schmidt setzt Traditionsessen fort. Voscherau überrascht mit iPhone-Fotos, Engholm mit Facebook-Diskussion.

Hamburg. Es ist eine jener informellen Hamburger Runden, um die sich Legenden ranken. Entstanden 1982 aus einem Abendessen mit "Karpfen blau", zu dem sich Loki Schmidt , die Kaufleute Dieter Grassy und Rosenthal-Studio-Inhaber Alfons Müller trafen. Loki Schmidt zeichnete damals hin und wieder Pflanzenmotive, die dann Rosenthal-Teller zierten. "Diesen Abend müssen wir unbedingt wiederholen", sagte Loki Schmidt. Und formte aus ihrem Freundeskreis ihre "heimliche, aber nicht geheime" Karpfenrunde, die sich seither jährlich im Dezember bei Holger Urmersbach (früher Gastronom im Ratsweinkeller) im Separee in Cölln's Restaurant am Brodschrangen versammelt "Hier kann man noch richtig traditionell Karpfen blau essen, zweimal serviert", schwärmt Dieter Grassy.

Er hatte Loki Schmidt versprochen, die Tradition dieser Runde unbedingt lebendig zu erhalten, auch über ihren Tod hinaus. Seiner Einladung zur 19. Karpfenrunde folgten Altbürgermeister Henning Vorscherau , Ex-SPD-Chef Björn Engholm, Alfons Müller, der aus Ungarn stammende Papierhändler Tamas Bartalis und der Wirtschaftsprüfer und Vermögensverwalter Otto Gellert und Grassys Sohn Marcel. Als neue Mitglieder sind nach dem Tod von Loki Schmidt 2010 und des Abendblatt-Chefreporters Günter Stiller im April 2011 zwei Persönlichkeiten dazugestoßen: der Ex-Manager und -Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Werner Marnette, (schreibt gerade die letzten Seiten eines Buches über die Finanzkrise mit dem Titel "Banklehre" und plant eine "Rohrpost" für Container, um Hamburg Lkw-Verkehr rund um den Hafen zu ersparen) und der Strafverteidiger Gerhard Strate. Eine Herrenrunde blieb es nur deshalb, weil Filmproduzentin Katharina Trebitsch ebenso absagen musste wie ihr Bruder Markus; beide waren beruflich verhindert und setzen sonst in der Runde die Tradition ihres Vaters Gyula Trebitsch fort.

Die Karpfenrunde ist ein Raum für offene Worte, auch wenn Loki Schmidt politische Themen weniger gern verhandelt sah. Zu verhindern ist das bei dieser Besetzung allerdings kaum. Und inzwischen wird auch freudig gepikt. Zum Beispiel, als man auf die FDP zu sprechen kam ("Die gibt's doch gar nicht mehr") und sorgenschwer über die Zukunft der europäischen Finanzen orakelt ("Man muss sich dem Zug der Lemminge doch nicht anschließen, wenn man sieht, dass sie im Begriff sind, Selbstmord zu begehen" war ein starkes Wort, "Hasardeure in Berlin" ein anderes). Sorgenfalten auch bei Debatten zur Zukunft des Hamburger Hafens und bei Farbenspielen zur möglichen Zusammensetzung der nächsten Bundesregierung mit grüner Beteiligung.

Daneben wurde aber auch sehr Privates erzählt. Voscherau - mit einer Adventskrawatte, auf der kleine Geschenkpäckchen zu sehen waren - zeigte auf dem iPhone stolz Fotos seines Enkels Carl und auch, dass er jetzt schon in Aktien investiert, um die Zukunft des Stammhalters zu sichern ("Kupfer"); Björn Engholm berichtete von Diskussionslawinen, die er via Facebook losgetreten hat ("die fünf besten Rockbands der Geschichte?") und gab Auskunft auf Fragen nach einem Verriss der großen Traditionsrestaurants in Lübeck, der von Wolfram Siebeck stammt. Gerhard Strate wiederum lauschte Voscheraus anwaltlichen Erfolgen nach dessen Ausscheiden aus dem Amt als Notar. Und Voscherau verriet, warum ihm seine Tochter abgeraten habe, Strafverteidiger zu werden: "Deine Aufgabe wäre es ja nicht, das beantragte Strafmaß der Staatsanwaltschaft im Plädoyer zu verdoppeln, auch wenn dein Gerechtigkeitssinn das gerade fordert."

Doch auch in dieser Karpfenrunde gab es letzte Rätsel: Man konnte sich nicht eindeutig darauf einigen, warum der Altkanzler bis heute nicht dabei ist. "Das sind meine Freunde", soll Loki einmal geknurrt haben. "Ich hab mein Lebtag keinen Karpfen angerührt", ist ein ebenso knurriges Kanzlerwort auf die Frage nach seiner Teilnahme. Loki Schmidt, die aus gesundheitlichen Gründen 2006 zum letzten Mal hatte teilnehmen können, war in vielen Anekdoten präsent. Voscherau bedachte in seinem Gedenkwort die Initiatorin der Runde mit den Worten "integer, treu und zusammenhaltend" und sagte: "Wir werden diese Frau immer vermissen."

Die Karpfenrunde könnte beim nächsten Treffen im 20. Jahr nach ihrer Gründung zum ersten Mal nicht in Hamburg tagen - Grassy-Freund Bartalis hat die Mitglieder zu einem gemeinsamen Besuch in seiner Heimatstadt Budapest eingeladen.