„Container zählen reicht nicht“: Zehn Thesen zur Zukunft der maritimen Wirtschaft in Hamburg

Hamburg. Die Grünen fordern für den Hamburger Hafen eine „ökologische Vorreiterrolle“. Nur eine „Leit-idee“ wie die des „ökologischen Qualitätshafens“ könne auch seine wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt sichern. Das betonten Fraktionschef Jens Kerstan und Wirtschaftsexperte Anjes Tjarks vor dem ersten „Hafenkongress“, den die Bürgerschaftsfraktion der Grünen heute veranstaltet. Im Kaisersaal des Rathauses diskutieren zahlreiche namhafte Experten über die Zukunft des Herzstücks der Hamburger Wirtschaft. Die Tatsache, dass Grüne und Hafenvertreter sich an einen Tisch setzen, begrüßte Kerstan als „kleine Kulturrevolution“. Es sei ermutigend, wenn Ökonomie und Ökologie nicht mehr als Gegensatz gesehen würden.

Dem SPD-Senat warf Kerstan vor, mit der Fokussierung auf Wachstum im Containerumschlag gescheitert zu sein. Denn nachdem die Prognose, wonach der Umschlag von derzeit rund 9,5 auf 25 Millionen Containereinheiten (TEU) im Jahr 2025 ansteigen wird, auf 15 Millionen gesenkt werden musste, gebe es keine tragfähige Perspektive mehr für den Hafen. „Nur Container zu zählen reicht nicht“, sagte Tjarks.

Auf die Frage, was einen erfolgreichen Hafen ausmacht, präsentierten die Grünen zehn zum Teil provokante Thesen, die sie auf dem Kongress zur Diskussion stellen wollen. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Forderungen: Statt der nackten Umschlagzahlen sollte sich Hamburg auf die Frage konzentrieren, in welchem Bereich eine Wertschöpfung zum Wohle der Stadt stattfindet, wo also Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden und wo Steuereinnahmen zu erzielen sind. Der Feeder-Verkehr, bei dem Container lediglich von einem Schiff auf andere umgeladen werden, sei in dem Zusammenhang deutlich unattraktiver als etwa hafennahe Industrie, die die hier angelandeten Güter weiterverarbeite. Daher sollte der Hafen wieder stärker auf Massen- und Stückgutumschlag setzen.

Zweitens sei Hamburg der einzige Hafen von weltweiter Relevanz, der mitten in der Stadt liege. Daher müsse er „ökologisch modernisiert“ werden, so Kerstan. „Die Akzeptanz des Hafens hängt ganz wesentlich davon ab, welche Antworten beispielsweise auf Luftverschmutzung, Atomtransporte und Verkehrsbelastungen gefunden werden.“ Von Innovationen wie der Power Barge – vereinfacht gesagt ein Akkuschiff, das anderen im Hafen liegenden Schiffen Strom liefert, damit sie keinen Diesel verbrennen müssen – könne die Stadt auch wirtschaftlich profitieren. „Wenn der Hafen ein Schaufenster wird, in dem effiziente und saubere Technologien bewundert werden können, dann profitieren nicht nur die Menschen in Hamburg davon“, so Tjarks. „Die Hafenwirtschaft kann dadurch neue Produkte und Dienstleistungen weltweit anbieten.“

Für Diskussionen dürfte die These sorgen, dass zur Finanzierung des Hafens auch über Gebühren für die Benutzung von Straßen, Schienen und Wasserwegen nachgedacht werden müsse. Konkrete Forderungen erhebt die Partei zwar noch nicht. Aber bei der Hafenbahn habe sich schon gezeigt, dass man über Gebühren Verkehre steuern kann, und eine neue Köhlbrandbrücke zum Beispiel sei anders kaum zu finanzieren. „Die SPD muss die Illusion aufgeben, dass das Geld einfach aus dem Haushalt kommt“, sagte Kerstan. „Die Mittel reichen schon jetzt nicht mehr, um die Infrastruktur zu erhalten. Wenn erst die Schuldenbremse gilt, wird das Prinzip gar nicht mehr funktionieren.“