Wegen fehlender Zustimmung in Berlin und Hamburg vertagt sich der Deutsche Sportbund ins Frühjahr 2015

Hamburg. Es sollte der Tag der Entscheidung werden, der morgige Dienstag, wenn das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) der Mitgliederversammlung am 6. Dezember seine Empfehlung aussprechen wollte, mit welcher Stadt sich Deutschland um Olympischen Sommerspiele 2024 und 2028 bewirbt: Berlin oder Hamburg. Das war der ursprüngliche Plan. Aus dem wird wohl nichts. Alle Anzeichen deuten inzwischen darauf hin, dass sich die sechs Männer und vier Frauen der DOSB-Führung nach ihren zweitägigen Beratungen am DOSB-Sitz in Neu-Isenburg (bei Frankfurt am Main) ergebnislos vertagen werden. Diese Tendenz teilte der Hamburger Sportbund (HSB) seinen Vereinen und Verbänden jetzt in einer internen Rundmail mit. „Stand heute“, heißt es in dem Schreiben, sei mit einer Entscheidung des DOSB erst im Frühjahr 2015 zu rechnen.

„Wir neigen dazu, das Thema bei der Mitgliederversammlung in Dresden ausführlich zu diskutieren, aber auch dort noch keine abschließende Entscheidung zu fällen. Wir wollen ganz einfach die Ergebnisse der Agenda 2020 des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) einbeziehen“, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann, 54. Das IOC berät am 7. und 8. Dezember in Monte Carlo über Reformen bei der Durchführung Olympischer Spiele. Der neue IOC-Präsident Thomas Bach hatte das Thema ganz oben auf seine To-do-Liste gesetzt. Künftig will sich das IOC den Ausrichtern anpassen, weg vom Gigantismus, auf regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen, mehr Transparenz schaffen, Menschenrechte achten, Umweltschutz proaktiv angehen und die Städte finanziell noch stärker entlasten. Schon das Bewerbungsverfahren soll künftig mit Millionen bezuschusst werden. Es gilt als sicher, dass die große Linie der bachschen Vorschläge die Zustimmung der Versammlung findet.

Das Argument, den Reformkongress des IOC abzuwarten, ist allerdings vorgeschoben. Als der DOSB vor einem halben Jahr seinen Olympiafahrplan aufstellte, ihn den Regierungen in Berlin und Hamburg mitteilte, war das IOC-Datum bekannt. Die Kehrtwende hat andere Gründe. Der Sportbund fürchtet, weder in Berlin noch Hamburg die Zustimmung der Bevölkerung zu finden. Das Trauma München wirkt da nach. Dort hatten sich vor einem Jahr bei repräsentativen Umfragen zwischen 62 und 66 Prozent für Winterspiele 2022 ausgesprochen, beim Referendum im November 2013 fiel die Bewerbung jedoch in allen vier Gemeinden durch. Die Gegner der Spiele hatten sich leichter mobilisieren lassen als die Befürworter. Ein bekanntes Phänomen.

Die Bedenken des DOSB haben einen konkreten Hintergrund. In Meinungsumfragen, deren Ergebnisse das Präsidium am Montag zunächst intern verkünden will, haben sich Berliner und Hamburger offenbar nicht deutlich für Olympia ausgesprochen, während bundesweit – nach Erhebungen im Sommer – 70 bis 75 Prozent Spiele in Deutschland befürworten würden.

„Schwierig wird es, wenn man mit den Bürgern in der jeweiligen Stadt redet. Da bewegt sich die Zustimmung auf niedrigem Niveau“, sagte Hörmann in der vergangenen Woche in Willingen (Sauerland). Sie dürfte in Berlin und Hamburg unter 60 Prozent liegen – viel zu wenig nach den Erfahrungen aus München, um in einem Referendum die Mehrheit zu erhalten. In einer repräsentativen Abendblatt-Umfrage vom Juli hatten noch 73 Prozent Spiele in Hamburg begrüßt, allerdings große Vorbehalte wegen der Finanzierung geäußert. Der DOSB hätte die Volksabstimmungen gern vorgezogen, erst danach seine Entscheidung gefällt. Berlin und Hamburg haben dieses Vorgehen abgelehnt, auch aus Kostengründen.

Hörmann brachte in Willingen daher wieder Winterspiele in Deutschland ins Gespräch: „Wenn Berlin und Hamburg verzichten oder ihre Bewerbung verschieben, wird die Diskussion, ob es Sommerspiele 2028 oder doch Winterspiele 2026 in Deutschland geben soll, so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.“ Dresden, Chemnitz, Altenberg, Oberwiesenthal, Klingenthal, Zittau und Weißwasser hatten dafür ihr gemeinsames Interesse bekundet, der DOSB jedoch Anfang April entschieden, diesen Vorstoß vorerst nicht weiterverfolgen zu wollen.

Die Senate in Berlin und Hamburg zeigen wenig Verständnis für die angekündigten Verzögerungen. Alle Argumente lägen schließlich auf dem Tisch. Beide Städte hatten bis zum 31. August den Fragenkatalog des DOSB ausführlich beantwortet, danach in Workshops ihre Konzepte noch einmal präsentiert und zum Teil weiterentwickelt. Die wichtigste Frage hatte der DOSB aber bereits unter Punkt neun gestellt: Wie wollen die Städte ihre Bürger von ihren Olympiaplänen überzeugen? Hamburg hätte auch darauf eine Antwort gehabt: Die Stadt denkt an Kampagnen mit Testimonials aus allen sozialen Bereichen, will im Dialog mit Olympiakritikern deren Bedenken ausräumen und mithilfe des HSB bei Vereinen und Verbänden für Spiele in der Stadt werben.

Dass der DOSB derzeit glaubt, keine Entscheidung zwischen Berlin und Hamburg treffen zu können, mag auch der 5:5-Stimmungslage im Präsidium geschuldet sein. Während Präsident Hörmann und Generaldirektor Michael Vesper angeblich das Hamburger Konzept präferieren, wie auch ein Großteil der Bundesregierung, setzen viele Spitzensportverbände (Turnen, Leichtathletik, Schwimmen, Fußball, Basketball) auf Berlin, weil die Hauptstadt im Gegensatz zu Hamburg zahlreiche internationale Meisterschaften ausgerichtet hat. Entscheidet die DOSB-Versammlung am 6. Dezember oder im Frühjahr 2015, dort sind auch die Landessportbünde vertreten, wäre Hamburg wohl chancenlos. Hier soll das Stimmenverhältnis 70:30 für Berlin sein. Dass Hamburg nach Meinung vieler das bessere Konzept hat, dürfte keine Rolle spielen.