Hamburg. In der Hamburgischen Staatsoper wurde John Neumeiers Nachfolger sehr warmherzig aufgenommen. Mit ihm wird es keinen harten Bruch geben.

Der Applaus ist lang anhaltend, der Empfang äußerst warm. Der designierte Intendant des Hamburg Balletts, Demis Volpi, hat bei der Vorstellung seiner Pläne für die erste Spielzeit 2024/2025 wohl erst einmal einige Nerven beruhigt. Denn die zentrale Botschaft lautet: Es wird nach dem Abschied von John Neumeier keinen harten Bruch geben, sondern ein langsames Herantasten an eine neue gemeinsame Zukunft mit dem Ensemble und dem Publikum unter einem sehr besonnenen und nahbar auftretenden neuen Intendanten.

Entsprechend hat Demis Volpi die Saison 2024/2025 unter das Motto „Prolog“ gestellt. Und der ist randvoll mit wohlklingenden Namen, bei denen eigentlich gar nichts schiefgehen kann. Es sind einige choreografische Handschriften darunter, die die Hamburger bereits kennen – wenn auch eher von Kampnagel-Gastspielen und weniger aus dem Ballett-Kontext.

Hamburg Ballett: Viel Applaus und warmes Willkommen für Demis Volpi

Drei Premieren und eine Wiederaufnahme stehen auf dem Programm. Zu seiner ersten Saisoneröffnung am 28. September wird Demis Volpi mit „The Times Are Racing“ einen mehrteiligen Abend präsentieren. Ein „Star“ des Abends: das „Adagio“ (1974) von Pina Bausch, das unter anderem Josephine Ann-Endicott, Bausch-Tänzerin der ersten Generation des Wuppertaler Tanztheaters, einstudieren wird. Außerdem ist „Variations for Two Couples“ (2012) des niederländischen Choreografen Hans van Manen zu sehen. Das titelgebende Stück „The Times Are Racing“ stammt von Justin Peck, Hauschoreograf des New York City Ballet, und wird tatsächlich in Sneakers getanzt. Zuletzt stellt sich der neue Intendant selbst vor mit „The thing with feathers“ (2023), einer Übernahme vom Düsseldorfer Ballett am Rhein.

Am 28. September beginnt der künftige Intendant des Hamburg Balletts, Demis Volpi, seine erste Saison mit einem mehrteiligen Abend.
Am 28. September beginnt der künftige Intendant des Hamburg Balletts, Demis Volpi, seine erste Saison mit einem mehrteiligen Abend. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Es war mir wichtig, dem Publikum und auch der Kompanie zu zeigen, dass Ballett sehr vieles bedeuten kann. Dass es nicht nur die eine Sicht auf die Sprache gibt. Dass es eine enorme Vielfalt gibt, nicht nur im Tanz, sondern auch im Ballett“, erzählt Volpi anschließend gegenüber dem Abendblatt. „Ich habe für den ersten Ballettabend nach Stücken gesucht, die eine große Bandbreite zeigen, möglichst viele Tänzerinnen und Tänzer auf die Bühne bringen, und die, auch wenn sie vielleicht anders sind, sich trotzdem irgendwo vertraut anfühlen können.“

Demis Volpi: Manches aus dem Programm des neuen Ballettchefs kennt das Hamburger Publikum von Kampnagel

Die zweite Premiere „Slow Burn“ präsentiert am 8. Dezember das Werk „Blake Works V (The Barre Project)“ (2023) von William Forsythe und eine Uraufführung der kanadischen Choreografin Aszure Barton, die darin zum wiederholten Mal auf ihren musikalischen Partner Ambrose Akinmusire trifft. „Forsythe gehört meiner Meinung nach in das Repertoire jeder Ballettcompagnie, denn er hat das Ballett in der Folge von Petipa und Balanchine weiterentwickelt und neu gedacht“, findet Volpi.

Barton und Akinmusire haben bereits beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel kollaboriert. Auch Arbeiten von Forsythe und Bausch waren auf Kampnagel schon zu sehen. Probleme bei der Abgrenzung beider Häuser sieht Volpi aber nicht. „Ich denke, dass sich da Synergien ergeben. Das sehe ich eher als Chance.“

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Als dritte Premiere wird Volpi selbst am 6. Juli 2025 die Kreation „Demian“ nach dem Roman von Hermann Hesse mit dem Hamburg Ballett uraufführen. „Bei ‚Demian‘ habe ich gedacht, jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Jetzt habe ich eine Kompanie, die wie keine andere darauf spezialisiert ist, Handlungsballette auf die Bühne zu bringen, Figuren ein Leben zu schenken“, so Volpi.

Cathy Marstons Erfolgsballett „Jane Eyre“ wird unter Demis Volpi wieder aufgenommen.
Cathy Marstons Erfolgsballett „Jane Eyre“ wird unter Demis Volpi wieder aufgenommen. © Kiran West | Kiran West

Hinzu kommt als Wiederaufnahme John Neumeiers „Tod in Venedig“ ab dem 9. Februar 2025. Das umfangreiche Neumeier- Repertoire soll unter der kenntnisreichen Leitung des Stellvertretenden Ballettdirektors Lloyd Riggins weiter gedeihen. Neben Cathy Marstons Erfolgsballett „Jane Eyre“ werden auch die Neumeier-Choreografien „Romeo und Julia“, „Der Nussknacker“, „Endstation Sehnsucht“, „Die Glasmenagerie“, „Odyssee“, „Nijinsky“, „Matthäus-Passion“ und „Epilog“ zu sehen sein.

Demis Volpi über John Neumeier: „Wir haben ein sehr offenes Miteinander“

Die Zusammenarbeit mit dem Noch-Intendanten im Zuge des Übergangs beschreibt Demis Volpi wie folgt: „Wir haben ein sehr offenes Miteinander. Natürlich gibt es vieles, was man besprechen muss, und wir müssen uns da alle herantasten. Ich habe das Grundgefühl einer guten Zusammenarbeit.“ John Neumeier wird auf Einladung von Volpi auch die „Nijinsky-Gala L.“ als Abschluss der 50. Hamburger Ballett-Tage im kommenden Jahr zelebrieren, die außerdem mit einem interessanten Gastspiel aufwarten. Die gefeierte spanische Compagnie La Veronal wird mit „Sonoma“ erstmals in Hamburg zu sehen sein.

Seine Künstlerinnen und Künstler wählt Demis Volpi nicht nur inhaltlich aus: „In der Kunst des Tanzes muss immer der Mensch im Mittelpunkt stehen. Das ist das Wichtigste. Das betrifft die Form, aber die Kunstschaffenden müssen auch in der Art und Weise, wie sie das tun, menschlich und respektvoll vorgehen.“ Hausintern gibt es erfreulich viel Kontinuität – zunächst auch beim Ensemble. Bei jedem Ensemblemitglied stehe er aus voller Überzeugung dahinter, sagt Demis Volpi. Alles habe sich sehr organisch ergeben.

Hamburg Ballett: Volpi macht deutlich, dass er ein traditionsbewusster Intendant sein will

Der Erste Solist Karen Azatyan wechselt zu Cathy Marston ans Ballett Zürich. Auch die Solisten Yun-Su Park und Lizhong Wang verlassen das Hamburg Ballett. Neu hinzu kommen die Solistinnen Futaba Ishizaki – die früher schon einmal hier getanzt hat – und Charlotte Kragh sowie als Solist Daniele Bonelli. Hinzu kommen einige Zu- und Abgänge bei den Gruppentänzerinnen und Gruppentänzern.

Am Ende des Vormittags bringt es Demis Volpi noch einmal auf sehr überlegte Weise auf den Punkt, in welcher Ausnahmesituation er sich eigentlich befindet. Noch nie habe ein Künstler 51 Jahre lang eine Kompanie geleitet und sie zu Lebzeiten aufgegeben: „Wir haben kein Handbuch für das, was wir hier gerade machen. Wir haben auch keine Vorbilder. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns immer daran erinnern, dass der Tanz im Mittelpunkt zu stehen hat.“

Volpi macht deutlich, dass er ein traditionsbewusster Intendant sein will, der es als seine Aufgabe sieht, das Ballett lebendig zu halten und die Sprache des Tanzes weiterzuentwickeln. Das geschieht zunächst mit sehr sanften Impulsen. Man wird sehen, ob er sich nach dem Prolog an größere Experimente herantastet.

Der Kartenvorverkauf für die Ballett-Saison 2024/2025 startet am 17.6., 11 Uhr, T. 35 68 68; www.hamburgballett.de