Nach den Skandalen an Kliniken droht ein Minusrekord. Neue Kampagne soll helfen

Hamburg. Es könnte so einfach sein: Von den rund 2400 Menschen, die Tag für Tag in diesem Lande sterben, bräuchte allenfalls jeder 50. seine Organe zu spenden – und viele Probleme wären gelöst.

Aber so einfach ist es nicht. Irgendetwas hält die Menschen davon ab, nach ihrem Tod ihre Organe zur Verfügung zu stellen, um andere Leben zu retten. Täglich sterben drei Patienten von der Warteliste, weil es das von ihnen benötigte Organ nicht in ausreichender Zahl gibt und sie noch nicht an der Reihe sind. Und Lebendspenden sind nur begrenzt möglich, Nieren etwa oder auch Leberteile.

318 Herzen sind 2012 verpflanzt worden, 1012 hätten es sein müssen. 1789 Nieren wurden transplantiert, aber 7919 wurden gebraucht. Und 919-mal hat man jemandem eine neue Leber eingesetzt, aber 1868 Patienten warten darauf.

Vor genau einem Jahr hat man deshalb das Transplantationsgesetz geändert. Unter anderem sind die Krankenkassen jetzt verpflichtet, alle Versicherten über 16 Jahre regelmäßig über Organ- und Gewebespenden sowie über Transplantationen zu informieren. Dabei werden sie aufgefordert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und ihre Entscheidung auf dem beiliegenden Organspendeausweis zu dokumentieren. Auf diese Weise erhoffte man sich, viele neue Spender zu gewinnen.

Das hätte auch klappen können, denn aus Umfragen weiß man, dass die meisten Bundesbürger der Organspende grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Unglücklicherweise sind fast genau zu dem Zeitpunkt, als das Gesetz in Kraft trat, Skandale an zahlreichen Transplantationszentren bekannt geworden beziehungsweise mehrere Kliniken in Verdacht geraten, beispielsweise München, Göttingen, Regensburg oder Münster. Einzelne Ärzte hatten beziehungsweise sollen Daten von Patienten derart manipuliert haben, dass die einen auf der Warteliste nach oben rückten und andere nach unten.

Dadurch wurde das Vertrauen in die Transplantationsmedizin erheblich geschwächt. Die Spenderzahlen nehmen nicht nur nicht zu, wie man sich von der Gesetzesänderung erhofft hatte – sie gehen sogar noch weiter zurück. Bis Ende des Jahres dürften sie einen neuen Tiefststand erreichen. Und innerhalb Europas liegt Deutschland mit 14,7 Spendern pro eine Million Einwohner ohnehin am unteren Ende der Skala. Spanien hat fast dreimal so viele, Portugal immerhin doppelt so viele.

Verzweifelt versuchen das Bundesgesundheitsministerium, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und die Deutsche Stiftung Organspende gegenzusteuern. Erst kürzlich hat die BZgA eine neue Kampagne gestartet. Prominente aus Film, Fernsehen und Sport sollen mehr Menschen als bisher bewegen, sich als Organspender registrieren zu lassen. „Tatort“-Kommissar Klaus J. Behrendt gehört ebenso dazu wie Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm, Fernsehmoderator Markus Lanz und Gewichtheber Matthias Steiner. Ihr Slogan: „Das träg man heute: den Organspendeausweis“.