Wie der Hamburger Journalist Udo Röbel auf die Idee zu seinem neuen Buch “Der rote Reiter“ kam. Es begann mit einem Artikel im Abendblatt.

Harvestehude. Udo Röbel ist ein Mann, der in zwei Welten daheim sein kann. Der den angenehmen Sprung in seiner Persönlichkeit geradezu zelebriert. Mal leise, auch gern lauter. Röbel war Journalist, ist Journalist und avancierte in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Buchautor. Sein neues Werk heißt "Der rote Reiter". "Das ist jetzt mein zweites, komplett selbst geschriebenes Buch, was ich von 800 auf 460 Seiten kürzen musste", sagt der 61-Jährige und lacht rau und trocken.

Dann ist er noch Berater einer Verlagsgruppe. Ein Mann, der durch das Mediengeschäft surft, aber auch mal eine Welle auslässt, weil er zuvor gleich drei auf einmal genommen hat. Zum Treffen im heimeligen Café Funk-Eck kommt er als Romanautor. Er hat eine spannende Geschichte über Gold, den Großmufti von Jerusalem, rätselhafte Horoskope, Naziverbrechen und Geheimnisse aufgeschrieben, die sich zum Teil in der Schweiz, aber vor allem in seiner Wahlheimat Hamburg abspielt.

"Ich wollte die Handlung bewusst in Hamburg spielen lassen, wo ich mich gut auskenne und mich auch an realen Figuren der Stadt und Orten wie dem Schwanenwik orientieren konnte", sagt er. In Winterhude hat Röbel Wurzeln geschlagen, als er vor mehr als 20 Jahren nach Hamburg kam und kaum zehn Jahre später Chefredakteur der "Bild"-Zeitung wurde. Bekannt wurde er als Journalist 1985 durch den Wächterpreis, den er für die Aufklärung der sogenannten Kießling-Affäre erhielt. Drei Jahre später löste er eine heftige Debatte aus, weil er als Reporter zu den Geiselnehmern von Gladbeck ins Fluchtauto gestiegen war.

Geboren wurde Röbel im rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße, die Färbung und den typischen Singsang seiner Betonungen hört man noch deutlich. Sowieso verrät ihn seine Stimme, etwas rau, dabei einprägsam. Sie lässt erkennen, dass er ein Mann ist, der viel reden kann, der erklärt, ohne zu belehren, sich öfter räuspert.

Man könnte meinen, er rauche zu viele Zigaretten oder fröne zu ausgiebig seiner Leidenschaft: vielen Besuchen in der von ihm geschätzten Rock-Kult-Kneipe Zwick. Hier ist er schon lange nicht mehr nur Gast, sondern auch Teil der Band Zwick Allstars - als Sänger und Mundharmonikaspieler.

Mit "Der rote Reiter" hat Udo Röbel allerdings nicht nur ein herkömmliches Buch vorgelegt, sondern auch einen zukunftsweisenden Weg aufgezeigt, denn es ist auch digital als iBuch erschienen, das man im iBookstore herunterladen und auf dem iPad lesen kann. Zudem hat der Autor eine multimediale Version des Romans als sogenannte App entwickelt.

Hier konnte sich der Medienmann spielerisch austoben und zeigen, was bald vielleicht gang und gäbe sein wird: Auf vielen Buchseiten sind einzelne Ausdrücke, Namen und historische Fakten so aufbereitet, dass durch eine Berührung mit dem Finger weiterführende Erklärungsfenster aufploppen, Original-Fernsehbeiträge erscheinen oder alte Fotos zu sehen sind.

Derzeit wartet er noch auf die finale Freigabe der Betreiberfirma Apple. "Der rote Reiter" ist somit auch Vorreiter. "Im Prinzip sind das 60 ausführliche digitale Fußnoten", sagt Röbel, während er seine Spiegeleier mit Speck zerkleinert und einen Schluck Filterkaffee nimmt. Er wischt mit dem Zeigefinger geübt über das Display seines iPads und demonstriert die weiterführenden Informationen seiner Demoversion. Die Erklärungen seien gerade bei einem Inhalt wichtig, der "mit Facts und Fiction spielt", wie er sagt.

Die Handlung an sich trage er hingegen schon länger mit sich herum. "An diesem Thema bin ich 30 Jahre lang vorbeigelaufen. Im Springer-Haus in Hamburg hing immer eine gerahmte Erstausgabe des Hamburger Abendblatts mit der Überschrift: 'Hitler, Himmler und die Sterne'", sagt Röbel. "Und darum geht es im Grunde. Um den Astrologen Wilhelm Theodor Heinrich Wulff, den ich Wolff nenne und der im Dienst der Nazis stand, später von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel gebracht wurde."

Den Artikel "Hitler, Himmler und die Sterne", der in der Erstausgabe des Abendblatts am 14. Oktober 1948 gedruckt und als Serie fortgesetzt wurde, hatte Wulff selbst verfasst. Es sind seine Erinnerungen an die Zeit nach seiner Freilassung, als er für SS-Brigadeführer Walter Friedrich Schellenberg, den Chef des Reichskriminalamtes Arthur Nebe und für Heinrich Himmler Horoskope erstellen musste.

"Ich habe mich stark historisch mit dem Thema beschäftigt und bin auf unglaubliche Dinge gestoßen, das hat mich richtig getriggert", sagt Röbel über sein spannendes Buch, das aufdeckt, wie viel bisher kaum bekannte Tragik noch in den Nachwirkungen der Naziverbrechen und des Holocaust liegen kann.