Heinrich Paravicini und Johannes Plass sind die Gründer von Mutabor, die die Alltagskultur prägen. “Wir machen Produkte schöner“, sagen sie

Hamburg. Draußen fließt vor dem Hafenpanorama die Elbe quer durch einen vom Sonnenuntergang filmreif ausgeleuchteten Winterabend. Drinnen sitzen Heinrich Paravicini und Johannes Plass in der Chefetage von Mutabor , ihrer 355-fach preisgekrönten Agentur für Kommunikationsdesign. Gerade erst wurde ihnen der Designpreis Deutschland 2012 in Gold avisiert. Hamburg pur ist das hier unten in Altona an der Großen Elbstraße, aber das hält die zwei Markenmacher nicht davon ab, über Hamburg und seinen Markenauftritt zu lästern.

Paravicini: "Welcher Markenauftritt?" Plass: "Genau." Im Vergleich zu anderen Städten, die sich etwa wegen einer Olympiade damit wirklich beschäftigt hätten, was sie alles sind und was man daraus machen könnte. "Das ist bei der Hamburger Olympia-Bewerbung mal kurz aufgeflammt, sieht aber jetzt wieder eher hilflos aus", sagt er.

Plass assistiert: "Hamburg macht klassisch Werbung, und sie gehen dabei vor allem auf ein Thema - den Hafen. Aber wir verfolgen ja von hier, wie viele Lastwagen mal auf der Köhlbrandbrücke standen und wie viele es heute sind. Es ist immer gefährlich, nur auf ein Produkt zu setzen." Sein Kompagnon Paravicini ergänzt: "Umwelthauptstadt, das ist wieder so eine Kampagne. Aber Marke ist etwas, was langfristig im Kopf verankert wird." Auch "Wachsende Stadt" sei noch keine Marke, man müsse doch erst mal sagen: Wofür steht diese Stadt? "Eine Marke, das ist eine Geschichte, die als Kopfkino passiert und sehr fein gesteuert werden kann. Aber noch ist es ja nicht so weit, dass wir den Bürgermeister beraten."

+++ Mutabor - Die Markenbildner aus Hamburg +++

Selbstbewusst werfen sich die beiden die argumentativen Bälle zu, ein eingespieltes Team, das auch nach Jahren an zwei Schreibtischen einander direkt gegenüber arbeitet. So wie immer seit den Studientagen in Kiel. Johannes Plass, 41, stammt aus einer großen Familie in Osnabrück. Er wollte Architekt werden, wählte aber Grafikdesign. An der Hochschule traf er Heinrich Paravicini, ebenfalls 41, aufgewachsen in Paris, wo sein Vater das Deutsche Historische Institut geleitet hat, geprägt durch die Kultursättigung des Elternhauses - und durch japanische Mangas, die im französischen TV unzensiert liefen.

Beide sind enttäuscht von der Langsamkeit, mit der das Studium auf neue Design-Einflüsse reagierte. Das Herz der Designwelt, das vor dem Krieg auch in Deutschland geschlagen hatte, lag jetzt in den USA und Großbritannien. Also gründen sie das Design-Magazin "Mutabor", das stark auf diese Leitmärkte für visuelle Kultur blickt. In Deutschland sah man so etwas nicht, sagen sie, nur "visuelle Meterware".

Das wollen sie ändern. Nach dem Studium zieht es beide nach Hamburg. Aufschlag im Karoviertel, später in eine umgebaute Autowerkstatt. Mutabor, seit 1998 Agentur, startet durch. Mit großen Marken als Auftraggebern; die hatten sie über ihre Examensarbeit kennengelernt. Die Frage aller Kreativen in Hamburg, "Alster oder Elbe?", beantworten beide wie aus einem Mund: "Wir sind Elbe." Das stehe für Durchzug, frischen Wind und Weltoffenheit.

Angefangen haben sie als Experten für Grafikdesign, heute rangieren sie unter den Top-drei-Agenturen und sind für alle Unternehmen da, die ihre Marke den gewandelten Zeiten anpassen möchten. "Wir haben in der Wirtschaftskrise bemerkt: Firmen mit starken Marken sind sehr viel erfolgreicher durch die Krise gegangen als andere Unternehmen", sagt Plass.

"Mutabor" stammt aus dem Märchen vom Kalifen Storch, das lateinische Wort bedeutet: "Ich werde verwandelt werden." Wer das wirklich will ("das finden wir in Gesprächen sehr schnell heraus"), kann von den Segnungen der Hexenküche profitieren, in der Mutabor sich um Markenprofil und Markenführung kümmert. "Das ist alles differenzierter und schwieriger geworden, es kommen immer neue Kanäle dazu, die richtig bedient werden wollen, denken Sie nur an Facebook oder an eigene Apps." Multi channel brand design heißt das im Agentur-Deutsch, in dem Mutabor zu "I'm going to change" wird.

Dafür sind 70 Mitarbeiter da, die mit einem großen Radar Augen und Ohren offen halten, in allen Bereichen die Avantgarde suchen. Die interdisziplinär überlegen, wo die Geschichte einer Marke steckt, wie sie geschärft und verpackt werden kann, wie man sie erfahrbar macht auf Messen, in Image-Filmen und auf interaktiven Kanälen. Auch Architekten gehören inzwischen dazu, die Messe-Stände bauen oder Marken-Läden, so einen Flagship Store für Adidas auf den Champs-Élysées, einen Auftritt für BMW auf einer Messe in Tokio, für die Telekom ein Store-Konzept in Berlin-Mitte, Projekte in China.

An Wettbewerben nehmen sie teil, damit sie ihren Kunden zeigen können: Was Mutabor macht, hat nicht nur dich überzeugt, sondern auch unabhängige Experten. 55 bis 60 Preise pro Jahr heimsen sie ein - "die stehen für unser Niveau". Was die Endverbraucher von ihrer Arbeit haben? "Die Produkte machen mehr Spaß, weil sie besser aussehen", sagt Paravicini. "Der Verbraucher versteht Marken als Partner, sie erzählen ihm was, Marken sind die neue Religion - schauen Sie sich Apple an. Wir machen das Leben schöner." Plass ergänzt: "Marken sind ein Stück Kultur, ganz viel Alltagskultur."

Die Studenten von einst sind längst Familienväter, aber ihre Träume sind nicht kleiner geworden. "Wir müssen nicht Nummer eins werden, aber das relevanteste Büro ... Da sind wir noch nicht, solange uns nicht jede Firma anruft, die über Design nachdenkt." Und Paravicini setzt noch einen drauf: "Das Erscheinungsbild einer Olympiade - das wäre ein Ding, ich würd's einfach gern machen." Es muss ja nicht Hamburg sein.