Bezirksamtsleiter Andy Grote über die Pläne für Hamburg-Mitte. Sonntagsöffnungen von Läden lehnt er ab, einen Trinkerraum würde er begrüßen

Hamburg. Im April 2012 hat der Stadtentwicklungsexperte Andy Grote (SPD) seinen Posten als Bezirksamtsleiter angetreten. Im Abendblatt spricht der Jurist über seine Ziele für Hamburgs flächenmäßig größten Bezirk.

Hamburger Abendblatt:

Das Thema Sonntagsöffnung in der HafenCity, um die dortigen Einzelhändler zu fördern, wurde in der vergangenen Woche diskutiert. Sie lehnen eine solche Sonderregelung ab. Warum?

Andy Grote:

Die Verzögerungen bei dem Bau des Überseequartiers sind aus Stadtentwicklungssicht ein Desaster und haben auch für die Einzelhändler negative Auswirkungen. Wir können aber diese Strukturdefizite nicht mit einer generellen Sonntagsöffnung lösen. Ansonsten würde in vielen Stadtteilen bei den Geschäftsleuten das Begehren aufkommen, künftig sieben Tage die Woche öffnen zu dürfen.

Wie soll denn Ihrer Meinung nach dann der Einzelhandel in der HafenCity gefördert werden?

Grote:

Es müssen Freizeitattraktionen her, um mehr Besucher und damit auch potenzielle Kunden in den neuen Stadtteil zu locken. Nur ansprechende Architektur ist kein ausreichender Publikumsmagnet. Ich könnte mir zum Beispiel ein stationäres Riesenrad vorstellen, gerne auch weit sichtbar und bis zu 150 Meter hoch. Andere Städte wie London oder Singapur haben es vorgemacht, da sind die Riesenräder eine Attraktion. Auch eine Seilbahn mit Ausgangspunkt HafenCity wäre eine zusätzliche Attraktion gewesen, doch das lehnt der Senat ab.

Das Thema Seilbahn beschäftigt Sie seit Jahren. Die St.-Pauli-Option der Stage Entertainment steht noch zur Diskussion. Sie lehnten diese Variante bislang ab. Wie geht es jetzt weiter?

Grote:

Es wurde ein Bürgerbegehren zu diesem Thema angekündigt, das aber noch nicht angemeldet wurde. Wenn es dann umgesetzt würde und es ein Votum der Bürger im Bezirk Mitte für eine St.-Pauli-Variante gäbe, dann müssten wir das akzeptieren. Ich denke aber nicht, dass diese Seilbahn jemals realisiert wird.

Die Realisierung eines Neubaus des Bezirksamts am Standort Schultzweg ist jedoch bereits beschlossen. Wie weit sind die Planungen?

Grote:

Wir kommen gut voran, und ich bin optimistisch, dass wir 2017 umziehen können. Wir müssen klären, ob das neue Bezirksamt von einem städtischen Unternehmen gebaut wird oder ob es eine öffentliche Ausschreibung gibt und die Stadt dann von dem Bauherrn das Gebäude mietet.

Was soll aus den City-Hochhäusern am Klosterwall werden, dem jetzigen Standort des Bezirksamts?

Grote:

Es wird eine Ausschreibung für die Immobilie geben, die vielleicht noch vor Ende des Jahres veröffentlicht wird. Fest steht, die Gebäude müssen abgerissen werden. Die neue Bebauung muss eine Mischung aus Gewerbeflächen, aber auch innerstädtischem Wohnen hin zum Kontorhausviertel werden.

Der vom Investor geplante Abriss der Esso-Häuser am Spielbudenplatz wurde in den vergangenen Jahren scharf diskutiert. Jetzt liegt ein Gutachten vor, dass schwere statische Mängel festgestellt hat. Wie geht es weiter?

Grote:

Der Bezirk hat aufgrund des Gutachtens weitreichende Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Alles andere als ein Abriss der Immobilie ist aufgrund des baulichen Zustands nicht realistisch. Wichtig ist, dass jetzt mit intensiver Einbindung der Anwohner darüber diskutiert wird, wie ein Neubau in dieser exponierten Lage aussehen könnte. Dazu ist natürlich auch ein Architekturwettbewerb notwendig. Das Gebäude muss zum Kiez passen. Wichtig ist, dass hier vor allem bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird.

Wie stehen Sie zu der Diskussion um Großveranstaltungen, die meist auf den Bezirk Mitte konzentriert sind?

Grote:

Es muss eine Entzerrung der Veranstaltungen geben und auch immer wieder geprüft werden, ob die Standorte noch passen. Der Welt-Astra-Tag wird zum Beispiel in diesem Jahr das letzte Mal an den Landungsbrücken veranstaltet, danach wird gemeinsam mit den Organisatoren nach Alternativen gesucht. Der Hafenrand kann nicht von einer Großveranstaltung nach der anderen bespielt werden. Es kann auch nicht sein, dass die Hamburg Harley Days die Reeperbahn sozusagen neben dem Großmarkt als zweite inoffizielle Veranstaltungsfläche in Beschlag nehmen.

Seit rund acht Monaten übt die Bahn unter den Vordächern des Hauptbahnhofs das Hausrecht aus, im März wurde der Tunnel zur Spitalerstraße hin geschlossen, weil dort immer wieder Gruppen von Alkohol trinkenden Menschen für Konflikte gesorgt hatten. Wie hat sich die Situation entwickelt?

Grote:

Wir nehmen eine deutliche Verbesserung und Entspannung wahr, die Szene hat sich verteilt. Nach wie vor gibt es aber die Forderung nach einer Verbesserung der Angebote, etwa einen Trinkerraum. Zwar gibt es hiergegen Bedenken gerade der sozialen Träger, ich halte einen solchen Ort aber dennoch für eine gute Option. Das Problem ist nur: Wir erreichen die schwer Alkoholabhängigen nicht mit Angeboten. Dem stehen wir als Stadt insgesamt ziemlich hilflos gegenüber.

Wie sieht es ansonsten in St. Georg aus? Viele Bewohner befürchten eine Gentrifizierung.

Grote:

Wir haben mit der sozialen Erhaltensverordnung ein gutes Instrument in der Hand. Es gab eine Reihe von Prüfverfahren, mit denen wir Einfluss auf Sanierungsmaßnahmen hatten. So haben wir beispielsweise große Dachterrassen und Luxusausbauten nicht genehmigt.

Kommen wir zu Wilhelmsburg. Gerade erst gab es Kritik an den Äußerungen von Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen, die in der „taz“ behauptet hatte, in Wilhelmsburg habe es weder Verdrängung noch Mietsteigerungen gegeben. Wie sieht es wirklich auf der Elbinsel aus?

Grote:

Gentrifizierung ist in Wilhelmsburg ein Phantom. Eine Untersuchung hat ergeben, dass es keine Verdrängung gab. Und die Mietsteigerungen lagen unter dem Hamburger Durchschnitt, sogar unter dem Billstedts. Zwei Drittel der Haushalte zahlen weniger als 500 Euro Miete, die durchschnittliche Quadratmetermiete beträgt 8,20 Euro. Ein Drittel aller Wohnungen ist sozialer Wohnungsbau.

Sie wollen in Wilhelmsburg den Neubau von Moscheen ermöglichen. Warum?

Grote:

Wir wollen den Mitmenschen ermöglichen, ihren Glauben in einem angemessenen Rahmen auszuüben. So würde das Hinterhofdasein einiger Moscheen im Stadtteil ein Ende haben. Wir prüfen zurzeit, welche Flächen in Wilhelmsburg sich für den Neubau einer Moschee eignen würden.