André Trepoll (CDU), Chef des Untersuchungsausschusses zu Yagmurs Tod, ist zur Halbzeit mit Zwischenergebnis zufrieden

Hamburg. Am 18.Dezember 2014 soll der Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zum gewaltsamen Tod der dreieinhalb Jahre alten Yagmur (Yaya) Y. vorliegen. Es wird die 19. und damit letzte geplante Zusammenkunft des Gremiums sein. Das Datum ist mit Bedacht gewählt: Es ist der erste Todestag der kleinen Yagmur.

Diesen Donnerstag kommt der Ausschuss zum ersten Mal wieder nach der Sommerpause zusammen. Dann beginnt die heiße Phase der Vernehmungen. Als erster Zeuge geladen ist der Bezirksamtsleiter Mitte, Andy Grote. Danach folgen die Bezirkschefs aus Eimsbüttel, Torsten Sevecke, und aus Bergedorf, Arne Dornquast (alle drei SPD). Auch dieser Ablauf folgt einer eigenen Logik: Unter der Obhut des Jugendamts Mitte kam das Kind zu Tode. In Eimsbüttel wurde die Entscheidung getroffen, das Kind zu seinen Eltern zurückzuführen, und das Jugendamt Bergedorf war zuständig, als Yagmur geboren wurde.

Der Untersuchungsausschuss hat bislang jene Personen vernommen, die unmittelbar mit Yagmur zu tun hatten. Und für den PUA-Vorsitzenden, dem CDU-Bürgerschaftsabgeordneten An- dré Trepoll, haben die ersten neun Sitzungen mit zusammen 19 Zeugen gezeigt, „dass es richtig war, diesen Untersuchungsausschuss einzurichten. Der PUA ist das richtige Instrument, um diesen Fall politisch aufzuarbeiten“, lautet seine Halbzeitbilanz. Denn eine Folge sei, dass etwa die Zahl der Untersuchungen im Kinderkompetenzzentrum des UKE zugenommen habe. So seien etwa 300 Kinder im ersten Halbjahr 2014 untersucht worden – „so viel wie im gesamten Jahr zuvor“.

„Unsere Arbeit wird nicht behindert. Der Senat hat nicht gemauert“, sagt Trepoll. Das ist nicht in jedem PUA der Fall. So hat es etwa bei den Untersuchungsausschüssen Elbphilharmonie oder HSH Nordbank schon mal Verzögerungen bei der Herausgabe von Akten gegeben, was bei den Abgeordneten zu Verstimmungen führte. Allerdings ging es auch im aktuellen PUA bislang nicht immer reibungslos zu. So hat es anfangs seitens des Senats die Bestrebungen gegeben, die Herausgabe von Akten oder Aussagegenehmigungen von städtischen Mitarbeitern mit dem Hinweis auf den Sozialdatenschutz nur unter Auflagen zu erlauben. Sozialdaten, also Namen und Funktionen von Beteiligten, unterliegen einem besonderen Schutz. Diesen zu gewährleisten, sei Aufgabe des Untersuchungsausschusses und nicht des Senats, so Trepoll. „Das haben wir uns erstritten.“

Als wertvoll bezeichnet Trepoll die Aussagen der Rechtsmediziner Klaus Püschel und Dragana Seifert. So würden Gutachten nach Untersuchungen von Kindern jetzt klare Empfehlungen beinhalten. Es werde nun darauf geachtet, dass auch medizinische Laien wie Jugendamtsmitarbeiter oder Juristen die Gutachten auf Anhieb verstehen könnten. So hatte es bei Yagmur Missverständnisse im Zusammenhang mit ihrer Bauchspeicheldrüsenentzündung gegeben. So war den Ermittlern offenbar nicht klar, dass die Ursache für diese Verletzung zeitlich klar einzugrenzen ist. Das hätte womöglich die leiblichen Eltern als Täter in den Fokus der Ermittlungen geführt. „Sie haben aus dem Fall in vorbildlicher Art und Weise Konsequenzen gezogen“, so Trepoll.

Eine Gabe, die nicht alle Zeugen hatten. So hat etwa die Aussage der Staatsanwältin Christiane Wüllner für Erschütterung gesorgt. Sie hatte vor gut einem Jahr die Ermittlungen gegen die Eltern von Yagmur sowie deren Pflegemutter geführt, nachdem das Kind mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden war. Auf die Frage von Trepoll, was sie heute anders machen würde, antwortete sie im April: „Mir würde nichts einfallen.“ Nur wenige Wochen, nachdem Wüllner das Verfahren im November 2013 erfolglos eingestellt hatte, wurde das dreieinhalb Jahre alte Mädchen getötet.

Als wertvoll bewertet Trepoll auch die Aussage des Leiters des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) in Eimsbüttel, Matthias Stein. Dieser hatte zu Protokoll gegeben, der ASD sei nicht arbeitsfähig, weil es zu wenig Personal und zu viel Fluktuation gebe. Außerdem berichtete er von massiven Problemen mit der umstrittenen Behördensoftware Jus-IT und forderte zudem einen „radikalen Kurswechsel“. „Das war ein mutiger Auftritt“, so Trepoll. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Sitzungsverlaufs wurde klar, dass es zum Teil eklatante Informationsverluste und Kommunikationsprobleme zwischen den Institutionen gegeben hat. Nicht eine Stelle allein hat versagt, sondern das System als Ganzes. Es habe keine richtige Zusammenarbeit zwischen den Jugendämtern, dem Familiengericht und der Staatsanwaltschaft gegeben. „Es hat sich gezeigt, dass es einen mangelnden Kommunikationswillen in den Behörden gab“, so Trepoll. Es habe sich der Eindruck verfestigt, dass viele Beteiligte einfach nur Dienst nach Vorschrift gemacht hätten. „Viele sind einfach den Weg des geringsten Widerstandes gegangen“, so Trepoll weiter. „Wenn jeder nur etwas mehr gemacht hätte, dann hätte das Schicksal des Mädchens möglicherweise einen anderen Verlauf genommen.“

Ab Donnerstag wenden sich die Bürgerschaftsabgeordneten im PUA nun jenen Beteiligten zu, die politisch Verantwortung tragen. Die Bezirksamtsleiter etwa müssen sich dazu erklären, warum es kein Übergabeprotokoll bei dem Zuständigkeitswechsel von Eimsbüttel nach Mitte gegeben hat. Zum politischen Showdown wird es am 7.Oktober kommen. Dann wird Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) als Zeuge vernommen. Er wird sich fragen lassen müssen, weshalb er nicht schon nach dem Tod des Pflegekindes Chantal vor gut zwei Jahren entsprechende Veränderungen vorgenommen hat. „Denn nun ging es auf einmal doch ganz schnell“, so Trepoll.