Radiomoderator Gerd Spiekermann ist für viele die plattdeutsche Stimme. Doch seine Liebe gehört nicht nur der Sprache, sondern auch dem Jazz.

Rotherbaum. Hör mal 'n beten to! Dass Gerd Spiekermanns Radiosendungen bei NDR 90,3 eine ganz besondere Note haben, wissen nicht nur die Hörer seiner plattdeutschen Einsätze. Denn der Niedersachse mit jahrzehntelangem Wohnsitz in Hamburg, der dem Idiom unserer Region von jeher Stimme und Ausstrahlung verleiht, kümmert sich ebenso leidenschaftlich um Jazz in der Stadt.

Motto seiner Sendung, die seit 15 Jahren Programm ist: "Das gab's nur einmal". Regelmäßig am vierten Sonnabend im Monat werden zwischen 20 und 22 Uhr alle möglichen Stilrichtungen des Jazz wie Dixieland, Swing oder Bebop präsentiert - früher als Originale frisch vom Plattenteller, heute ebenso hörenswert via CD. Am Anfang stand vor 15 Jahren die Hymne der Hamburger Swing-Jugend: "Goody Goody". Parallel informiert Spiekermann über die historischen Hintergründe einer Musik, deren Genuss einstmals mit Verfolgung und Gefängnis geahndet wurde.

Für dieses außerordentliche Engagement wird der Moderator jetzt mit dem Louis-Armstrong-Gedächtnis-Preis gewürdigt. Die Ehrung wird heute Abend im Rahmen einer Aufzeichnung der 166. Folge von "Das gab's nur einmal" im NDR-Studio an der Rothenbaumchaussee vorgenommen. Diese Sendung wird am Sonnabend, 27. August ausgestrahlt.

"Gerd Spiekermann hat einen wichtigen, weil musikalisch bedeutsamen kreativen Bereich des Hamburger Kulturlebens erkannt, einem großen Publikum nahegebracht und gleichzeitig musikalisches Geschichtsbewusstsein geweckt", heißt es in der Begründung der Jury von "Swinging Hamburg". "Seine Auswahl an Musikern und Jazzbands hat sich immer an musikalischer Qualität orientiert und folgte nie tagespopulären Gegebenheiten."

Der NDR-Moderator ist so sehr mit der niederdeutschen Sprache verbunden, dass wir das Porträt lieber gleich doppelt drucken: Hier geht's zu Peter Nissens Übersetzung op Platt

Anders formuliert: Wenn Spiekermann etwas anpackt, dann richtig - und dauerhaft. Mehr als 1000-mal forderte er seit 1988 im NDR: "Hör mal 'n beten to." Immer mit einem Augenzwinkern, immer selbstironisch, immer mit Wortwitz. Morgen um 10.40 Uhr nimmt er Artikel 17 des Grundgesetzes aufs Korn, den "Nörgelparagrafen". Op Platt, versteiht sick. Jeweils mehr als 200-mal brachte er uns Nordlichtern das Hafenkonzert oder die "Sonntakte" zu Ohr. Und sonntags um 8.20 Uhr heißt es traditionell: "Wi snackt Platt."

Beim NDR pflegt der kernige Typ mit dem Vollbart das Niederdeutsche seit 1981, zu Hause in Ovelgönne an der Unterweser von Jugend an. Für Mutter Grete und Vater Heino, Betreiber der Schankwirtschaft Zum Schwarzen Ross (Mittagstisch, Klubzimmer, Fremdenzimmer) in dem Dorf bei Brake, gehörte Plattdüütsch einfach dazu. Ganz normal. Entsprechend hellhörig reagierte der angehende Lehrer, als er während eines Auslandssemesters in Frankreich von der sprachlichen Regionalisierungsbewegung in der Bretagne hörte. "Da war ich infiziert", erinnert sich Gerd Spiekermann. Fortan sprach er nicht nur Platt, sondern hegte und pflegte dieses Kleinod mit Herzblut. Gemeinsam mit Ehefrau Heike wurden die vier Kinder in Hamburg entsprechend erzogen.

Auch ein weiterer schöner Bazillus wurde früh gesät: Als Gerd 1970 im Gymnasium Brake die Hamburger Jazzband Bop Cats erlebt, hüpfte sein Herz. Auch diese Zuneigung hatte Bestand: Mit dieser und anderen swingenden Gruppen tourt Spiekermann auch heute noch durch den Großraum Hamburg. Grundsätzlich auf der Suche nach dem gewissen Etwas. Zu den alten Kontakten zählt ebenso die 86 Jahre alte Jazzlegende Günter Discher, die ob dieses Hobbys während der Nazizeit ins Konzentrationslager deportiert wurde. Die Hörer über solche Ab- und Hintergründe zu informieren war von Anfang an Spiekermanns Ziel. Ein Grund mehr für die heutige Ehrung.

Damit der Preisträger zwischen all den Einsätzen fürs Plattdeutsche und den Jazz auf Kurs bleibt, pflegt er im Polo oder mit einem 125er Motorroller von Termin zu Termin zu eilen. Daheim in Wandsbek freuen sich neben Ehefrau Heike auch die beiden Kooiker-Damen Nele und Fenja auf den Mann mit der bärenstarken Ausstrahlung. Devise: In der Ruhe liegt die Kraft. Gerd Spiekermann, der gelegentlich auch op Platt auf der Kanzel predigt, will im Winter auf Sprachreise gehen. Nach Französisch, Englisch, Holländisch, Hochdeutsch und Plattdüütsch soll Spanisch als sechste Sprache hinzukommen. Dann gilt ausnahmsweise umgekehrt: Hör mal 'n beten to.