Die FDP will die umstrittene Methode des Schreibenlernens an Grundschulen abschaffen. Schulbehörde ist gesprächsbereit. Bei „Lesen durch Schreiben“ dürfen die Schüler zunächst die Wörter so schreiben, wie sie sie hören.

Hamburg. Die FDP-Opposition sagt einer umstrittenen Methode, Lesen und Schreiben zu lernen, den Kampf an. In einem Bürgerschaftsantrag fordern die Liberalen, das Konzept „Lesen durch Schreiben“ und verwandte Lernverfahren aus dem Bildungsplan Deutsch der Grundschule zu streichen.

„Eltern, Bildungsexperten und Praktiker aus der Ausbildungswirtschaft warnen immer lauter vor einer Rechtschreibkatastrophe: Immer mehr junge Menschen beherrschen die simpelsten Grundlagen der deutschen Sprache nicht“, kritisiert die FDP-Bildungspolitikerin Anna von Treuenfels. Eine Ursache seien offensichtlich „verfehlte Lernmethoden“, zu denen von Treuenfels auch „Lesen durch Schreiben“ zählt.

Bei „Lesen durch Schreiben“ dürfen die Schüler zunächst die Wörter so schreiben, wie sie sie hören. Zentrales Hilfsmittel ist die Anlaut- oder Buchstabentabelle, die mit Bildern arbeitet. In den ersten beiden Klassen korrigieren die Lehrer die Schreibversuche nicht. Die Erwartung ist, dass die Jungen und Mädchen durch häufiges Schreiben allmählich die korrekte Rechtschreibung erlernen.

Nach Ansicht vieler Bildungsforscher ist es dann allerdings häufig schon zu spät, weil sich falsche Schreibweisen eingeschliffen haben und schwer abtrainiert werden können. Auch dem Senat sind die Nachteile des Verfahrens bekannt. „Die Methode ,Lesen durch Schreiben‘ wird in der Fachdidaktik kontrovers diskutiert, da in Studien nachgewiesen wurde, dass Klassen, die über einen langen Zeitraum ausschließlich oder einseitig nach dieser Methode unterrichtet werden, in ihren Rechtschreibleistungen hinter den Leistungen vergleichbarer Lerngruppen zurückbleiben können“, heißt es in der Antwort des Senats auf eine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels.

Die FDP-Politikerin formuliert es drastischer: „Das muntere Drauflosschreiben der Kinder ohne vernünftige Lerngrundlage führt zu dem dramatischen Ergebnis, dass sich falsche Schreibweisen innerhalb kürzester Zeit für immer einprägen.“

An den Hamburger Grundschulen wird das Erlernen der Rechtschreibung generell nach einem Methodenmix unterrichtet. Grundsätzlich entscheiden die Schulen selbst im Rahmen der Lehrerkonferenz über den ihrer Ansicht nach richtigen Weg. Die Anlaut- oder Buchstabentabelle ist allerdings als Hilfsmittel ausdrücklich zugelassen. „Nach Kenntnis der zuständigen Behörde wird an keiner der Grundschulen ausschließlich nach der Methode ,Lesen durch Schreiben‘ unterrichtet“, heißt es in der Senatsantwort auf die Treuenfels-Anfrage. Aber an welchen Standorten zumindest Teile des umstrittenen Verfahrens zum Einsatz kommen, ist der Behörde nach Angaben des Senats derzeit nicht bekannt.

„Es reicht nicht, das noch lange zu prüfen“, kritisiert von Treuenfels. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Rechtschreibung wieder erfolgreich absolvierter Lerninhalt in der Grundschule wird, ohne durch eine fragwürdige Methode unterminiert zu werden.“ Der FDP-Antrag fordert die Behörde nun auf, „den Bildungsplan Grundschule Deutsch dahingehend zu ändern, dass die Methode ,Lesen durch Schreiben‘ bzw. davon abgewandelte Methoden nicht weiter an Hamburger Grundschulen angewendet werden dürfen.“

In der Schulbehörde stößt der Vorschlag durchaus auf Interesse. „In ganz Deutschland und auch in Hamburg sinkt offensichtlich das Rechtschreibniveau der Schülerinnen und Schüler. Es ist an der Zeit, mit Experten und Lehrkräften diese Entwicklung sorgfältig zu analysieren und ein Konzept zu entwickeln“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. „Die Schulbehörde wird entsprechend tätig werden und wünscht sich eine breite Diskussion, zum Beispiel im Rahmen einer Expertenanhörung im Schulausschuss der Bürgerschaft“, fügt Albrecht hinzu, ohne allerdings direkt auf die Methode „Lesen durch Schreiben“ einzugehen.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat einen persönlich-beruflichen Zugang zum Thema: Er unterrichtete als Lehrer unter anderem Deutsch, wenn auch nicht an einer Grundschule, sondern an einem Gymnasium. Nach seinem Amtsantritt im März 2011 hatte er das Diktatverbot aufgehoben, das noch aus dem vorherigen Bildungsplan für die gescheiterte Primarschule stammte.

Aus Sicht der Schulbehörde hat dieser Schritt zu einer Stärkung der Methodenvielfalt und der Bedeutung der Rechtschreibung geführt. Das sichere Erlernen orthografischer und grammatikalischer Regeln ist im Bildungsplan Deutsch verbindlich vorgegeben. Der Plan schreibe vor, „dass von Anfang an vielfältige Lerngelegenheiten geschaffen werden, in denen zugleich Rechtschreibkompetenz, Rechtschreibstrategien und grammatikalisches Wissen erworben werden“, heißt es in der Senatsantwort auf die Treuenfels-Anfrage. Auch für die Verwendung der Lehrmaterialien macht die Schulbehörde keine Vorgaben, sondern überlässt die Entscheidung den Schulen.

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Bürgerschaftsantrag, dass der Bildungsplan künftig „konkrete Vorgaben zum Rechtschreibunterricht an den Grundschulen enthält“. Und die Liberalen greifen ein weiteres „heißes Eisen“ auf: Sie fordern, dass das Erlernen der lateinischen Schreibschrift wieder verpflichtender Bestandteil des Deutschunterrichts an den Grundschulen wird. Der frühere schwarz-grüne Senat hatte den Schulen freigestellt, ob sie die als etwas einfacher geltende Grundschrift zur Basis des Schreibenlernens machen oder an der lateinischen Schreibschrift festhalten.