Stiftungschefin organisiert das traditionelle Sommerkonzert auf Sylt, bei dem Freitagabend in St. Severin junge Musiker spielen.

Hamburg/Sylt. Die Präsidentin hat alles im Griff. In der Geschäftsstelle der Deutschen Stiftung Musikleben am Stubbenhuk türmen sich im Flur unzählige Kartons mit Flyern, Programmheften und CDs, fertig zum Transport auf die Insel und fertig für das wohl schönste Schaufenster, das Irene Schulte-Hillen und ihre fünf Mitarbeiterinnen jungen hochbegabten Musikern bieten können: das Sommerkonzert in St. Severin in Keitum auf Sylt, in Schleswig-Holsteins ältestem Kirchenraum aus dem 13. Jahrhundert. Heute Abend um 18 Uhr treffen sich dort zum elften Mal Mäzene und Musikfreunde, Sylter und Wahl-Sylter.

Wenn man die Kartons sieht, spürt man: Der ehrenamtliche Einsatz für die Stiftung ist für die Chefin längst ein Vollzeitjob, den sie nur durchhalten kann, weil sie selbst eine tiefe, in der Kindheit gewachsene Beziehung zur Musik hat. Für Irene Schulte-Hillen war Musik immer ein fester Ankerpunkt. Das Klavier der Mutter war das musikalische Zentrum der Familie mit den vier Kindern. Die Mutter spielte für die Kinder abends gern Mozart - und dann noch etwas Bayerisches aus ihrer Heimat. Für Hausmusik gab es viele Anlässe. Die Kinder durften erfahren, wie sehr Musik wohl tut. Irene Schulte-Hillen fand von den diversen Flöten bald zum Singen, kam in einen musikalisch ausgefüllten Schulalltag und stand irgendwann auf der Schulbühne - ein großes, schüchternes Mädchen, das solo singen sollte. "Es ist ein großes Glück zu erleben, wie man aus eigenem Antrieb, mit eigener Anstrengung etwas Wunderschönes hinbekommt", sagt Irene Schulte-Hillen.

Aber auch Disziplin und Genauigkeit hat Irene Schulte-Hillen in der Musik gelernt. Wer aus der Reihe tanzte, musste einzeln vorsingen, und wer zur Chorprobe zu spät kam, seine Entschuldigung singend vortragen. Prägende Erlebnisse, so wie ihre erste Oper "Don Giovanni". Da war sie zwölf Jahre alt. "Ein Wespenstich hatte den Platz meines Vaters in der Oper für mich freigemacht."

Das Gesangsstudium, das die Tochter anstrebte, hat den Kaufmann und ehrenamtlichen Kommunalpolitiker dann aber beunruhigt. Sie studierte also Volkswirtschaft, heiratete Gerd Schulte-Hillen, den späteren Vorstandsvorsitzenden von Gruner + Jahr. In Barcelona am Konservatorium und später an der Hamburger Musikhochschule nahm sie doch noch Gesangsunterricht, aber das beendete ein Umzug nach Amerika. Ein bisschen Wehmut klingt mit, wenn sie davon erzählt. Dafür wurde wieder im eigenen Zuhause musiziert - jedes ihrer vier Kinder lernte etwas anderes, es gab Klavier, Flöten, Klarinette, Saxofon und E-Gitarre.

Doch die Musik lässt niemanden los, den sie mal gepackt hat. Und die ganz großen Wünsche gehen in Erfüllung, wenn man bei der richtigen Gelegenheit fest zupackt. Diese Gelegenheit kam Mitte der 80er-Jahre, als zwei alte Hamburger Gründerherren der Deutschen Stiftung Musikleben - der Mäzen Eduard Söring und der Musikverleger Hans Sikorski - jemanden suchten, der frischen Wind in ihre Idee bringen könnte, junge Musiker zu fördern. Irene Schulte-Hillen erforschte, was junge Musiker sich wünschten, und hatte bald feste Vorstellungen davon, was die Stiftung künftig leisten sollte.

Mit rheinländischem Temperament und musikalischer Leidenschaft umsorgt sie nun seit 25 Jahren jährlich mehr als 200 junge Menschen, die am Anfang einer musikalischen Karriere stehen. Organisiert ihnen 50 bis 60 Auftritte pro Jahr, bringt sie mit Förderern zusammen. Festkonzerte beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue sind dabei, Konzerte unter der Leitung von Kurt Masur, Konzerte auf den großen Musikfestivals der Republik, einmal im Jahr auch zwei Wochen Kammermusik auf der MS "Europa".

Beharrlich, zielstrebig und überzeugungsstark hält die rothaarige Stiftungschefin Spender und Instrumententreugeber zusammen. Schulte-Hillen verbindet in der Arbeit ihre ökonomischen Talente, ihr pragmatisches Organisationsgeschick und den Hang zum Selbstanpacken, ihren Spaß am Netzwerken und die Freude an der Musik auf ideale Weise.

Und die Stipendiaten der Stiftung sind praktisch eine große Familie. Amtsmüde ist die Präsidentin noch lange nicht, die Ideen gehen ihr sicher auch nie aus. Aber sie schaut manchmal nach vorn und sorgt sich darum, wie die Arbeit der Stiftung für die Zukunft gesichert werden kann. Auf der finanziellen Seite wünscht sie sich da Zustiftungen, um "die monetäre Basis zu verbreitern". Und dann auch noch mehr Menschen, die ernsthaft ehrenamtlich mitarbeiten möchten.

Ihre Belohnung? "Zu sehen, wie junge Musiker ihren Weg finden. Auf Sylt spielt jetzt zum Beispiel Alina Pogostkina aus St. Petersburg, sie hat den Sibelius-Wettbewerb gewonnen. Sie spielt eine unserer Stradivaris. Ich freue mich, dass sich die jungen Menschen so wunderbar entwickeln und dass ich mithelfen darf, ihnen den einen oder anderen Stolperstein aus dem Weg zu räumen."

In St. Severin sind heute noch sechs weitere Musiker der Stiftung zu hören. Wer als Zuhörer dabei ist, wird die Organisatorin nicht übersehen. Ihre aufrichtige Begeisterung ist ansteckend.

Infos über die Arbeit der Stiftung: www.deutsche-stiftung-musikleben.de