Viele Jugendliche tanzen beim Winterball der Vereinigung des Adels auf dem Süllberg. So denkt der junge Adel über Tradition und Vorurteile.

Blankenese. Früher wären sie wahrscheinlich mit prachtvollen Kutschen vorgefahren zum festlichen Ball in Abendroben. Heute sind es normale Autos, in denen der Adel am Süllberg eintrifft. Die Monarchie gibt es seit der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. 1918 nicht mehr, die Adelstitel sind nur noch Teil der Familiennamen. Aber die Vereinigung des Adels in Hamburg und Schleswig-Holstein veranstaltet regelmäßige Treffen.

Als Vorsitzender des Vorstands gehört ihr Udo von Bismarck, Urururgroßneffe von Otto von Bismarck, an. Zusammen mit seiner Frau Katarina von Bismarck, Christine von Klaß und Maximilian von Hanneken begrüßte er am Sonnabend die Gäste des Winterballs, den der Verein seit 1952 feiert. Während sich andere Bälle in Hamburg über eine Teilnahme junger Tanzbegeisterter sehr freuen würde, mangelt es Adelskreisen nicht an Nachwuchs.

Zum ersten Mal dabei waren die Schwestern Harriet und Friederike Schwarz-von Kügelgen sowie ihre Cousine Luise von Kügelgen. "Hier sind alle Generationen vertreten", sagt die 17-jährige Friederike und erklärt damit ihre Motivation, den Ball zu besuchen. Die zwei Jahre jüngere Harriet freute sich, neue Bekanntschaften schließen zu können: "Das geht zwar auch auf 'normalen Partys', aber der Rahmen ist längst nicht so festlich wie hier."

Jugendliche, die mit Adelstitel im Namen aufwachsen, spüren oft die Vorurteile ihrer Mitschüler. Da würden Fragen gestellt werden wie "Lebt ihr auf einem Schloss?" oder "Habt ihr einen Helikopter?" Dabei lebten die meisten Adeligen heute gar nicht anders als alle anderen. Vielleicht mit einem Unterschied, räumt Friederike ein: "Bei uns wird sehr viel Wert auf die Familie gelegt und über unsere Vorfahren gesprochen." Stolz trägt daher auch fast jeder der 140 geladenen Gäste seinen Siegelring - oft gibt es ihn in den Familien zur Konfirmation oder zum 18. Geburtstag - mit dem Familienwappen. Auch für Benigna von Brederlow zählen Tradition und Tugenden wie ein zuvorkommendes Verhalten der Männer, indem sie Frauen die Türen aufhalten und links von ihnen gehen. Auch bei der Sitzordnung gibt es an diesem Abend eigene Regeln: Niemand kennt seine Tischpartner. Nur Verlobte dürfen nebeneinandersitzen.

Zum Ball kam Marie-Christine von Minckwitz, Jugendvertreterin des historischen Adels von Brandenburg-Berlin, mit ihrem Freund Ferdinand von Schönberg extra nach Hamburg. In ihrem sozialen Umkreis werde der Titel eher selten wahrgenommen, sagt die 23-Jährige. Und wie werden adelige Eskapaden - wie beispielsweise von Ernst August Prinz von Hannover - bewertet? "Man nimmt es zur Kenntnis, bezieht es aber nicht auf die Gesellschaftsgruppe", sagt Ferdinand von Schönberg. "Das ist ein Teil des Adels, der aus wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gründen im Vordergrund steht und deshalb oft im Interesse der Paparazzi ist", sagt Klas Baron von Toll. Aber diese Nachrichten ärgerten ihn nicht: "Es hat nichts mit mir zu tun." Ungeachtet derer, die aus der Reihe tanzen: Es war noch bis weit nach Mitternacht ein rauschendes Fest.