Die Gelehrtenschule des Johanneums feiert 483. Geburtstag. Inken Hose ist die erste Direktorin - vor ihr gab es 36 Schuldirektoren.

Winterhude. Erst wollte Inken Hose nicht so recht. Ein Interview? Wirklich? Es gebe doch gar nichts Außergewöhnliches zu erzählen. Außerdem die vielen Termine, Zeit habe sie wenig. Aber nun gut, es gehe ja auch um die Schule, und die liege ihr natürlich unglaublich am Herzen. Also stimmte Inken Hose, die erste Direktorin in der Geschichte der Gelehrtenschule Johanneum an der Winterhuder Maria-Louisen-Straße 114, einem Treffen zu.

Und überraschte. Denn die Frau mit dem akkuraten Haarschnitt - die Ohren bedeckendes Haupthaar und kurzer Pony - versucht mit aller Vehemenz den Eindruck zu vermeiden, ihr Geschlecht auf dem Führungsposten der Traditionsschule sei etwas Besonderes. Jedoch regierten seit 1529 durchgehend Männer - insgesamt waren es 36 - als Schuldirektoren die humanistische Bildungsstätte. Hose ist heute, am 483. Geburtstag der Schule, die erste Frau im Direktionsbüro.

Seit Februar 2002 unterrichtete sie dort Latein und Griechisch, war dann Mittelstufenkoordinatorin an der Schule, an der sie schon 1993/94 ihr Referendariat abgelegt hatte. Seit Februar 2011 leitet sie die Schule. "Zwei Monate lang konnte ich noch mit meinem Vorgänger Uwe Reimer zusammenarbeiten, er und das ganze Team haben mich hervorragend in die Schulleitertätigkeit eingeführt", sagt Hose. "Man braucht Unterstützung bei den neuen Aufgaben, besonders glücklich bin ich, dass ich hier einen hervorragenden Stellvertreter habe." Sie lächelt verhalten und bietet vorbereitete geschälte Apfelstücke und Gummitiere an. Zu ihren neuen Aufgaben zähle es, viel mit Schülern, Eltern und Ehemaligen zu kommunizieren, Anfragen zu beantworten, Schulentwicklungsprozesse zu steuern und sich um das Personal zu kümmern.

62 Lehrer sind zurzeit am Johanneum beschäftigt. "Wir haben eine sehr gute Altersstruktur, und zwei Drittel davon sind Frauen", sagt sie. Und auch hier sei nur die Qualifikation wichtig, das Geschlecht spiele keine Rolle. "Das war bei meiner Besetzung auch so, da zählte, dass man sich als Persönlichkeit einbringt", sagte die 48-Jährige. "Was mich kennzeichnet, ist, dass ich gern mit Menschen zusammenarbeite und auch als Schulleiterin noch Pädagogin bin. Außerdem identifiziere ich mich in hohem Maße mit dieser Schule."

Stark geprägt wurde sie in ihrer eigenen Schulzeit auf dem humanistischen Wilhelm-Gymnasium. Hierher, wo der Schwerpunkt bei den "alten" Sprachen Griechisch und Latein liegt, schickten sie ihre Eltern, ein Pastor und eine Hausfrau. Sprachen und Musik werden hier zu einem wichtigen Teil ihres Lebens. Die ruhige, bedachte Mutter zweier Töchter kommt aus sich heraus, wenn sie von ihrer Liebe zu Tönen spricht: In ihrer Kindheit sang sie im Jugendchor des Michel, bis zum Studium hatte sie Klavierunterricht, "dann lernte ich auf den Rat meiner Eltern hin Kirchenorgel, auch heute spiele ich regelmäßig in der Gemeinde Glinde".

Dass ihre Töchter ihr nacheifern - beide studieren Schulmusik und Latein, um Lehrerinnen zu werden -, hat sicher damit zu tun, dass Hose ihre Liebe zum Beruf und ihr Engagement nicht vorgibt, sie lebt sie. Deutlich wird das nicht nur, wenn sie bedauert, dass ihr die Zeit zum Unterrichten nun fehlt, sondern auch, wenn sie von ihrer eigenen Ausbildung spricht. Sie besticht mit unerwartbaren Details aus ihrem Leben. Erzählt von scheinbar schnöden Dingen so, dass der Zuhörer vom Thema gefesselt wird. So wie von ihrer Studienzeit in London, wo sie ein Jahr lang lebte und sich mit der Papyrologie beschäftigte. "Das war richtig schön, ich habe geübt, alte Handschriften zu lesen und zeitlich einzuordnen, dabei habe ich so viel über die Ägypter gelernt", sagt Hose begeistert. "Man liest beispielsweise Heiratsurkunden und ist ganz nah dran am damaligen Leben." Diese Fähigkeit, das Richtige aus schwer entzifferbaren Schriftzeichen herauszulesen, hilft ihr übrigens heute noch. "Bei mancher Schülerhandschrift kommt mir das Knobeln jetzt zugute", sagt Hose. Und lacht herzlich.