Hamburg. Plötzlich waren die zweite Chance zum mittleren Schulabschluss und der direkte Weg zum Abitur verbaut: Mehr als 400 Zehntklässler an Gymnasien und Stadtteilschulen, die im Sommer nicht versetzt wurden, durften die Klasse nicht wiederholen. Diese Jungen und Mädchen mussten auf eine Privat- oder eine Berufsschule wechseln. Insgesamt wurden laut Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien 804 Anträge auf Wiederholung der zehnten Klasse gestellt. Für mehr als die Hälfte kam die böse Überraschung in Form einer Ablehnung.
Grundsätzlich ist das Sitzenbleiben zwischen den Klassen fünf und zehn abgeschafft und durch das Konzept „Fördern statt Wiederholen“ ersetzt worden. Unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt die Schulbehörde allerdings eine Wiederholung. „Die Möglichkeit soll nur denjenigen Schülern gegeben werden, die eine realistische Perspektive auf die Erreichung des ersten oder eines höheren Schulabschlusses haben“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht.
Und dafür gelten seit Beginn des Schuljahres neue, verschärfte Regeln. Bislang musste ein Schüler in zwei der drei Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Englisch mindestens die Note Ausreichend im Zeugnis haben. Künftig darf er darüber hinaus insgesamt höchstens vier Fünfen haben, wobei ein Mangelhaft in einem naturwissenschaftlichen oder einem gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich einer Fünf in zwei Fächern entspricht, und in keinem Fach eine Sechs.
„Mit der völlig überraschenden Verschärfung der Voraussetzungen für eine Wiederholung der zehnten Klasse wird mehr als 400 Schülern die Chance auf den mittleren Schulabschluss und den Übergang in die Oberstufe genommen“, sagt die CDU-Bildungspolitikerin Prien. „Schulsenator Ties Rabe hätte diese für viele Familien sehr einschneidende Entscheidung mit mehr Vorlauf treffen müssen.“ Der Senat hatte die Prüfungsordnung am 16. Juli dieses Jahres verschärft – mit Wirkung vom 1. August an.
In ihrer Anfrage hatte sich Prien ausdrücklich danach erkundigt, ob die „Altfälle“ unter die neue Regelung fallen. In der Senatsantwort heißt es dazu, das Verwaltungsgericht habe „mehrfach bestätigt, dass dem Inkrafttreten (der Neuregelung, die Red.) nicht etwa ein Vertrauensschutz der betroffenen Schüler entgegenstehe“. Viele Schüler seien von der Neuregelung überrascht worden, so Prien, und hätten so kaum mehr Zeit gehabt, sich zum Beispiel um einen Ausbildungsplatz zu kümmern.
Behördensprecher Albrecht weist darauf hin, dass die Schulaufsicht ihre Entscheidungen über Anträge auf Wiederholung der zehnten Klasse noch in Auslegung der alten Regelung getroffen habe. Nur wenn Eltern gegen eine Ablehnung klagten, entschieden die Gerichte bereits auf der Basis der neuen, verschärften Regeln.
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