1993 gründete Michael Otto seine Stiftung für Umweltschutz. Zunächst förderte sie nur Vorhaben anderer, inzwischen arbeitet sie auch an eigenen Projekten. Angelika Hillmer zieht eine Bilanz.

Alles begann mit der Elbe. Michael Otto, Hamburger Unternehmer, Ehrenbürger und Mäzen, ist als Junge mit dem Fluss groß geworden, hat in ihm gebadet. So wuchs die Liebe zur Natur, die Otto auch als erfolgreicher Versandhauschef nicht verdrängt hat. Im Jahr seines 50. Geburtstags erfüllte er sich einen Herzenswunsch und gründete die Michael Otto Stiftung für Umweltschutz. Er stattete sie mit einem Kapital von einer Million Mark aus. Am 12. September feiert die Stiftung ihr 20-jähriges Bestehen.

„Als Unternehmen hatten wir uns damals im technischen Umweltschutz bereits stark engagiert, nun wollte Michael Otto auch im Naturschutz aktiv werden“, schildert Johannes Merck die Geburtsstunde der Stiftung. Merck war damals Umweltdirektor des Unternehmens. Heute leitet er den Direktionsbereich Corporate Responsibility – gesellschaftliche/unternehmensweite Verantwortung – der Otto Group. Merck war von Anfang an dabei und ist heute Vorstand der Stiftung, die von dem Geschäftsführer Stephan Zirpel und drei Mitarbeitern gemanagt wird. „In den ersten Jahren habe ich das nebenbei mitgemacht. Wenn besonders viel Arbeit anfiel, habe ich Ressourcen aus meiner Umweltabteilung genutzt“, erzählt Merck.

Besonders viel Arbeit entstand anfangs bei den Vorbereitungen sogenannter Elbe-Kolloquien. Der Fluss stand, ganz im Sinne des Stifters, zunächst im Vordergrund der Stiftungsarbeit. Dabei ging es um die Frage, ob die Elbe oberhalb Lauenburgs als Schifffahrtsstraße weiter ausgebaut wird, sodass sie ganzjährig (also auch bei Niedrigwasser) verlässlich befahrbar ist. Den Hintergrund bildete der Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahr 1992, der die über Jahrzehnte unterbrochenen Verbindungen zwischen Ost und West nach der Wende ertüchtigen sollte.

„Auf dem ersten Kolloquium hatten wir 1994 zunächst die Umweltverbände zusammengeführt, die jeder für sich teils unterschiedliche Positionen vertraten. Im zweiten Kolloquium 1996 flossen bereits Studienergebnisse ein. Es entstand die Elbe-Erklärung, mit der die Stiftung erstmals eine politische Rolle übernahm. Denn wir hatten gemerkt, dass wir mit der Persönlichkeit Michael Otto als Aushängeschild mehr tun können, als ausschließlich Naturschutzprojekte zu fördern.“

Am 5. September 1996 unterzeichneten der damalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU), der Naturschutzbund (Nabu) und der WWF, wenig später auch der BUND und Euronatur die Elbe-Erklärung. Sie wurde 2002 sogar in den Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung aufgenommen und sieht vor, den Schiffsverkehr möglichst weitgehend auf den Elbe-Seiten- und den Mittellandkanal zu verlagern – „ein Sieg für die Elbe“, so titelte am 6. September 1996 das Hamburger Abendblatt.

Die eigentliche Siegerin ist jedoch die Havel. Ihr unterer Abschnitt wurde inzwischen vom Güterverkehr befreit. Rocco Buchta, Leiter des Nabu-Projektbüros Untere Havelniederung: „Bei uns läuft derzeit die größte Flussrenaturierung Europas. Sie wäre ohne die Unterstützung der Michael Otto Stiftung so nicht möglich gewesen.“ Dagegen fehlten für den Elbabschnitt Lauenburg bis Magdeburg noch immer die entscheidenden Weichenstellungen seitens der Schifffahrtsverwaltung, bedauert der Naturschützer.

Der Schutz der Lebensgrundlage Wasser stand und steht im Mittelpunkt der Michael Otto Stiftung. Doch im Laufe der Jahre fächerte sich das Themenspektrum immer weiter auf. Zum zehnjährigen Jubiläum spendierte Michael Otto dem „Institut für Wiesen und Feuchtgebiete“ des Nabu mit Sitz im schleswig-holsteinischen Storchendorf Bergenhusen 1,5 Millionen Euro. Seitdem trägt das Forschungs- und Bildungszentrum den Namen „Michael-Otto-Institut im Nabu“.

Das Institut erarbeitete einen Aktionsplan zur Rettung der Feuchtwiesen, es forscht zu einzelnen Arten wie Feldlerchen und Brandgänsen, aber auch zu Einflüssen von Windrotoren. Natürlich darf auch das „Wappentier“ des Nabu, der Weißstorch, nicht fehlen. Er entwickelte sich in ganz Europa in jüngster Zeit erfreulich, sagt Stephan Zirpel. Der Biologe wechselte im November 2011 von der Geschäftsführung des Hamburger Nabu-Landesverbandes in die Geschäftsführung der Stiftung.

„Im zweiten Jahrzehnt unseres Bestehens sind wir zum Dialogbaumeister geworden“, sagt Johannes Merck. „Wir hatten festgestellt, dass die Dialogkultur bei Naturschutzthemen sehr schlecht ist. Die Gespräche sind meist konfrontativ, und die Teilnehmer reden nebeneinanderher.“ Abhilfe schufen die „Gespräche für Naturschutz“. Seit 2004 lädt Michael Otto Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Naturschutz, Politik und Verwaltung einmal im Jahr zu einer eintägigen Konferenz ein. Neben hochkarätigen Rednern steht der Meinungsaustausch im Vordergrund, zu den Themen zählten Wasserschutz (2004) und Fischerei (2007), das Leben in Megacitys (2010) und die „Grenzen des Wachstums“ (2011).

Der Naturschutz sei in den vergangenen 20 Jahren mehr in die gesellschaftliche Mitte gerückt, betonen Merck und Zirpel. Dennoch sehen beide die Natur unter zunehmendem Druck, vor allem durch die Landwirtschaft. Es gibt also noch viel zu tun für die Michael Otto Stiftung, der über jeweils dreijährige Sponsoring-Verträge mit dem Otto-Konzern derzeit jährlich 700.000 Euro zur Verfügung stehen.

Dass die Stiftung eine Zukunft hat, dafür bürgt zunächst noch ihr Kuratoriumsvorsitzender und Namensgeber Michael Otto. Im April feierte er seinen 70. Geburtstag. Doch ist vorgesehen, die Stiftung später in jüngere Hände der Familie Otto zu legen: Tochter Janina ist bereits Kuratoriumsmitglied und designierte Nachfolgerin für dessen Vorsitz.