Akustik-Guru Yasuhisa Toyota verpasste der Elbphilharmonie mit der „Weißen Haut“ eine Weltneuheit als Innenverkleidung. Nun schaute er sich das Ergebnis erstmals an. „Sieht gut aus. Schön stabil.“

Hamburg. Yasuhisa Toyota stellt sich auf die Zehenspitzen. Reicht noch nicht. Er streckt sich zusätzlich, und jetzt klappt es endlich. Die Finger des Meisters berühren das Objekt der Begierde: die Weiße Haut. Sie fahren durch die kleinen Rillen, über scharfkantige Höhen und durch faustgroße Täler, jedes ein Unikat. „Looks very nice“, sagt Herr Toyota. „Sieht gut aus. Schön stabil.“

Yasuhisa Toyota ist klein an Statur, aber ein Großer seines Fachs, viele sagen: der Größte. Und so hat der Japaner der Elbphilharmonie, für deren Akustik er verantwortlich ist, auch nicht irgendeine Innenverkleidung verpasst, sondern etwas Einzigartiges – eine Weltneuheit, die für Weltklasse-Klang sorgen soll und auch ziemlich einzigartig teuer ist. 15 Millionen Euro, inklusive der nicht minder beeindruckenden Unterkonstruktion aus Tausenden lasergeschweißten Stahlprofilen, die zusammen wirken wie die Kulisse für einen „Star Wars“-Film.

Kaum zu glauben, aber an diesem Montagnachmittag nimmt Toyota „sein“ Werk erstmals in Augenschein. Was vor allem daran liegt, dass diese Weiße Haut eben nicht nur das Werk des genialen Japaners ist, sondern nach seiner Idee maßgeblich von den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron und der Hersteller-Firma Peuckert aus Bayern entwickelt wurde. Seit Mitte Dezember ist der Baukonzern Hochtief damit beschäftigt, die Innenverkleidung des großen Saals mit seinen 2150 Plätzen zu montieren: 10.000 Platten, zwischen 35 und 200 Kilogramm schwer, jede in Form, Größe und Oberflächenstruktur ein Einzelstück, das einen ganz bestimmten Platz zugewiesen bekommt. Eine Herausforderung für Logistiker, Ingenieure und Arbeiter.

„Wie eine Tropfsteinhöhle“

„Es sieht ein bisschen aus wie eine Tropfsteinhöhle“, sagt Toyota, als er mit dem Dirigenten Long Yu, der am Abend das Shanghai Symphony Orchestra in der Laeiszhalle dirigiert, und Hamburgs Kulturstaatsrat Nikolas Hill erstmals unter die Weiße Haut tritt. Eine passende Beschreibung für die bizarre Kraterlandschaft, die da unter der Decke hängt. Toyota ist zufrieden, fürs Erste. Er mache dieser Tage nur eine Sichtprobe, sagt der 61-Jährige. Über die Auswirkungen der Konstruktion auf den Klang könne er noch nichts sagen. „Dafür müssen wir abwarten, bis alles montiert ist. Entscheidend sind dann die ersten Proben.“ Die dürften im Herbst 2016 beginnen.

Überhaupt kann Toyota heute noch nicht viel sagen, er amüsiert sich lieber über die Fotografen mit ihren enormen Ausrüstungen. „Meine Kamera ist schneller“, feixt er und macht selber Fotos vom Medientross, der ihn begleitet. Auch eine Art, dem ständigen Rummel um seine Person zu begegnen. Die andere ist seine Liebenswürdigkeit.

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Ein Wort zur Einzigartigkeit der Elbphilharmonie? „Jede Konzerthalle ist einzigartig“, sagt Toyota. „Man kann keine kopieren.“ Die besondere Herausforderung in Hamburg? „Die Lage am Wasser. Wir müssen die Geräusche der Schiffe aus dem Gebäude heraushalten.“ Und die enorme Größe des Saals, vor allem die Höhe. „Die Herausforderung ist, in diesem Saal so etwas wie Intimität zu schaffen, eine Nähe zwischen Zuhörern und Musikern.“ Daher sei die Bühne in der Mitte platziert, die Besucher sitzen drum herum wie in einem extrem steil ansteigenden Weinberg. Welcher Platz der beste sei? „Leider muss ich zugeben, dass es keinen besten Platz gibt. Aber es gibt viele sehr gute.“

Toyota spielt seit zehn Jahren wichtige Rolle

Yasuhisa Toyota spielt seit zehn Jahren eine zentrale Rolle im Jahrhundertbauwerk Elbphilharmonie. Der Japaner wurde mit seiner Firma Nagata Acoustics bereits 2004 vom Initiator des Projekts, Alexander Gérard, mit ins Boot geholt, bei einem Auswahlverfahren setzte er sich gegen fünf andere international renommierte Akustiker durch. Er hat bereits weltbekannte und für ihren guten Klang gerühmte Hallen wie die Walt Disney Concert Hall und die Suntory Hall in Tokio ausgestattet. Derzeit ist er am Neubau einer Konzerthalle in Shanghai beteiligt, daher besichtigte er die Elbphilharmonie gemeinsam mit Vertretern des örtlichen Symphonie-Orchesters.

An der Elbphilharmonie wird seit 2007 gebaut. 2016 soll sie fertig sein, 2017 eröffnet werden. Die Kosten für die Stadt sind nach anfangs geschätzten 77 Millionen auf nunmehr 789 Millionen Euro gestiegen.