Altbürgermeister freut sich auf seine Aufgabe als Aufsichtsrat der South Stream, einer Tochter des russischen Unternehmens Gazprom.

Neustadt. Von seiner Anwaltskanzlei Ecke Büschstraße/Colonnaden aus hat Henning Voscherau direkten Einblick in die Kostümwerkstatt der Staatsoper und kann manchmal die Sänger proben hören. Doch hatte der promovierte Jurist und frühere SPD-Bürgermeister gestern nicht so recht Muße, das turbulente Treiben imStudio gegenüber zu genießen: Derrussische Energiekonzern Gazprom will den 70-jährigen Hanseaten zum Aufsichtsratschef seines Konsortiums South Stream machen. Das wirft manche Frage auf, die es nun zu beantworten gilt.

Das Unternehmen plant eine Pipeline durch das Schwarze Meer bis nach Bulgarien, mit der ab Mitte des Jahrzehnts mehr Gas nach Südeuropa gepumpt werden soll. Ende dieses Jahres soll mit dem Bau des spektakulären Projekts begonnen werden. Das Investitionsvolumen soll mehr als 20 Milliarden Euro betragen.

"Ich blicke der Entwicklung mit fröhlicher Gelassenheit entgegen", sagte Voscherau gestern dem Abendblatt. Seitdem der Sozialdemokrat wegen Erreichens der Altersgrenze im Spätsommer vergangenen Jahres aus seinem Notariat am Alstertor ausscheiden musste, ist er angedockt an die Kanzlei Breiholdt & Voscherau seines Sohnes Carl Christian, 35. "Ich genieße meine Freiheit", sagte er.

+++ Voscherau bestätigt Anfrage aus Russland +++

+++ Ein Henning Voscherau für die Ewigkeit +++

Voscherau bestätigte, im Falle eines schriftlichen Angebots, hinter dem alle Gesellschafter stehen, die neue Aufgabe annehmen zu wollen. Erst am Montag Abend war er aus Moskau zurück nach Hamburg geflogen. In der russischen Hauptstadt hatten ihm die Gazprom-Manager ihre Vorstellungen präsentiert. Anschließend kündigte Gazprom-Chef Alexej Miller an, Voscherau für die im April anstehende Wahl des Aufsichtsrats nominieren zu wollen. Die russischen und deutschen Gesellschafter seien dafür. Nun müssten noch die Partner in Frankreich und Italien ins Boot geholt werden. South Stream sitzt in Zug (Schweiz); neben Gazprom (51 Prozent) sowie den französischen und italienischen Partnern gehört auch die deutsche BASF-Tochter Wintershall zum Konsortium. Voscheraus Bruder Eggert leitet den Aufsichtsrat der BASF.

"Wir sind überzeugt, dass die Erfahrung und Autorität von Henning Voscherau helfen werden, dieses strategisch wichtige Projekt erfolgreich und termingerecht zu realisieren", sagte Miller. Seit Jahren ist auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder für den russischen Konzern tätig. Gazproms angeblich nebulöse Geschäftspraktiken standen immer wieder in der Kritik. So gab es in Schweden Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts. Der "Spiegel" warf den Osteuropäern vor, ehemalige Stasi-Spitzel in Führungspositionen zu hieven, und der "Stern" schrieb, dass der Konzern Europa mit einem "Netz von Tarnfirmen" überziehe.

Hat ein Engagement für Gazprom nicht Hautgout, Herr Voscherau? "Überhaupt nicht", entgegnete der Rechtsanwalt und Sozialdemokrat, "man sollte nicht auf jene hören, die das durch Gorbatschow und Kohl neu begründete friedliche deutsch-russische Verhältnis stören und einen Keil zwischen beide Länder treiben wollen." Wer neue Distanz zwischen Russland und Westeuropa herbeirede, begehe einen "gewaltigen historischen Fehler". Er warte jetzt "in aller Seelenruhe" darauf, dass sich alle South-Stream-Partner einig sind.

Augenzwinkernd bringt er eine zusätzliche Nuance des Geschäfts ins Gespräch: "Sollte Gazprom beim HSV einsteigen wollen, bin ich dafür." Damit spielte Voscherau auf das finanzielle Engagement des russischen Energieriesen beim FC Schalke 04 an.