Die Grünen-Spitzenkandidatin baut auf die umstrittene Stadtbahn und auf Rot-Grün. Zudem will sie die Umwelt- und Hochschulpolitik umsteuern

Hamburg. Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der Grünen und Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Bürgerschaftswahl am 15. Februar, stellt sich dem Kreuzverhör von Hamburg 1 und Hamburger Abendblatt. Hamburg 1 sendet das Gespräch heute von 21.15 Uhr an. Das Abendblatt dokumentiert die zentralen Passagen.

„Olaf Scholz macht eine solide, klare und verlässliche Politik“ – ahnen Sie, wer das im Jahr 2011 gesagt hat?

Katharina Fegebank:

Wenn Sie mich so fragen, könnte ich mir vorstellen, dass Sie mich damit zitieren.

Treffer! Stimmt das auch heute noch? Und ganz ehrlich: Was will man mehr als verlässliche, solide Politik nach dem, was an Turbulenzen in der schwarz-grünen Regierungszeit passiert ist?

Fegebank:

Man muss anerkennen, dass es eine hohe Zufriedenheit mit Olaf Scholz und dem SPD-Senat gibt. Was ich allerdings beobachte, ist, dass die SPD vor Zufriedenheit strotzt, und ich merke, dass das so langsam in eine satte Selbstzufriedenheit übergeht mit der Gefahr, in Trägheit umzuschlagen. Trägheit darf man sich nicht leisten, wenn man eine Millionenstadt wie Hamburg regieren will.

Sie haben damals noch etwas hinzugefügt: „Es reicht nicht, auf die Fehler des Senats zu warten. Wir brauchen Angriffslust und Kreativität.“ Sie haben vier Jahre Zeit gehabt, aber Olaf Scholz ist beliebter denn je. Was ist da passiert oder besser nicht passiert?

Fegebank:

Doch, es ist eine ganze Menge passiert. Ich nehme gerade jetzt im Wahlkampf viele Menschen wahr, die sagen, langsam ist mir das ein bisschen viel mit der SPD-Alleinregierung, weil man sich nicht auf seinen Erfolgen ausruhen kann, sondern auch ein Rezept braucht, um in die nächsten vier, acht oder zehn Jahre zu gucken. Da reicht es nicht, nur immer auf das zu verweisen, was man gemacht hat.

Die Umfragen bestätigen nicht das, was Sie sagen, sondern eher das Gegenteil.

Fegebank:

Viele sagen, absolute Mehrheit muss nicht mehr sein, sie tut der Stadt langfristig nicht gut. Ich erlebe den Wunsch, mit Kreativität und etwas mehr Mut nach vorne zu blicken. Da sehe ich im SPD-Programm ganz wenig.

Uns fällt auf, dass die Grünen den Bürgermeister nicht persönlich angreifen. Wollen Sie es sich nicht verderben wegen einer möglichen rot-grünen Koalition?

Fegebank:

Wir machen deutlich, wo wir einen Unterschied machen würden: was den Umwelt- und Klimaschutz angeht, wir setzen uns für eine echte Verkehrswende ein. Wir sagen, wir müssen mehr tun für die Kita-Qualität, wir wollen den Schrumpf- und Sparkurs an den Universitäten beenden. Es geht noch mehr als nur das Verwalten im Hier und Jetzt.

Aber besser nicht an dem so beliebten Scholz kratzen?

Fegebank:

Naja, die Umfragwerte sprechen eine deutliche Sprache. Dass der Bürgermeister Dinge, die er versprochen hat, auch gehalten hat, ist das eine. Aber dass er sich zu bestimmten Politikfeldern gar nicht äußert, weil er sie für unwichtig hält oder die SPD dort keine Glaubwürdigkeit hat, das steht auf einem anderen Blatt Papier. Und da greifen wir an.

Auf Ihren Plakaten steht: mit Hamburg für Hamburg. Was soll uns das sagen?

Fegebank:

Das ist doch ganz klar. Mit der Stadt, mit den Hamburgern diese Stadt noch besser machen. Das ist auch ganz klarer Unterschied: Wir setzen auf einen anderen Politikstil, der auf Augenhöhe mit den Menschen Dinge verändert. Nicht von oben herab, also mehr Beteiligung statt Basta.

In Ihrem Wahlprogramm steht, dass der SPD-Senat eine der konservativsten Regierungen ist, die Hamburg je hatte. Sind Wohnungsbau und beitragsfreie Kita-Betreuung konservativ?

Fegebank:

Die SPD verwaltet nur. Ich vermisse an ganz vielen Stellen, den Mut nach vorn zu gucken und eine Vision für die Stadt jenseits der Kaimauern im Hafen aufzumachen. Der Hafen ist für uns wichtig, aber es geht doch darum, eine Idee für die Stadt der Zukunft – über Wirtschaft, über Kultur, über Wissenschaft – zu entwickeln.

Was ist denn mit der Vision, die Stadt in Richtung Osten zu entwickeln, an Elbe und Bille, wie es so schön heißt?

Fegebank:

Das ist erst einmal eine Idee auf dem Papier, die ich auch sehr charmant finde. Es ist ausdrücklich gut und richtig, dass gebaut wird. Aber wir laufen Gefahr, dass vergessen wird, was zwischen den Häusern passiert: Infrastruktur, die Verkehrswege. Für wen wird gebaut? Kleine Wohnungen sollen abgerissen, große gebaut werden. Ich habe den Eindruck, da wird am Bedarf vorbeigeplant.

In der Verkehrspolitik sind die Fronten klar. Die Grünen wollen die Stadtbahn. Der Bürgermeister will den Ausbau der U-Bahnen. Eine Stadtbahn gibt es nicht, sagt Scholz. Basta. Und nun?

Fegebank:

Darüber wird zu sprechen sein. Wichtig ist, dass wir eine echte Verkehrswende brauchen. Die Stadt wächst stetig. Die Attraktivität Hamburgs zieht immer mehr Menschen in die Stadt. Da müssen wir sehen, wie wir der Verkehrsströme Herr werden. Die Stadtbahn ist kostengünstiger, sie schließt abgehängte Stadtteile an, sie ist umweltfreundlich. Man kommt schnell von A nach B. Der Bürgermeister verspricht neue U-Bahn-Stationen im Jahr 2040. Ich will plausible Argumente hören, die klar gegen ein neues Verkehrsmittel wie die Stadtbahn sprechen.

In Umfragen sprechen sich 71 Prozent für einen weiteren U-Bahn-Ausbau aus, nur 21 Prozent für die Stadtbahn. Setzen die Grünen mal wieder aufs falsche Pferd?

Fegebank:

Wir sind zumindest diejenigen, die die Debatte in der Verkehrspolitik anstoßen und weiter nach vorn bringen. Wir finden U-Bahnen auch richtig. Ich habe nur Zweifel, dass das Versprechen auf eine U-Bahn für diejenigen, die seit 30, 40, 50 Jahren auf eine gute Anbindung hoffen, in der nächsten Legislaturperiode auch erfüllt wird.

Sie fordern ein Referendum über die Einführung der Stadtbahn. Warum rennen Sie sehenden Auges in eine Niederlage?

Fegebank:

Nochmal: Wir finden U-Bahn-Anbindungen auch gut. Das eine tun und das andere lassen, ist der falsche Weg.

Dann wird es aber richtig teuer.

Fegebank:

Richtig. Wir müssen darüber sprechen, wie Verkehrspolitik in einer vielleicht bald Zwei-Millionen-Metropole vernünftig gestaltet wird. Aber wir werden sicher nicht jetzt im Wahlkampf schon verhandeln und Kompromisskorridore verabreden, ohne dass wir wissen, wie die Wahl ausgeht.

Sie plakatieren die Stadtbahn nicht, und sie wird zwar im Wahlprogramm erwähnt, hat aber keine eigene Überschrift und ist auf den ersten Blick gar nicht erkennbar. Schon ein halber Rückzug?

Fegebank:

Das ist kein halber Rückzug. Wir haben uns intensiv mit der Verkehrswende auseinandergesetzt und uns andere Städte angeschaut. Wir wollen einen guten Verkehrsmix, und dazu haben wir einen Vorschlag auf den Tisch gelegt: ein zusätzliches öffentliches Verkehrsmittel.

Stichwort Busbeschleunigungsprogramm: Die Grünen haben da keine klare Position. Die Nord-Grünen stehen voll auf der Seite der SPD, während die Altonaer Grünen klar die Volksinitiative zum Stopp des Busbeschleunigungsprogramms unterstützen. Was für ein Bild geben Sie da ab?

Fegebank:

Ein differenziertes Bild.

Das ist ein zerstrittenes Bild.

Fegebank:

Das ist kein zerstrittenes Bild. Wir sind im guten Austausch mit unseren Bezirkspolitikern, die auch klarmachen, warum sie vor Ort die eine oder andere Maßnahme unterstützen, wenn sie eigene Akzente setzen können, zum Beispiel den Bau von Radstreifen. Wir haben auf Landesebene gesagt, dass ein 260-Millionen-Programm, das Busse möglicherweise um ein paar Sekunden beschleunigt, versenktes Geld ist. Das eigentliche Problem, die Nachfrage nach dem ÖPNV, wird überhaupt nicht gelöst.

In der Energiepolitik ist eine zentrale Frage: Welchen Ersatz soll es für das alte Kohlekraftwerk Wedel geben? Die Grünen geben da keine klare Auskunft.

Fegebank:

Das ist sicherlich etwas, was auch zu besprechen sein wird. Wir setzen sehr stark auf dezentrale Energieversorgung. Grüne stehen für die Energiewende von unten: Energie sparen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Das ist der Dreiklang, der auch in Hamburg wirken soll.

Das ist keine klare Alternative, Sie legen sich auch im Wahlprogramm nicht fest.

Fegebank:

Die Frage ist, ob man sich da festlegen muss. Das ist ein Thema, das sicherlich Bürgerbeteiligung nach sich ziehen wird. Wir setzen stark auf den Diskurs mit den Bürgern.

Zur Flüchtlingspolitik: Die Grünen fordern, dass zehn Prozent der neu gebauten Sozialwohnungen Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden. Haben Sie dabei bedacht, dass es zu sozialen Spannungen kommen kann? Der Vorwurf könnte lauten: Jetzt nehmen uns die Flüchtlinge den günstigen Wohnraum weg.

Fegebank:

Dieser Debatte werden wir uns ganz hart entgegenstellen. Die grüne Glaubwürdigkeit hängt ganz stark damit zusammen, wie wir uns einsetzen für die Menschen, die vor Krieg und Vertreibung flüchten, wie sie in Hamburg ihr Glück und ein neues Zuhause finden. Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen mehr als ein Dach über dem Kopf zu geben. Das werden perspektivisch Bürger unserer Stadt. Die öffentliche Unterbringung der Flüchtlinge platzt derzeit aus allen Nähten. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau. Wir haben eine Stiftung vorgeschlagen, in die auch städtische Grundstücke kommen können.

Auf eines der größten Zukunftsprojekte der Stadt antworten die Grünen mit einem entschiedenen Jein: Olympia. Ist das nicht für die Wähler eine Zumutung, dass Sie sich nicht klar positionieren?

Fegebank:

Das stimmt nicht. Wir haben uns sehr klar positioniert. Wir sagen: Olympia ist eine faszinierende Idee. Olympische Spiele für Hamburg bieten außerordentliche Chancen – von Stadtentwicklung bis hin zur Sportförderung. Wir wollen aber, dass es eine klare Finanzierungsgrundlage gibt. Es muss klar sein, was auf die Hamburger in Zeiten der Schuldenbremse zukommt. Und wir haben von Anfang gefordert, die Hamburger in einem Referendum abstimmen zu lassen. Wir begreifen uns eher als die Stimme der Vernunft.

Aus der Senatskanzlei ist jetzt zu hören, dass man die Kosten bis zum Referendum im September nicht genau berechnen kann. Heißt das, die Grünen sagen Nein?

Fegebank:

Wir brauchen klare Finanzierungskorridore und klare Rahmenbedingungen. Was nicht sein kann, ist, dass man jetzt alles hochjazzt und hochjubelt und in ein paar Jahren die bittere Quittung bekommt und teure nicht finanzierbare Spiele hat, die dazu führen, dass soziale Projekte gestrichen werden. Wir setzen uns nicht auf die Tribüne und sehen zu, wie sich die anderen die Bälle auf dem Feld zuspielen. Wir wollen mitreden und mitgestalten.

In den Umfragen stagnieren die Werte der Grünen derzeit. Die Erfahrung vieler Jahre zeigt, dass das Wahlergebnis meist noch etwas schlechter ist als die letzten Umfragen. Eigentlich müsste doch das Potenzial für Ihre Partei in einer Stadt wie Hamburg viel größer sein.

Fegebank:

Wir kämpfen. Wir kämpfen um Stimmen, um Sympathien, wir stehen für unsere Inhalte, sehen aber auch, dass Hamburg eine sehr konservative Stadt ist mit einer konservativen Regierung. Die Grünen als Veränderungspartei, die heute gern die Ideen von morgen oder übermorgen präsentiert, haben es da oft schwer.

Die FDP scheint ein bisschen Rückenwind zu haben und bietet sich nun ihrerseits als Koalitionspartner der SPD an. Olaf Scholz hat gesagt, mit den Grünen redet er zuerst, wenn es nötig sein sollte. Mit wem redet er zuletzt?

Fegebank:

Die Frage werde ich Ihnen heute nicht beantworten können. Es ist so, dass eine übergroße Mehrheit in Umfragen Rot-Grün will. Aber es kann sein, dass man anfängt, mit uns zu sprechen, und dann bei der FDP landet. So vorzugehen, ist ein strategisch kluger Schachzug vom Bürgermeister, um zu sehen, ob die FDP billiger zu haben ist. Die FDP macht dem Bürgermeister alle Avancen und schmeißt sich an ihn ran wie ein Koberer vor einem Vergnügungsclub auf dem Kiez.

Halten Sie eine Große Koalition für ausgeschlossen?

Fegebank:

Ich halte nichts für ausgeschlossen. Wichtig wird sein, dass wir die absolute Mehrheit knacken, weil weitere fünf Jahre SPD-Alleinregierung der Stadt nicht gut tun. Das wird unsere gemeinsame Anstrengung sein.