Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch über die Zukunftsfähigkeit der Polizei. Kopitzsch will die Verbrechensbekämpfung mit seiner Reform effektiver und bürgernäher machen.

Hamburg. Anfang 2012 startete „ProMod“, der größte Umbau der Polizei der letzten Jahrzehnte. Über den Stand und die Zukunftsfähigkeit der Polizei sprachen Sascha Balasko und Denis Fengler mit Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch.

Hamburger Abendblatt: Herr Polizeipräsident, derzeit bauen Sie die Polizei massiv um. Mit welchem Ziel?
Wolfgang Kopitzsch: ProMod soll die Organisation der Polizei neu aufstellen. Es geht darum, sich den Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf uns zu kommen, zu stellen. Generell sollen die Organisationseinheiten in der Polizei umfassender und zielgerichteter ausgerichtet werden. Entscheidungswege sollen kürzer werden, um schneller Entscheidungen treffen zu können. Dabei werden die Kompetenzen besser gebündelt.

Wo war die Polizei nicht zukunftsfähig?
Kopitzsch: Wir haben Organisationsstrukturen gehabt, die nicht mehr zeitgemäß waren. Es war zum Beispiel nicht effektiv, strategische Themen dezentral zu bearbeiten und dann wieder zusammenzuführen. Doppelstrukturen und vermeidbare Doppelarbeit binden Ressourcen, die wir woanders besser und zielgerichteter einsetzen können.

Wo zum Beispiel?
Kopitzsch: Etwa in der Kriminalitätsbekämpfung. Die Verantwortung und die Fachaufsicht liegen bei der Kriminalpolizei und beim Leiter des Landeskriminalamtes. Aber der konnte nur über einen Teil der Kriminalpolizei verfügen, weil die Verantwortung für die Kripo an den Polizeikommissariaten der ehemaligen Zentraldirektion zugeordnet war. Und wenn der LKA-Leiter fachliche Vorgaben gemacht hat, dann war es häufiger ein längerer Diskussionsprozess mit anderen, das zu akzeptieren. Künftig wird jedes Thema, wie etwa auch der Straßenverkehr, nur noch an einer Stelle entschieden.

Fakt ist auch, dass die Zusammenarbeit zwischen Kripo und Schutzpolizei dann nicht mehr so eng ist wie jetzt. Drohen nicht alte Gräben wieder aufzureißen?
Kopitzsch: Nein. Wir haben darauf geachtet, das zu verhindern. An jedem Polizeikommissariat bleiben Kriminalbeamte, und es ist weiterhin ausdrücklich erwünscht, miteinander zu sprechen, sich auszutauschen und eng zusammenzuarbeiten. Die ursprüngliche Idee bei der Einführung der Polizeikommissariate konnte in den letzten 15 Jahren nur zum Teil umgesetzt werden.

Braucht man überhaupt 24 Wachen?
Kopitzsch: Die Vorgabe des Senators ist ganz klar: Es bleiben alle Standorte, alle Polizeikommissariate erhalten. Also alle 24 Kommissariate der Schutzpolizei, die drei der Wasserschutzpolizei und das Wasserschutzpolizeirevier in Cuxhaven.

Braucht Hamburg 9000 Polizisten?
Kopitzsch: Wir haben aktuell etwa 8400 Menschen im Polizeivollzugsdienst. Insgesamt hat die Polizei knapp über 10.000 Beschäftigte. Wir haben damit eine Polizeistärke im Verhältnis zur Bevölkerung, die bei etwa 1:200 liegt. Diese Stärke erreicht außer uns nur noch Berlin. Das ist eine Größenordnung für eine Großstadt, die sich bewährt hat und vernünftig ist.

Das wird auch künftig so bleiben?
Kopitzsch: Der Bürger fragt sich, wie wir die Polizeibeamten im Vollzug einsetzen. Diese Frage müssen wir klar und deutlich beantworten. Also, wie viel Personal setzen wir im direkten Kontakt mit dem Bürger ein? Da gibt es in näherer Zeit noch erheblich Steuerungsbedarf.

Gibt es zu wenig Beamte, die direkt für den Bürger da sind?
Kopitzsch: Ja, das ist mein persönlicher Eindruck.

Sie werden für die Stärkung wahrscheinlich kein neues Personal bekommen.
Kopitzsch: Die verwaltenden Teile werden verschlankt. Wir haben bereits im vergangenen Jahr 100 zusätzliche Beamte an die Polizeikommissariate gebracht. Bis zum Sommer kommenden Jahres wollen wir diese Zahl auf 200 erhöhen. Ziel ist es unter anderem, an jedem der 24 Polizeikommissariate eine sogenannte Dienstgruppe Operative Aufgaben einzurichten. Bislang gibt es davon zehn.

Mit ihren 64 Jahren ist die Zeit bis zu Ihrer Pensionierung absehbar. Sind Sie also der Troubleshooter des Innensenators.
Kopitzsch: Nein, das bin ich nicht. Ich habe von 1979 bis 2009, als ich Bezirksamtsleiter wurde, für die Polizei gearbeitet und war lange Jahre verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in der Polizei. Ich kenne die Polizeistrukturen seit Ende der 70er-Jahre. Und es gab immer Steuerungsbedarf bei der Polizei. Die Polizei muss Entwicklungen der Gesellschaft wahrnehmen, annehmen und entsprechend organisatorisch darauf reagieren.

Das Ende des Umbaus werden Sie in Ihrer Dienstzeit ja nicht mehr mitmachen.
Kopitzsch: Es ist ja noch offen, wie lange die Dienstzeit andauert. Diese Aufgabe ist zu diesem Zeitpunkt genau richtig. Sie muss sein. Wir mussten eine Vielzahl von Entscheidungen treffen, um zum Beispiel Doppelarbeit und Doppelfunktionen in der Polizei aufzulösen. Das aus gesamthamburgischer Sicht wichtige Ziel der Schuldenbremse ab 2020 dürfen wir auch nicht aus den Augen verlieren.

Seit Ihrem Amtsantritt stehen Sie in der Kritik einer Polizeigewerkschaft.
Kopitzsch: Ja, ich habe offenbar einen ausgewiesenen Kreis, der mich persönlich für alles verantwortlich macht. Ich bin Amtsleiter und stehe in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Senat. Deshalb bin ich politischer Beamter und an Entscheidungen von Senat und Bürgerschaft gebunden. Allein 2012 erfolgten etwa 800 Beförderungen im Polizeivollzugsdienst. Dieser Wert ist für die Hamburger Verwaltung sehr beachtlich. Viele Rückmeldungen zu meiner Arbeit sind positiv. So zum Beispiel zum gemeinsamen Besuch mit Senator Michael Neumann im ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungs-lager Auschwitz. Wir haben dort mit Auszubildenden Kränze niedergelegt. Die Polizei hat auf dem Evangelischen Kirchentag die Aufarbeitung und den Umgang mit ihrer Geschichte vorge-tragen.

Es gibt große Unruhe innerhalb der Polizei bei dem Thema Beförderungen. Wie wird es da weitergehen?
Kopitzsch: Nachdem wir das Thema intensiv mit dem Senator diskutiert haben, gibt es jetzt die Entscheidung, dass wir die freiwerdenden Stellen besetzen dürfen. Daraus ergeben sich etwa 500 Beförderungsmöglichkeiten noch in diesem Jahr. Und für den Großteil wollen wir auch noch in diesem Jahr die notwendigen Entscheidungen treffen.

Die Polizei hat darüber hinaus ja ein Sicherheitsproblem, weil der Erkennungsdienst zeitweise nicht besetzt ist.
Kopitzsch: Das ist kein Sicherheitsproblem. Es gab in einem Fall eine Häufung kurzfristiger Krankmeldungen, die ad hoc nicht aufgefangen werden konnten.

Die Einbruchszahlen steigen, die Aufklärungsquote sinkt. Wie wollen Sie das Problem in den Griff bekommen?
Kopitzsch: Wir haben schwankende Zahlen. 2012 etwa sanken diese. Die Aufklärungsquote liegt in den letzten 30 Jahren zwischen sechs und zwölf Prozent. Bei 40 Prozent der Taten bleibt es beim Versuch. Das heißt, dass die Bürger die Präventionsmaßnahmen annehmen. Da werden wir aktiv bleiben. Und im Rahmen von ProMod wird das auch innerhalb der Polizei strukturell verbessert, indem wir die Zahl der Dienststellen, die Einbrüche bearbeiten, von derzeit 30 auf künftig acht konzentrieren und personell verstärken.

Was bringt das?
Kopitzsch: Zum Beispiel eine konzentrierte Arbeit in den acht Regionen, denn es hat sich gezeigt, dass etwa 50 Prozent der Täter in der Gegend wohnen, in der sie auch einbrechen. Die international reisenden Täter gibt es auch. Aber Erkenntnisse ändern sich. Die Zahl der örtlichen Täter ist sehr viel größer als wir es bislang angenommen haben.