Erste Hürde zum Volksentscheid genommen. Wie es jetzt weitergeht im Streit um die Schulzeit bis zum Abitur

Hamburg. Die Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ hat innerhalb von einem halben Jahr 16.730 Unterschriften für die Einführung des neunjährigen Gymnasiums gesammelt. Wie geht es jetzt weiter? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Inhalt und den Folgen.

Was möchte die G-9-Initiative?

Die Volksinitiative will die neunjährige Schulzeit bis zum Abitur (G9) an allen 62 staatlichen Gymnasien wieder einführen. Genauer fordert sie, dass Eltern an allen Gymnasien zwischen G8 und G9 wählen können. Diese Wahlfreiheit besteht bereits in Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg. Die Initiative argumentiert, dass G9 den optimalen Rahmen biete, um allen Schülern die Lehrinhalte des Gymnasiums zu vermitteln. Es sei nicht nötig, den Unterricht zu verdichten, außerdem bleibe ausreichend Zeit für die Vertiefung und Wiederholung des Lehrstoffs. Neben G-9-Zügen sollen Schulen aber auch G-8-Züge einrichten können. Schüler, die bereits im G-8-Rahmen lernen, sollen ihre Schulzeit in G9 fortsetzen können. Grundschüler, die jetzt ans Gymnasium wechseln, sollen G9 als Standardangebot vorfinden.

Wie ist die jetzige Regelung?

Derzeit legen die Gymnasiasten bereits nach acht Jahren die Reifeprüfung ab („Turbo-Abitur“, G8). Die Schulzeit umfasst die Klassen 5 bis 12. Die Oberstufe (Studienstufe) dauert zwei Jahre (11., 12. Klasse). Alle Hamburger Gymnasien bieten nur diesen Weg zum Abitur an. Zum letzten Mal haben Gymnasiasten 2010 nach neun Jahren Abitur gemacht. Den längeren Weg zum Abitur bieten heute die knapp 60 Stadtteilschulen an, die von Klasse 5 bis 13 reichen. Vor- und Oberstufe dauern zusammen drei Jahre (11. bis 13. Klasse).

Was passiert jetzt mit den Unterschriften der Unterstützer?

Das Bezirksamt Wandsbek, das turnusgemäß zuständig ist, prüft die Unterschriften auf ihre Richtigkeit. Zulässig sind nur mindestens 16 Jahre alte Unterstützer mit erstem Wohnsitz in Hamburg. Innerhalb von vier Wochen muss das Ergebnis vorliegen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Bürgerschaft kann dem Anliegen der Initiative zustimmen. Tut sie das nicht, kann ein Volksbegehren beantragt werden, das voraussichtlich im Sommer 2014 stattfinden würde. Bei einem Volksbegehren müssen innerhalb von drei Wochen mindestens fünf Prozent aller Wahlberechtigten, also rund 62.000 Menschen, unterschreiben. Stimmt die Bürgerschaft wieder nicht zu, kann ein Volksentscheid beantragt werden. Dabei erhalten alle Wahlberechtigten Wahlunterlagen, die sie per Briefwahl oder am Wahltag im Wahllokal abgeben. Wenn mindestens 20 Prozent gewählt haben und die Mehrheit für den Volksentscheid ist, muss der Senat den Willen des Volkes umsetzen.

Was wollen die Parteien?

Lars Holster (SPD): „Das Ziel einer generellen Abschaffung von G8 bleibt weiterhin der falsche Weg. Auch eine Wahlmöglichkeit innerhalb eines Gymnasiums würde zu erheblichen strukturellen Schwierigkeiten führen. Das wollen wir den Gymnasien nicht zumuten. Wir sind uns mit den Schulleitungen einig, dass wir keine neue Schulreform brauchen, wohl aber einzelne Verbesserungen bei der Weiterentwicklung von G8. Dazu gehört zum Beispiel eine klare Begrenzung der Regelstunden und eine Überprüfung der Bildungspläne.“

Karin Prien (CDU): „Wir stehen für Gespräche mit der Initiative und entsprechende Beratungen in der Bürgerschaft zu möglichem Reformbedarf zur Verfügung. Dabei werden wir aber auch die Interessen der Schüler, Eltern und Lehrer an den Gymnasien, die die achtjährige Schulzeit beibehalten wollen, und die Schüler, Eltern und Lehrer an den Stadtteilschulen im Auge haben.“

Anna von Treuenfels (FDP): „Der Druck im G8 wird nach wie vor als zu hoch wahrgenommen. Viele Schüler, Eltern und Lehrer erwarten, dass die 34-Wochenstunden-Grenze eingehalten und Bildungspläne wie Curricula weiter entrümpelt werden. Auch die Stadtteilschule braucht dringend mehr Unterstützung, um mit ihrem neunjährigen Weg zum Abitur mehr Akzeptanz zu erreichen, vor allem bei den Eltern. Die FDP-Fraktion erwartet, dass der Senat nun aktiv wird, um den Druck aus den acht Jahren bis zum Abitur zu nehmen.“

Stefanie von Berg (Grüne): „Die Unzufriedenheit bei Eltern und Jugendlichen mit der Situation an den Gymnasien ist groß. Der Senat weiß das, handelt aber nicht. Er hätte dazu im vergangenen halben Jahr Gelegenheit genug gehabt.“

Dora Heyenn (Linke): „Wenn das Abitur nach neun Jahren auf Gymnasien wieder eingeführt werden sollte, gäbe es keinen Grund mehr, die künstliche Trennung zwischen Stadtteilschulen und Gymnasien mit all ihren negativen Folgen aufrechtzuerhalten.“

Was sagt SPD-Schulsenator Ties Rabe ?

„Wir nehmen die Sorgen ernst und reichen gern die Hand zu einzelnen Verbesserungen an den Gymnasien. Aber wir dürfen nicht alle vier Jahre das gesamte Schulsystem umkrempeln und Kinder, Eltern und Lehrer schon wieder mit einer neuen Riesenreform belasten. Unsere Gymnasien brauchen jetzt auch mal Ruhe, um sich auf guten Unterricht und gute Schule zu konzentrieren.“