Senator zieht Bilanz und gibt Startprobleme zu. SPD sieht Schulform als Alternative zu Gymnasien. Opposition spricht von Schönfärberei

Hamburg. Schulsenator Ties Rabe sieht die Stadtteilschulen knapp vier Jahre nach ihrer Einführung auf gutem Wege, will allerdings das Unterrichtsangebot und die Schulqualität weiter verbessern. „Das ist ein solides Fundament, aber noch keine fertige Schulform, das wissen wir auch“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch. Der Senat wolle die Stadtteilschulen zu einer ernstzunehmenden Alternative zum Gymnasium entwickeln. Die Bürgerschaft hatte den Senat um die Zwischenbilanz gebeten.

Rabe machte deutlich, dass die Stadtteilschule keinen leichten Auftakt hatte. „Der Start im Sommer 2010 stand im Schatten der damals geplanten Primarschulreform. Gerade in der schwierigen Startphase fehlte es an Aufmerksamkeit und Unterstützung für die neue Schulform.“ Viele Schulen seien am Reißbrett aus unterschiedlichen Vorgängerschulen entstanden und praktisch bei null gestartet. „Sie hatten keine eigene Schultradition, keine ordentlichen Schulgebäude und oft sehr heterogene Kollegien aus unterschiedlichen Vorgängerschulen“, sagte Rabe. Entgegen der Empfehlung der Enquetekommission zur Schulentwicklung hatte der damalige schwarz-grüne Senat zeitgleich die Inklusion gestartet. Das habe die Startprobleme der Stadtteilschule verschärft, so Rabe. Dennoch zählten einige Stadtteilschulen wie beispielsweise die Max-Brauer-Schule, die Heinrich-Hertz- und die Julius-Leber-Schule, die Goetheschule und die Stadtteilschule Bergedorf zu den beliebtesten Schulen in Hamburg – dank des Einsatzes von Schulleitungen und Kollegien.

Der Schulsenator betonte, wie groß die Anstrengungen seien, die der SPD-Senat zur Unterstützung der Stadtteilschulen unternehme. So wurden sie mit 550 zusätzlichen Lehrerstellen im Gegenwert von 40 Millionen Euro jährlich gestärkt. Dadurch verfüge jede Stadtteilschule bei gleicher Schülerschaft um durchschnittlich neun Lehrer mehr als beim Start 2010. Mit rund 8,9 pädagogischen Stellen auf 100 sei die Stadtteilschule die am besten ausgestattete allgemeine Schule. „Sie haben kleinere Klassen und 35 Prozent mehr Lehrkräfte als Gymnasien“, sagte Rabe. Sieben Stadtteilschulen in sozial stark belasteten Stadtteilen erhalten zusätzlich zusammen sechs Millionen Euro.

Das Ganztagsangebot wurde von 28 auf 53 Schulen fast verdoppelt; 300 Schulbegleiter betreuen an Stadtteilschulen Kinder mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf. Schulen berichteten, dass vor allem wenige stark verhaltensauffällige Kinder den Unterricht extrem störten. Für sie wurden deshalb 400 Plätze in Mini-Schulgruppen außerhalb der Klassen geschaffen, wo sie entweder in den Schulen oder an regionalen Bildungszentren in Kleinstgruppen intensiv beschult und auf die Wiederteilnahme am normalen Unterricht vorbereitet werden. Auch baulich investiere man stark, insgesamt nämlich rund 700 Millionen Euro bis 2019. 13 Stadtteilschulen werden komplett neu gebaut, weitere 14 erheblich saniert oder erweitert. Schließlich wurde an 25 Schulen eine Oberstufe neu eingerichtet. Das erhöhe nicht nur die Attraktivität dieser Stadtteilschulen nach außen, sondern wirke auch in die Schulen hinein, weil es die Fachlichkeit in der Mittelstufe stärke und mehr Gymnasiallehrer an der Schule unterrichteten.

Die FDP wirft Rabe angesichts der Probleme der Schulen Schönfärberei vor

Dennoch sieht Rabe auch die Probleme: Bei der diesjährigen Anmelderunde hat jede Stadtteilschule durchschnittlich 2,1 Schüler verloren. Der Anteil der Schüler, die nach der vierten Klasse auf die Stadtteilschule wechseln, sank auf 49 Prozent. „Viele Schulen müssen sich noch in großen Schritten weiterentwickeln“, sagte Rabe. Dabei gehe es vor allem um Konzepte für guten Unterricht. Die Schulbehörde begleite diese eng. Er plädierte dafür, der neuen Schulform Zeit für ihre Entwicklung zu geben, „anstatt nach jeder Anmelderunde das Scheitern“ zu verkünden und forderte mehr Gelassenheit. Die behutsame Weiterentwicklung zeige größere Erfolge als kurzfristige Reformen oder übereilte Veränderungen.

Die FDP warf Rabe Schönfärberei „trotz der schweren Probleme an den Stadtteilschulen“ vor. Die CDU forderte einen „Masterplan Stadtteilschule“. „Dabei ist es besonders wichtig, die Leistungsfähigkeit der Schüler in der Mittelstufe der Stadtteilschule deutlich zu erhöhen“, sagte Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Dazu zählt sie ein Differenzierungsmodell für die Kernfächer in den achten bis zehnten Klassen und eine stärkere Fachlichkeit des Unterrichts. Für Stadtteilschulen mit sinkenden Anmeldezahlen müsse eine Taskforce eingerichtet werden, die die Stadtteilschulleiter berät und unterstützt. Gleichzeitig sprach sich Prien für einen Neustart bei der Inklusion an den Stadtteilschulen aus, das jetzige Konzept sei verfehlt.

Auch die Grünen forderten mehr Unterstützung der Stadtteilschulen bei der Umsetzung der von ihnen 2010 eingeführten Inklusion. „Die Fortbildung für Lehrkräfte im Kontext von Inklusion muss forciert werden“, sagte Grünen-Schulexpertin Stefanie von Berg.