Hamburgs neue Oberhirtin Kirsten Fehrs tritt ihr Amt an und sagt: “Ich habe gespürt, das Vorherige ist wirklich vorbei, und das Neue beginnt.“

Neustadt. Natürlich ist sie joggen gewesen. Wie fast jeden Tag, nur ein bisschen früher. Um halb sieben war Kirsten Fehrs gestern an der Alster unterwegs. "Es war noch dunkel, aber das macht mir nichts aus." Sechs Kilometer ist sie gelaufen, die kurze Strecke. Danach musste sie schnell los - zu ihrem ersten Arbeitstag als Bischöfin. Es sei schon etwas ganz Besonderes gewesen, dieses Ankommen in der Bischofskanzlei an der Esplanade. "Ich habe gespürt, das Vorherige ist wirklich vorbei, und das Neue beginnt", sagt die 50-Jährige. "Es war ein berührender Moment."

Ein Satz, der abgedroschen klingen könnte. Aber bei ihr nicht. Vielleicht liegt es an dem offenen Lächeln, das den Satz begleitet und das direkt ins Herz zielt. Vielleicht liegt es auch daran, dass er - wohl unbewusst - auch in einem doppelten Sinn verstanden werden kann. Sechzehn Monate war der Bischofsstuhl leer, nachdem ihre Amtsvorgängerin Maria Jepsen im Zuge einer Missbrauchsaffäre in Ahrensburg zurückgetreten war. Am 17. Juni hatte die Nordelbische Synode Fehrs gewählt. Seit gestern ist sie im Amt. Auch für die 900 000 Protestanten im Sprengel Hamburg und Lübeck ein Neuanfang.

In schwarzem Hosenanzug und weißer Bluse steht die Bischöfin in ihrem neuen Amtszimmer. "Es ist alles noch ein bisschen durcheinander. Ich konnte noch nichts verändern." Immerhin, im Regal stehen schon ihre Bücher. Auf dem Schreibtisch brummt ein Computer. Papiere liegen da, mit handschriftlichen Notizen. Gegenüber steht eine große Bronzefigur. "Das ist bislang das Einzige, was ich mitgebracht habe", sagt sie. "Jacobus, der Schutzpatron derer, die sich auf den Weg machen." Ein Geschenk der St.-Jacobi-Gemeinde, wo sie in den vergangenen fünf Jahren Hauptpastorin und Pröpstin war.

+++ Kirsten Fehrs neue Hamburger Bischöfin +++

"Die kann Bischöfin." Synodenpräsident Hans-Peter Strenge hat den Satz gesagt, nachdem er Fehrs bei einer Veranstaltung mit Wirtschaftsvertreten beobachtet hatte. Sie lacht, wenn man sie danach fragt. Die zierliche Theologin mit dem überraschend festen Händedruck weiß, was in den nächsten zehn Jahren von ihr erwartet wird. Und sie begegnet der Aufgabe selbstbewusst - mit einer gehörigen Portion Gottvertrauen. Bei ihrer Vorstellung zur Bischofswahl erzählte die Bürgermeistertochter aus Dithmarschen die Hörensagen-Geschichte von ihrer Taufe, bei der das Licht so schön in die Kirche gefallen sei. Ein Vorzeichen? Nicht von ungefähr lautet ihr Lieblingsbibelzitat: "Wir sind nicht Herren des Glaubens, sondern Gehilfen der Freude."

Ihre Theologie ist menschenfreundlich, ihre Predigten handeln vom Leben. Fehrs, die mit einem Pastor verheiratet ist, gilt als liberal und teamfähig. Außerdem ist sie nach 20 Jahren in unterschiedlichen Positionen in Nordelbien bestens vernetzt. Dass die Engelsammlerin mit ihrem akkuraten Kurzhaarschnitt und dem kleinen schwarzen Lederrucksack manchmal etwas bieder wirkt, führt auf die falsche Fährte. Die protestantische Führungskraft hat Ideen und setzt sich durch. So hat sie an Jacobi erfolgreich neue Wege in der Pilgerarbeit initiiert. Über ihre neue Rolle, immerhin eines der wichtigsten Ämter in der Stadt, sagt sie: "Ich finde es gut, gefragt zu werden als eine Instanz, die eine eigene ethische Sicht auf die Dinge hat. Das hat mit Moral zu tun, aber nichts mit moralisch sein." Ihr geht es um Glaubwürdigkeit. Einer ihrer letzten Termine als Hauptpastorin war am vergangenen Sonntag eine Benefizversteigerung von Werken prominenter Künstler zugunsten einer Flüchtlingsinitiative. Natürlich hat sie auch mitgeboten, zwei Bilder ersteigert. Die will sie in ihrem neuen Büro aufhängen, wenn sie Zeit hat. Gestern führte sie erst mal Bewerbungsgespräche, um eine Sekretärin zu finden. Am Freitag wird sie bei der Synode in Rendsburg dabei sein. In der nächsten Woche steht ein Antrittsbesuch bei Bürgermeister Scholz im Terminkalender. So richtig offiziell geht es mit dem Einführungsgottesdienst am ersten Adventssonnabend im Lübecker Dom los. Gestern Abend wollte die Bischöfin sich in ihr neues Büro setzen - und anfangen, die Predigt zu schreiben.