Finanzminister Schäuble fordert Ausgleich, weil Volkszählung weniger Einwohner ergab. Hamburg legt Widerspruch ein. Hamburg gehört zu den großen Verlierern der letzten Volkszählung.

Hamburg. Der Oktober wird ein teurer Monat für den Hamburger Senat: Nach dem 37-Millionen-Euro-Debakel bei der Internationalen Gartenschau will jetzt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Geld von der Hansestadt: 75,3 Millionen Euro. Diese Summe muss Hamburg für den Länderfinanzausgleich nachzahlen.

Grund dafür sind die Ergebnisse des Zensus 2011, die im Frühjahr veröffentlicht wurden. Demnach hatte Hamburg am Stichtag 9. Mai 2011 rund 83.000 Einwohner weniger als angenommen und wird deshalb beim Ausgleich mit den anderen Bundesländern vom Nehmer- zum Geberland. Ursprünglich war die Finanzbehörde davon ausgegangen, fünf Millionen Euro aus dem Finanzausgleich zu erhalten. Hamburg hat im Juli Widerspruch gegen den Zensus eingelegt.

Aber erst einmal muss die Stadt bezahlen: Am vergangenen Dienstag wurde Schäubles Forderung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, bis zum 23. Oktober müssen die 75,3 Millionen auf dem Konto des Finanzministeriums sein. Von dort wird das Geld umverteilt. Mit der Zahlung sind zunächst Forderungen aus den Jahren 2011 und 2012 abgegolten. Für das laufende Jahr und für künftige Jahre rechnet die Behörde von Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) damit, dass Hamburg jährlich 73Millionen Euro bezahlen muss.

Ende der vergangenen Woche hatten die Bundesländer im Bundesrat über die „Zweite Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes im Ausgleichsjahr 2012“ abgestimmt – und damit den Weg für die Zahlungsaufforderung frei gemacht. Die Finanzbehörde: „Hamburg hätte es für vernünftiger gehalten, wenn darüber erst entschieden worden wäre, wenn über unseren Widerspruch eine Entscheidung vorliegt. Das haben die übrigen Bundesländer abgelehnt.“

Nach Abendblatt-Informationen gab es sogar Überlegungen im Senat, das Geld wegen des laufenden Widerspruchverfahrens nicht zu zahlen. Jetzt erklärt die Finanzbehörde: „Hamburg hat gar keine Möglichkeit, die Zahlung zu verweigern, da wir uns sonst nicht bundestreu verhalten würden.“ Die Behörde erklärt, dass Hamburg durch die Zahlungen keine zusätzlichen Schulden oder Einsparungen machen müsse, da der „Senat in seinem Finanzkonzept ohnehin mit stark schwankenden Steuereinnahmen gerechnet hat“.

Hamburg gehört zu den großen Verlierern der letzten Volkszählung. Der Zensus 2011 ergab, dass es 1,707 Millionen Hamburger gibt. Bislang galt die offizielle Einwohnerzahl von 1,790 Millionen Hamburgern. Eine Differenz von 4,6 Prozent. Nicht nur Hamburg, sondern auch andere Kommunen aus der ganzen Republik haben Einspruch gegen die Volkszählung eingelegt.

Streit gibt es um die Art und Weise, wie die Bevölkerungszahl erhoben wird. Die Kommunen wollen verstehen, wie es zu den großen Abweichungen gekommen ist. Städte und Gemeinden verweisen darauf, dass ihre Verwaltungen einen genaueren Überblick über die Einwohnerzahlen haben als die Statistiker des Zensus: Diese hatten in einem komplizierten Verfahren Stichproben ermittelt und deren Daten auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet. Ein umfassender Einblick in die Methode wird den Anfechtern nicht gewährt – aus Datenschutzgründen. Ansprechpartner der Städte sind zunächst die statistischen Landesämter. Werden die Widersprüche abgelehnt, könnten sie vor Gericht weiterverhandelt werden.

Senatssprecher Christoph Holstein erklärt, dass eine Expertenkommission des Senats jetzt an einer Begründung für den Widerspruch arbeite. Dafür gebe es jedoch keine konkrete Frist. „Zurzeit wird geprüft, welche Argumente für die Begründung aussichtsreich sind“, sagt Holstein. Das Verfahren kann dauern: Im Frühjahr werden weitere Zensus-Daten veröffentlicht – diese Zahlen will der Senat in seine Untersuchungen einbeziehen.

Immerhin: Im Bundesrat haben die anderen Bundesländer zugesichert, dass es eine neue Berechnung geben soll, sollte der Widerspruch Erfolg haben und die Bevölkerungszahlen erneut korrigiert werden. Dann könnte Hamburg Geld zurückbekommen.