Vom DDR-Arbeitskahn bis zum “Traumfänger“: Die Hausboot-Pioniere auf dem Eilbekkanal haben ihre Ideen vom Leben auf dem Wasser verwirklicht.

Hamburg. Von der Terrasse aus dicke Fische angeln, die Enten aus dem Küchenfenster füttern und vor der Haustür Schlittschuh laufen - ein Haus am See müsste man haben. Oder eben ein Hausboot. In einer Stadt am Wasser wie Hamburg gibt es einige davon. Am Eilbekkanal nahe Winterhude sieht das allerdings nicht nach Seefahrerromantik, sondern nach schicker Architektur aus.

Als die Stadt Hamburg 2006 zehn Liegeplätze am Eilbekkanal an Bauherren mit den kreativsten Ideen vergab, war der Andrang groß. Mehr als 400 Bewerbungen gab es, die Mehrzahl von Architekten. Seit Anfang 2010 sind alle schwimmenden Immobilien fertig. "Hier wohnen hauptsächlich Kreative, auf der Suche nach einem neuen Lebensmodell", sagt Martin Müller-Wolff, 39, Innenarchitekt und Hausbootbesitzer. Doch bis sie das finden konnten, mussten die Hausboot-Pioniere lange durchhalten und auch selbst mit anpacken. "Wir haben hart für unseren Traum gearbeitet und vieles selbst gemacht", sagt Müller-Wolff. Zu Beginn habe es Kritiker des Projekts gegeben, die ihren Unmut deutlich zeigten. "Wir wurden mit Eiern beworfen", sagt Müller-Wolff. "Die Leute glaubten tatsächlich, dass wir alle reiche Yuppies sind." Ihm sei das so unangenehm gewesen, dass er sich eines Tages dazu entschloss, ein Schild aufzustellen. "Auf diesem Schild erklärte ich dann, dass auch ich ein hart arbeitender Mensch sei, der sich hier einen Traum erfüllen durfte", sagt er. "Dann war endlich Ruhe."

Die Hausbootbesitzer bezahlen eine jährliche Pacht von 1800 Euro für die Nutzung des Liegeplatzes. Eigentümerin der wässrigen Grundstücke ist die Stadt. Strom, Frisch- und Abwasser werden über die am Ufer unter der Straße liegenden Leitungen bezogen und entsorgt. "Wir konnten uns an die an der Straße liegenden Leitungen einfach anklinken", sagt Müller-Wolff.

Nachbar Peter Pabst, von Beruf Kameramann, musste sich zunächst daran gewöhnen, dass in seinem schwimmenden Heim alles ein wenig enger ist, als er es bisher gewohnt war. "Ich empfinde das allerdings nicht als Nachteil, im Gegenteil", sagt Pabst, für den sein Zuhause gleichzeitig auch sein Arbeitsplatz ist. Es sei allerdings sehr praktisch, dass das technische Equipment, das er zum Arbeiten braucht, im Laufe der Jahre immer moderner und platzsparender geworden sei. "So passt alles auf mein 120 Quadratmeter großes Hausboot." Das Hausboot, das Pabst bewohnt, ist das einzige der zehn, das zuvor einmal ein richtiges Boot war. "Die Peißnitz ist ein ehemaliger Arbeitskahn aus der DDR, umgebaut zu einem Wohnschiff", sagt Pabst. Nachdem die "Peißnitz" 1985 an den VEB Wasserstraßenbau Berlin übergeben und dort zum Wohnschubkahn umgebaut wurde, wurde sie nach der Wende 1992 in private Hand verkauft. Im Frühjahr 2006 wurde sie erneut umgebaut. Vor zwei Jahren erreichte sie ihren endgültigen Liegeplatz im Eilbekkanal. "Meine beiden Kinder sind total begeistert. Wir haben mehrere Kanus und Surfbretter, die wir im Sommer häufig nutzen." Besonders schätzt der Kameramann die Nähe zur Natur: "Hier ist es so grün, und egal, wo man sich auf dem Hausboot befindet, sieht man Wasser, das ist wirklich schön. Letztens habe ich sogar zwei Waschbären gesehen." Festen Boden unter den Füßen zu haben sei für ihn manchmal sogar ein wenig ungewohnt. "Wenn ich mein Boot verlasse, brauche ich immer ein paar Sekunden, um mich an den festen Untergrund zu gewöhnen", sagt er.

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+++ Gunter Gabriels Hausboot in Schieflage +++

Auch Amelie Rost und Jörg Niderehe wohnen in der Bootsnachbarschaft. Als sie sich um einen der zehn Liegeplätze bewarben, rechneten sie nicht damit, den Zuschlag zu bekommen. "Als wir dann erfuhren, dass man uns gewählt hatte, ging ein Traum in Erfüllung, den wir nie gewagt hätten zu träumen", sagt Amelie Rost. Die aus Nürnberg stammenden Architekten hatte es immer schon ans Wasser gezogen. "Wir segeln und surfen gerne, daher lag der Gedanke nahe, irgendwann einmal am Wasser zu wohnen", sagt sie. Ihr Hausboot namens "Traumfänger" ist Wohn- und Arbeitsraum zugleich. Besonders wichtig war es ihr, dass ihr Zuhause typische Elemente eines Bootes aufweist. "Deswegen verfügt es zum Beispiel über eine Reling, wie es sie auch auf einem richtigen Boot gibt", sagt Rost. In der Weihnachtszeit gibt es außerdem einen schwimmenden Tannenbaum. "Das geschmückte Weihnachtsbäumchen schwimmt auf einem Ponton und ist mit Seilen an den Hausbooten befestigt." Auch Amelie Rost und Jörg Niderehe hatten zu Beginn der Bauarbeiten mit Vorurteilen der Anwohner zu kämpfen. "Die Leute wussten nicht so recht, ob wir nun Yuppies oder Hippies sind", sagt Rost. "Eines aber war klar: ,Normal' konnten wir nicht sein. Als die Nachbarn dann sahen, dass wir jeden Tag hart auf der Baustelle arbeiteten, legte sich irgendwann der Unmut über das Bauprojekt".

Freunde und Familie freuen sich übrigens, wenn das Paar mal verreist. "Denn für die heißt es dann: Urlaub auf dem Hausboot!"