Jacqueline Otten (HAW) und Garabed Antranikian (TU) kritisieren Strategie des Senats

Hamburg. Sie fühlen sich übergangen und sind „in Sorge um den Hochschulstandort Hamburg“: Die Präsidenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Garabed Antranikian, und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Jacqueline Otten, haben scharfe Kritik an dem Strategiepapier geübt, das Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) vorgelegt hat. Sie bemängeln, dass sie nicht ausreichend in die Entwicklung der Perspektiven für ihre Hochschulen eingebunden waren und wichtige Felder, in denen ihre Einrichtungen stark aufgestellt sind, übersehen wurden. Außerdem sei die von der Politik angestrebte Exzellenz der Hochschulen nicht zu erreichen, wenn diese zur gleichen Zeit Sparauflagen erfüllen müssten.

Die SPD-Politikerin Dorothee Stapelfeldt hatte in ihrer Behörde einen 70Seiten starken Senatsentwurf mit dem Titel „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“ erarbeiten lassen, über den das Hamburger Abendblatt exklusiv berichtete. Ausgegebene Ziele darin sind mehr Exzellenz in Forschung und Lehre, mehr Internationalität der Hochschulen, eine engere Kooperation mit der Wirtschaft, mehr Drittmittel und im Gegenzug mehr Wissenstransfer.

„Dass man über Wissenschaft in Hamburg spricht und dass Impulse gegeben werden, begrüßen wir sehr“, sagt TU-Präsident Antranikian. „Aber wenn man als Wissenschaftsbehörde ein Strategiepapier entwickelt, muss man das gemeinsam mit den Hochschulen machen. Das war nicht der Fall.“ Die Hochschulpräsidenten seien lediglich informiert und zweimal zum Gespräch geladen worden. „Aber da lag der Entwurf des Papiers schon vor und wir konnten nur Änderungsvorschläge machen“, so Antranikian. „Das muss aus unserer Sicht umgekehrt verlaufen: Die Hochschulen haben doch die Expertise und wissen, wo sie gut sind und wo sie noch besser werden können.“

Im ersten Entwurf des Senatspapiers seien zudem viele Fehler, teilweise auch falsche Zahlen, enthalten gewesen, die erst auf Hinweis der Hochschulen korrigiert wurden. Das sei keine Kritik an Stapelfeldt, die er als Person sehr schätze, betont Antranikian. „Aber offenbar hat die Kommunikation, also die Übergabe von Informationen der Hochschulen an die Behörde, nicht funktioniert. Das Papier liest sich so, als wenn die Behörde teilweise gar nicht weiß, was wir tun.“ Zudem seien die wichtigen Struktur- und Entwicklungspläne der einzelnen Hochschulen, die an der HAW Hamburg die Planung bis 2015 und an der TU bis 2018 vorgeben, in die Leitlinien der Behörde gar nicht eingeflossen. Ein Unding, aus Sicht von Präsidentin Otten.

Das Behördenpapier zähle auf, wo Hamburgs Hochschulen und Forschungseinrichtungen stark seien – zum Beispiel in der Klimaforschung, der Medizin und den Naturwissenschaften. „Aber es fehlen leider wichtige Themen. Wir haben hier an der TU tolle Programme im Energiebereich und im Bereich maritime Technologien und Luftfahrt, da sind wir führend in Deutschland. Doch davon steht da nichts“, kritisiert Antranikian.

Die Technische Universität habe ein großes Sonderforschungsprogramm Materialwissenschaft, unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Doch das werde gar nicht erwähnt. Stattdessen konstatiere das Papier, es gebe „große Potenziale“ und „Optimierungsbedarf“, so der TU-Präsident.

Technik und Ingenieurwissenschaften sollten als weiterer wichtiger Schwerpunkt benannt werden, meint er. Schließlich brächten technische Innovationen wirtschaftlichen Erfolg hervor. Auch die in dem Papier geforderte engere Kooperation mit der Wirtschaft gebe es an der TU bereits. So wurden sechs neue Professuren eingerichtet, in Zusammenarbeit mit NXP, Siemens, Airbus und der Hamburg Port Authority (HPA). Die übernehmen die Hälfte der Kosten. „Es heißt, wir müssten in der Lehre besser werden, um weniger Studienabbrecher zu haben. Aber wir sind erst vor drei Wochen als beste von 110 Hochschulen ausgezeichnet worden für neue Lernmethoden. Wenn wir so etwas über uns lesen, sind wir irritiert und enttäuscht“, sagt Antranikian.

Ähnlich sieht dies Jacqueline Otten, neue Präsidentin der HAW mit 16.300 Studierenden: „Man kommt nur weiter, wenn man sich gemeinsam ein Ziel setzt und darüber austauscht, wie man besser werden kann“, sagt sie. Zudem müssten Leitlinien für die Hochschulen in einen großen Masterplan für Hamburg eingebunden sein, der festlegt, wohin sich die Hansestadt insgesamt entwickeln solle und welche Rolle Wissenschaft und Forschung dabei spielen sollten. „An der Frage müssen wir Hochschulen gemeinsam mit der Behörde eigentlich permanent arbeiten“, sagt Otten. „Dieses Papier ist dagegen einerseits sehr konkret und kleinteilig und zementiert den Status Quo, andererseits ist es sehr allgemein und unverbindlich. Ich sehe da wenig Strategie und Vision.“ Gesundheitswirtschaft beispielsweise werde in der Zukunft wichtig, da sei die HAW stark. Es spiele in den Leitlinien der Behörde aber keine Rolle. „Ein Strategiepapier muss ein großer Wurf sein“, findet auch Antranikian. „Aber hier steht immer nur, wir sollen uns fokussieren. Das heißt aber nichts anderes als streichen und kürzen.“

Das ist ein weiteres Ärgernis: Das Behördenpapier gibt Exzellenz als Ziel aus, ohne den Hochschulen mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Aus Sicht der Hochschulpräsidenten ist sogar das Gegenteil der Fall. Die mit der Behörde bis 2020 vereinbarte jährliche Steigerung ihrer Budgets um 0,88 Prozent reiche nicht aus, um Inflation und die tarifliche Steigerung der Gehälter auszugleichen. „Uns fehlen im Jahr vier bis fünf Millionen Euro bei einem Gesamtetat von 70 Millionen Euro. In den kommenden Jahren wird sich das auf 20 Millionen Euro summieren. Wir überlegen, rund zehn von bisher 60 Instituten zu schließen“, sagt der TU-Chef. Auch Otten muss bis 2020 sukzessive Personal abbauen und erwartet von der Behörde, ihr zu sagen, wie sie ihre Strategie darauf ausrichten soll.

„Wenn wir unsere Qualität halten wollen, darf man unseren Finanzrahmen nicht beschneiden. Wenn man Exzellenz möchte, muss man uns dafür die Mittel zur Verfügung stellen“, sagt Antranikian. Beide Hochschulpräsidenten fordern, dass die 39 Millionen Euro jährlich, die Hamburg dadurch einspart, dass der Bund das Bafög vollständig übernimmt, eins zu eins an die Hochschulen weitergegeben werden. „Damit wäre uns sehr geholfen. Wichtig ist für uns, dass wir eine solide Grundfinanzierung haben, mit der wir planen und Projekte auch längerfristig sichern können“, sagen sie. Der Senat hat hingegen angekündigt, gemäß der Vereinbarung mit dem Bund die gesparten Bafög-Millionen allgemein für „Bildung“ ausgeben zu wollen.

„Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass wir beleidigt sind. Auch wir sind in Sorge um Hamburg. Wir verlangen mehr Mut von der Politik, dass sie Exzellenz fördert und nicht die Ressourcen senkt“, sagen Antranikian und Otten. Denn das Ziel der Exzellenz sei richtig. „Wir sollten gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie wir unsere Kräfte bündeln können.“