Preis für internationale Verständigung und Versöhnung: Hildegard Hamm-Brücher wurde im Schauspielhaus ausgezeichnet.

St. Georg. Die Verleihung des Marion-Dönhoff-Preises für internationale Verständigung und Versöhnung gehört zu den wichtigsten Veranstaltungen der Hansestadt. Im Schauspielhaus kamen am Sonntag mehr als 1000 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum Festakt zusammen. Darunter war auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Der Preis wird von der Wochenzeitung "Die Zeit", der "Zeit"-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Marion-Dönhoff-Stiftung vergeben.

Mit Hildegard Hamm-Brücher wurde eine der prägendsten Frauen der Politik ausgezeichnet. Die Karriere der heute 90-Jährigen begann 1948 in München. Im Jahre 1976 kam die FDP-Politikerin in den Bundestag und wurde von Hans-Dietrich Genscher als Staatsministerin ins Auswärtige Amt berufen. Dass Hildegard Hamm-Brücher eine geradlinige Persönlichkeit ist, habe sich auch 2002 gezeigt, als sie wegen wachsender Kritik am antisemitischen Kurs der FDP durch den ehemaligen Vize-Kanzler Jürgen Möllemann die Partei verließ. Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt Heiner Geißler. Der CDU-Politiker, der zuletzt als Schlichter im Streit um Stuttgart 21 im Einsatz war, bezeichnete Hildegard Hamm-Brücher als die "große Dame der Demokratie". Der ehemalige Generalsekretär der Union würdigte Hamm-Brücher für ihren unermüdlichen Einsatz für Bildung, Demokratie und Menschenrechte. Ein besonders wichtiger Beitrag Hildegard Hamm-Brüchers sei ihre unmissverständliche Verurteilung des Nazi-Regimes. Hinzu komme ihre Aufforderung an alle, wachsam zu sein. Der Vorsitzende der Jury, Theo Sommer, hatte Hamm-Brücher zuvor als "Grande Dame der Politik nach dem Kriege" bezeichnet. Sie sei eine aufrechte, und wenn es um demokratische Prinzipien gehe, unbeugsame Frau.

In ihrer Dankesrede erinnerte Hildegard Hamm-Brücher an Marion Gräfin Dönhoff, die unermüdlich um Verständigung, Aussöhnung und Glaubwürdigkeit geworben habe. "Besonders mutig und ermutigend" seien der langjährigen Herausgeberin der "Zeit" in den 70er-Jahren "ihr Einsatz und die Entspannungspolitik und ihre Beiträge zur Annerkennung der Oder-Neiße-Grenze gelungen". Die Preisträgerin, die in München lebt, betonte, dass Marion Gräfin Dönhoff auch heute noch ein Vorbild sei. Hamm-Brücher mahnte: "Anlässlich der jüngsten skandalösen Enthüllungen über einen neuerlichen rechtsextremistischen Terrorismus und das subversive Wirken einer Neonazi-Partei ist es mir ein besonderes Anliegen, daran zu erinnern, dass wir alle die Verpflichtung haben, wachsam zu sein und nicht wegzusehen oder zu bagatellisieren, sondern alles zu tun, unsere so mühsam errungene Demokratie nicht neuerlich zu gefährden."

Das Publikum war von der Rede der Preisträgerin begeistert. Es gab Standing Ovations und minutenlangen Applaus. Wie herzlich das Verhältnis zwischen Hildegard Hamm-Brücher und Richard von Weizsäcker ist, zeigte sich beim großen Finale und Fototermin auf der Bühne. Der ehemalige Bundespräsident gab der Preisträgerin ein Küsschen.

Bei dem anschließenden Empfang stand in den Gesprächen auch die Preisträgerin im Mittelpunkt: "Wenn ich in diesem Alter noch so viel Power habe, dann würde ich dem Herrn dafür auf Knien danken", sagte Moderator Cherno Jobatey. Auch Michael Stawicki, Präsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), war angetan: "Für mich ist Hildegard Hamm-Brücher eine grundehrliche Persönlichkeit, die ein Stück Demokratiegeschichte geschrieben hat."

Aber nicht nur Hildegard Hamm-Brücher wurde am Sonntag ausgezeichnet, sondern auch die Stiftung Children for Tomorrow, die Tennislegende Steffi Graf in Kooperation mit der Flüchtlingsambulanz des UKE 1998 gegründet hatte. Die Stiftung erhielt den mit 20 000 Euro dotierten Förderpreis. Als Laudator fungierte Moderator Reinhold Beckmann, der das "große persönliche Engagement" von Steffi Graf für die Stiftung würdigte. Sie flaniere nur selten über rote Teppiche, dafür setze sie ihre Popularität für die gute Sache ein. Allerdings war Steffi Graf nicht selber aus den USA angereist, sondern sprach per Videobotschaft aus Las Vegas zu den Gästen.

Der Marion-Dönhoff-Preis würdigt Leistungen im Namen der internationalen Verständigung und Versöhnung. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Michail Gorbatschow, ehemaliger russischer Präsident. Die beiden waren am Sonntag allerdings nicht unter den Gästen. Dafür aber Egon Bahr. Der ehemalige Bundesminister war 2008 mit dem Preis ausgezeichnet worden.

Zu den Gästen zählten auch Moderatorin Anne Will, deren Lebensgefährtin Miriam Meckel, Ex-UKE-Chef Professor Jörg Debatin und der ehemalige Wirtschaftssenator Ian Karan.