Markenmacher Jan Schawe eröffnet gerade seine dritte Delikatessen-Filiale auf zwei Etagen an der Poststraße. Er will nur im Norden bleiben.

Neustadt. Bei Jan Schawe hört es sich ganz einfach an: ein Konzept haben, die dazugehörige Überzeugung, dass dieses stimmig ist, und den absoluten Wunsch, seinen Traum in die Tat umzusetzen. Heute steht Schawe in seinem Traum, mittendrin sozusagen.

Der 38-jährige Hamburger ist Gründer und Chef von Mutterland, gerade eröffnet er sein drittes Geschäft an der Poststraße. Hier verkauft er alles, was es auch in anderen Delikatessenläden gibt - mit der Besonderheit, dass die Produkte aus kleinen und mittelgroßen deutschen Familienbetrieben stammen. "Bis auf Schokolade, Kaffee und Tee. Noch bauen wir die Rohstoffe ja nicht selbst an", sagt er und rückt seine Basketball-Kappe zurecht. Er sieht sich als Ergänzung zu Mitbewerbern wie dem Feinkosthandel Oschätzchen, nicht als Konkurrenz.

Fast liebevoll gleitet sein Blick über das Sortiment. In selbst entworfenen Holzkisten, die deckenhoch als Regalfächer gestapelt sind, liegen die Leckereien. Schawe kann zu jeder der 250 Manufakturen, die er führt, etwas erzählen. Die meisten Produkte "sind über meinen Gaumen gewandert". Zehn Kilo mehr trägt er auf den Rippen, seit er 2009 eröffnete. Der immer noch schlank-schlaksige Schawe kennt seine Lieferanten fast alle persönlich: die Hamburgerin, die Marmeladen einkocht, die westfälische Familie, die Senf herstellt, den Obstbrenner vom Bodensee, der nur eine kleine Zahl von außergewöhnlichen Schnapssorten brennt. "Mir geht es darum zu wissen, dass die Rohstoffe, die verwendet werden, nicht sechsmal um die Welt reisen, sondern vielleicht nur ein halbes Mal", sagt Jan Schawe. Wasser von den Fidschi-Inseln zu trinken käme für ihn nicht infrage. "Ich bin kein Despot, ich hebe nicht den moralischen Zeigefinger und sage: 'Esst nur Sachen aus der Region', ich will vielmehr eine Alternative bieten zu den Produkten großer globaler Lebensmittelkonzerne und Marken mit irrwitzigen Transportwegen."

Und damit hat er den Geschmack der Hamburger getroffen, sprichwörtlich. Seine frischen Kuchen und Butterbrote, Smoothies, Miniküchlein, handgemachten Biospaghetti oder Bonbons, Chutneys, Honigsorten und Dressings finden laufend neue Liebhaber. Meistens sind die Läden, das Stammhaus in der Ernst-Merck-Straße 9 in St. Georg, die erste Filiale an der Eppendorfer Lenhartzstraße 1 und auch das neue Geschäft, das hierher an die Poststraße vom Hanse-Viertel aus umzog, gut besucht. "Wir haben hier ein demokratisches Luxuskonzept", sagt Schawe. "Eine Tafel Schokolade für fünf Euro ist nicht günstig, aber eigentlich jeder, der sich etwas Gutes tun will, kann sie sich leisten." Und dass das Auge immer mitkauft, weiß Schawe. Denn eigentlich ist er Designer und Markenmacher, wie er sagt. Lange Zeit arbeitete er bei dem renommierten Hamburger Produktdesigner Peter Schmidt als Assistent, und heute führt er noch mit einem Partner die Agentur Welovedesign. Hier entwickelt er Marken, Namen, Corporate Designs für Firmen, das äußere Erscheinungsbild eben. Besonders auf Feinheiten achtet der Ästhet.

Deshalb gibt es bei Mutterland keine schnöden Tüten, sondern auf Wunsch Papierbeutel mit aufgenähtem Spruch wie "Ahoi, Gruß aus Hamburg". Darauf angesprochen, lacht er. "Unsere Einnähmaschine kommt sehr gut an", sagt er, "ich werde auch immer wieder von anderen Händlern gefragt, wo man die bekommen kann." Doch solche Neugier kommt bei dem Kaufmann weniger gut an. Schließlich geht es dem Winterhuder auch um Exklusivität: Etwas anbieten zu können, was nicht überall zu bekommen ist. "Das ist auch der Grund dafür, warum ich nicht Filialen in ganz Deutschland eröffnen werde", so Schawe. "Ich verstehe Mutterland als ein Hamburger Unternehmen, ich finde, die Attraktivität sinkt, wenn unser Sortiment überall erhältlich ist. Es ist doch auch langweilig, dass man mittlerweile in jeder Stadt das Gleiche kaufen kann."

150 Franchise-Anfragen habe er inzwischen, er denke über ein Konzept mit einer anderen Mutterland-Linie nach. Stillstand ist nicht nach seinem Geschmack, zu gern plant er und setzt seine kreativen Ideen um. Doch am Ursprungskonzept will er nicht rütteln, das soll im Norden bleiben. Eigentlich logisch. Denn auch der Name, den Schawe als "Hommage an die Mutter" entwickelte, entstand hier. "Ich bin in Hamburg geboren, in Quickborn-Heide aufgewachsen und hatte das Glück, dass ich eine Mutter habe, die kochen kann und mir als Kind keine Maggi-Tüte aufmachte, sondern den Vanillepudding selbst gekocht hat", sagt er. Zudem möchte er den Namen Mutterland auf das Heimat- und Ursprungsland für seine Produkte verstanden wissen. Heimatland Hamburg eben.