Auffällig viele junge Besucher beim traditionellen Winterball. Udo von Bismarck über die 200 Gäste: “Die sind alle wahnsinnig nett.“

Blankenese. Dieser Abend war einer, der das Gestern mit dem Heute verband. So jedenfalls möchten es die Vertreter der Vereinigung des Adels in Hamburg und Schleswig-Holstein gern beschrieben wissen. Am Sonnabend feierten sie auf dem Süllberg ihren traditionellen Winterball, dazu das 60-jährige Bestehen der Vereinigung.

Auf Einladung des Vorsitzenden Udo von Bismarck kamen rund 200 Gäste aus ganz Deutschland zum Gratulieren - Mitglieder des sogenannten historischen Adels. Darunter Seine Durchlaucht Alfred Prinz von Schönburg-Hartenstein und Gemahlin Ihre Durchlaucht Marie-Therese Prinzessin von Schönburg-Hartenstein, das Fürstenpaar von Bismarck sowie Philipp Graf Schenk von Stauffenberg, ein Nachkomme des Widerstandskämpfers Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

+++ Wo sich der Adel einst vergnügte +++

Für den unbeteiligten Beobachter erscheint ein solches Fest auf den ersten Blick skurril. Unwillkürlich erinnert man sich an den berühmtesten Prolog der Comicgeschichte: an die Bewohner des unbeugsamen gallischen Dorfes, die sich gegen die Außenwelt behaupteten. Auch wenn es hier nicht um Gallier ging. Schon eher um unbeugsame Charaktere. Eben solche, die bewusst ihre Traditionen pflegen, perfektionieren.

So mag es überhöht, wie aus einer anderen Zeit wirken, wenn der Herr im Frack bei der Begrüßung die Hacken zusammenknallen lässt, sich zur Dame beugt, um ihr einen Handkuss zukommen zu lassen. Wenn andere mit "Durchlaucht", "Prinzessin" oder "Fürstin" angesprochen werden. Oder gemeinsam die Quadrille getanzt wird.

Für die Mitglieder der unterschiedlichen Adelsvereinigungen, des organisierten historischen Adels, sind diese Verhaltenskodizes unerlässlich. Drücken sie doch die Zugehörigkeit sowie den Stellenwert der Pflege von Traditionen aus. Traditionen und Werte - Begriffe, die an diesem Abend häufig fallen - das sind die bedeutungsvollen Inhalte, die die Adeligen an ihre Nachkommen weitergeben wollen: Familiengeschichte, Wissen um die Taten der Vorfahren, Etiketteregeln. Was vielen Außenstehenden jedoch aufstößt, ist, dass sich manch Träger eines adeligen Namens so verhält, als habe er noch Vorrechte. Diese jedoch musste der Adel mit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. am 28. November 1918 und dem damit beendeten Zeitalter der Monarchie in Deutschland abgeben. Lediglich die Titel im Namen blieben erhalten.

Heute stellt der Adel eine relativ geschlossene Gesellschaftsschicht mit individuellen Lebensformen, Umgangsweisen und differenziertem Standesethos dar. Rund 80 000 Angehörige des historischen Adels gibt es in Deutschland heute, weiß Constantin v. Hanneken. Ehrenamtlich arbeitet er als Pressesprecher der Adelsvereinigung und lässt im hauptberuflichen Leben das "von" beim Vorstellen gern mal weg. Schreibt er seinen Namen, dann steht da kein "von", sondern ein "v.". "Damit grenzen wir uns bewusst von anderen ab, die ihre Titel gekauft oder durch Adoption erworben haben", so der 33-Jährige. Er steht beispielhaft für die junge Generation: Differenziert betrachtet er die Situation. "Traditionen und Werte haben nichts mit dem Titel zu tun", sagt er, "1918 ist uns durchaus geläufig." In Schulzeiten sei er oft gefragt worden, ob er in einem Schloss wohne und ob es dort eine Prinzessin gebe. "Das ist natürlich Quatsch, aber wäre ich nicht adelig, wüsste ich wohl nicht so genau über die 13 Generationen meiner Familie Bescheid."

Unerwartet viele junge adelige Gäste waren auf dem Süllberg zu sehen, rund ein Viertel der Anwesenden. Zur Freude Udo von Bismarcks. "Das ist doch toll, dass sie Spaß und Interesse haben." Und Elisabeth Fürstin von Bismarck bemerkte zur Frage nach der Bedeutung des Adels-Titels: "Die sind alle wahnsinnig nett - und das ist doch das Wichtigste!"