Werber Benedikt Holtappels sagt, sein Erfolg gründe nicht auf Begabung und Zeugnissen, sondern auf Glück und Zufällen. Jenny Bauer über einen Mann, der vieles probiert und den richtigen Menschen vertraut.

Die Kneipe ist etwa so groß wie ein durchschnittliches Büro. Dunkle Holzbalken hängen an der Decke, hinter Tischen mit Holzstühlen und Polsterbänken thront eine Zapfanlage mit einem grün leuchtenden „Ratsherrn“-Schild. Früher stand die Kneipe „Zwischen den Gleisen“ an der S-Bahn-Haltestelle Klein Flottbek. Nachdem sie dort einem DB-Shop weichen musste, kaufte die Agentur Grimm Gallun Holtappels sie und baute sie eins zu eins in eines der Büros ein. „Hier treffen wir uns gern mal freitags auf ein Feierabendbier“, sagt Benedikt Holtappels. „Das ist gut fürs Team.“

Der 43-Jährige ist nicht nur zu einem Drittel Namensgeber, sondern auch Beratungsgeschäftsführer und Mitbegründer der Werbeagentur, die Kunden wie Ikea, Seat und Fielmann betreut. „Ich bin als Kind in ein Glücksfass gefallen“, sagt Holtappels, der in Flottbek aufwuchs. Er habe eine sehr behütete Kindheit mit fantastischen Eltern gehabt. Nur einmal griffen Mama und Papa hart durch und schickten ihren Sohn, dessen Abitur in Gefahr war, auf ein Internat in Kanada. „Es war nötig und gut“, sagt der Werber.

Nicht Ausbildungszertifikate und große Begabungen, sondern vielmehr Menschen, Zufälle und Fehler haben den fröhlichen Lebemann dahin gebracht, wo er heute ist. Nach dem Abitur ging es wieder über den Atlantik, diesmal an die Westküste der USA. „Weiter weg konnte man gefühlt gar nicht sein“, sagt Holtappels. „Ich habe mich nie wieder so frei gefühlt wie in diesem Sommer – und dann musste ich nach Münster zum VWL-Studium.“ Eine unüberlegte Entscheidung, die er kurz vor der Reise unter Zeitdruck getroffen hatte. Holtappels schmiss nach nur einem Semester hin. Stattdessen startete er eine Ausbildung zum Werbekaufmann. „Es war Naivität und Zufall“, sagt er. Und Glück – oder die Fähigkeit, aus schlechten Ausgangssituationen das Beste zu machen. Wie auch nach der Ausbildung, als Holtappels nicht übernommen wurde. Da beschlossen er und seine Freund Nils Gallun, der bei einer Designagentur arbeitete, eine Werbeagentur zu gründen: Gallun Holtappels. Eine vernünftige Idee war das nicht gerade. „Aber wir waren fest davon überzeugt, dass das klappen würde.“ Vielleicht liegt genau hierin der Grund, warum der 43-Jährige trotz aller Naivität noch keine Bruchlandung erlebt hat. „Wenn ich etwas mache, dann auch mit Herz und Euphorie.“

Dennoch lief die Agentur nicht sofort gut. „Wir hatten mehr Spaß als Erfolg“, sagt Holtappels. Und sie haben Fehler gemacht. „Jeden, der geht“, sagt der Werber. Aber er habe auch daraus gelernt. Er findet es wichtig, sich Fehler zu erlauben, denn nur so könne man dazulernen. Auch heute noch verlässt sich Holtappels auf sein Gefühl, paart es aber mit Erfahrung. Bisher ist er damit ganz gut gefahren. Nur einmal habe er eine „bescheuerte“ Bauchentscheidung getroffen. Nach der Geburt von Tochter Helena 1999 entschieden er und seine Frau, von der Uhlenhorst wieder nach Flottbek zu ziehen – wegen der Nähe zu den Großeltern und der familienfreundlichen Umgebung. Nun ist die Tochter 14 Jahre alt, und Holtappels zieht es wieder in die Innenstadt. 2014 will er das Projekt Umzug angehen.

Einen erfolgreichen Tag krönt ein reichhaltiges Essen mit Freunden

„Ich bin ein vollkommen verliebter Papi“, sagt Holtappels. Wenn er von seiner Tochter spricht, sagt er häufig „wunderbar“ und „fantastisch“. Einmal im Jahr fahren die beiden gemeinsam in Skiurlaub, weil dem Vater neben dem Job oft nicht genügend Zeit für sie bleibt. Gedanken über erste Freunde und Partys macht er sich nicht. Er sagt, er habe so viel Vertrauen in seine Tochter, dass sie schon die richtigen Entscheidungen treffen werde – und falls nicht, gibt es da ja noch ein paar Abmachungen zwischen den beiden. „Wenn ich sie zum Beispiel das erste Mal mit einer Zigarette sehe, lasse ich mir ihren Namen eintätowieren“, sagt Holtappels und lacht. Er würde das wirklich durchziehen. „Zum Glück findet Helena die Idee aber so doof, dass sie hoffentlich nie rauchen wird.“ Dabei würde das Tattoo ganz gut zu Holtappels’ zweitem Projekt passen, das er sich für 2014 vorgenommen hat: einen Motorradführerschein. Das entsprechende Zweirad hat er bereits bestellt, im März wird es geliefert.

Vielleicht erledigt sich dieses Hobby aber auch genauso schnell wieder wie die vielen, die Holtappels mal begeistert haben. Es gibt nur wenige Sportarten, die er nicht ausprobiert hat. Denn er ist nicht nur sehr begeisterungsfähig, sondern ebenso sprunghaft. Treu ist er jedoch immer dem HSV geblieben. Der Vater von Nils Gallun hat ihn als Teenager mal mit ins Stadion genommen, seither schlägt Holtappels Herz für die Raute. „Das mit dem Fußball ist wohl eine der Sachen, bei denen ich nicht dazugelernt habe“, sagt er. „Jedes Mal gehe ich mit der Euphorie ins Stadion, dass es heute klappen könnte und wir gewinnen. Ich leide wohl gerne.“ Wirklich?

„Nein, noch viel lieber lebe ich.“ Holtappels’ Glück ist perfekt, wenn er nach einem erfolgreichen Tag mit Freunden und Familien beim Essen zusammensitzt. Ohnehin isst er gerne, obwohl er selbst nicht kochen kann. „Es geht mir gar nicht darum, dass es gut ist. Hauptsache, es ist viel.“

2005 stieg Kumpel und Werber Florian Grimm bei der Agentur ein. Es läuft gut. „Ich habe aber Schwierigkeiten damit, mich mit den Erfolgen unserer Firma zu brüsten“, sagt Holtappels, „weil meine Leistung im Vergleich zu der der anderen im Team marginal ist.“ Er weiß, dass er kein Kreativer ist, der mit tollen Ideen um die Ecke kommt, und kümmert sich deshalb hauptsächlich um die Kundenberatung. Und er weiß auch, dass er nicht der weltbeste Berater ist. Aber er weiß, wie wichtig die richtigen Menschen sind und was ein Team gemeinsam erreichen kann. „Wir stellen deshalb oft Leute ein, die irgendwas besser können als wir“, sagt er. Sein Talent sei es, eine gute Nähe zum Kunden zu erzeugen und ein Gefühl dafür zu haben, was ihn zufrieden macht.

Seinen Mitarbeitern – ab Januar werden es 55 sein – gibt Holtappels viel Verantwortung und stärkt ihnen den Rücken, wenn mal etwas nicht nach Plan läuft. „Ich entdecke gerade den Reiz daran, Dinge zu gestalten“, sagt der Werber. Welche Kunden wollen wir noch gewinnen? Was sind unsere Werte? Welche Talente können wir fördern? Das will er nun doch nicht alles dem Zufall überlassen.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbild gelten. Benedikt Holtappels bekam den Faden von Hans Redlefsen und gibt ihn an Meike Winnemuth weiter