Bezahlbare Proberäume in der City sind rar. Viele Musiker suchen nach günstigen Alternativen. Manche spielen sogar auf dem Klo.

St. Pauli/Veddel. Hamburg gilt als Musikmetropole und ist Heimat vieler berühmter Sänger und Bands. Ob Udo Lindenberg, Samy Deluxe oder die Absoluten Beginner - die Liste etablierter Künstler, die hier ihre Karriere starteten, ist lang. Während es heute dank Klubs wie dem Molotow, dem Fundbureau oder der Astrastube zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten für Nachwuchsbands gibt, gestaltet sich die Suche nach einem Proberaum wesentlich schwieriger. Die Zahl offizieller Räumlichkeiten, besonders in zentraler Lage, ist gering, die Mieten sind hoch. Dieses Problem sieht auch Ulrich Hoferichter, 56. Der Betreiber der Internetseite Rockbüro Hamburg vermietet 120 Immobilien zum Proben. "Mit etwa 10 Euro pro Quadratmeter sind das fast Preise wie auf dem Wohnungsmarkt", sagt er.

Summen, die für viele Nachwuchskünstler dennoch schwer bezahlbar sind. Die Suche nach Alternativen erfordert viel Eigeninitiative - und etwas Glück, wie Tim Elsner, 34, von der Band Susan Screen Test bestätigt. Der Sänger der seit 2000 bestehenden Psychedelic-Post-Rock-Formation kennt die Probleme bei der Suche aus eigener Erfahrung. Die ersten Proberaum-Erfahrungen vor knapp zehn Jahren endeten im Desaster. Die Räume an der Borstelmannstraße, die man sich mit drei weiteren Bands teilte, wurden eines Tages aufgebrochen, das teure Equipment wurde fast vollständig gestohlen. Ein anderer Ort zum Proben musste her. Tim Elsner fand eine kreative Lösung, die eigentlich doch so naheliegt. Der Veranstaltungstechniker, der seit zehn Jahren im Docks auf der Reeperbahn arbeitet, fragte bei seinem Arbeitgeber nach, ob man nicht einen ungenutzten Raum in den Katakomben des Klubs beziehen könne. Der damalige Geschäftsführer willigte ein, und die Band fand endlich ein Zuhause - direkt zwischen Lagerräumen und Toiletten.

"Wir mussten viel Arbeit investieren, um den Raum zu entrümpeln, die Akustik zu optimieren und eine Lüftung einzubauen", sagt Elsner. "Aber der Aufwand hat sich gelohnt." Seit knapp sieben Jahren haben die Musiker nun die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit ihrer Leidenschaft nachzugehen. "Oben tritt Bush auf, während wir hier unten spielen. Das hat schon was." Umstände, von denen viele andere Bands nur träumen können. "Ein so zentral gelegener Proberaum ist Luxus", sagt Ulrich Hoferichter. Er sieht das Hauptproblem darin, dass es zu wenige Übungsräume im Zentrum gebe. "Ein hoher Prozentsatz der Künstler lebt in Ottensen, St. Pauli und der Schanze, die Proberäume befinden sich aber meist in Wilhelmsburg, Billstedt und auf der Veddel", sagt Hoferichter. Seit 1981 vermietet er Proberäume.

Dabei scheut er sich nicht, die Bands auch mal an ungewöhnliche Orte zu bringen. Neben den klassischen Bunkern vermietet er auch leer stehende, öffentliche Toilettenhäuschen, wie zum Beispiel an der Fischersallee in Ottensen. Die Idee dazu entstand bereits Anfang der 90er-Jahre. Damals hatten sich Musiker zusammengetan, die diese außergewöhnlichen "Örtlichkeiten" entdeckt hatten. Sie schlossen sich zu dem Verein "Musizierende Toiletten" zusammen, mieteten die Häuschen von der Stadt und hielten dort ihre Sessions ab. Als die Stadt Hamburg jedoch 2004 die Fördergelder strich, löste sich der Verein auf und Hoferichter nahm die Toilettenhäuser in seinem Repertoire auf. Die Räume wurden kernsaniert, erinnern nicht mehr an Toiletten und liegen oft sogar sehr idyllisch in Parks.

Idyllisch ist auch der Übungsraum der Band "Kommune 72". Die fünf Jungs, die in Altona, auf St. Pauli und der Schanze wohnen, haben eine kleine Odyssee hinter sich, bis sie schließlich auf der Veddel den perfekten Ort zum Musizieren fanden. Nachdem sich die heimischen vier Wände schnell als ungeeignet herausstellten, machten sie sich auf die Suche nach einer Unterkunft in City-Nähe. "Die Räume waren entweder heruntergekommen, viel zu teuer oder beides zugleich", sagt der Sänger der Band mit dem Künstlernamen Tonee Jukeboxx, 30. Fündig wurde man schließlich über das Internetportal bandnet.de, auf dem sich zahlreiche Gesuche und Angebote für Nachwuchskünstler finden: Das Haus nahe dem Veddeler Bahnhof, in dem sich vier bis fünf Bands mehrere Räume teilen, erinnert von außen eher an das Exil eines Aussteigers als an einen Proberaum. An der Außenwand hängt eine ausgediente Gitarre, im Vorgarten verrottet ein altes Piano, und vor den Proberäumen selbst steht eine Sofagarnitour im Freien.

"In einem sterilen Bunker, ohne Tageslicht, könnte ich nicht kreativ arbeiten", sagt Jukeboxx. "Hier ist der richtige Ort zum Experimentieren." Dazu sind die Räume mit knapp 100 Euro im Monat für einen Tag Probe in der Woche relativ günstig. Besitzer und Vermieter des Hauses ist Andreas Oppermann, 44, der selbst als Musiker tätig ist und um die Problematik weiß: "In der Stadt herrscht einfach extremer Proberaummangel." Vor sechs Jahren nahm er die Sache dann selbst in die Hand und erschuf diese kleine Oase auf der Elbinsel. In naher Zukunft möchte er einen Verein gründen und hofft auf Unterstützung seitens der Stadt - "und wenn es nur moralische ist", sagt er.