Landesamt soll auf eine Million Euro verzichten. 20 Stellen könnten wegfallen. Die drohenden Stellenstreichungen belasten das angespannte Arbeitsklima. Angeblich fast 50 Prozent Krankenstand.

Hamburg. Es waren subtile, kaum wahrnehmbare Differenzen, die auf dem Podium im ersten Stock der Innenbehörde am Johanniswall ausgetragen wurden. Während Innensenator Michael Neumann (SPD) von den Sparbemühungen seiner Behörde sprach, um die auch der Verfassungsschutz nicht herumkommen werde, sah sich der Chef des Landesamtes, Manfred Murck, nur mit einem vernünftigen Personalstand für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet - von der Internetauswertung bis zu Observationen. Auch wenn Neumann und Murck bei der Präsentation des aktuellen Verfassungsschutzberichtes am Donnerstagmittag Einigkeit demonstrierten, war für Beobachter zu erkennen, dass das Verhältnis der beiden SPD-Genossen angespannt ist.

Es rückte angesichts des drohenden Spardiktats fast in den Hintergrund, dass die Zahl extremistischer Straftaten im vergangenen Jahr deutlich gestiegen war. Auf den Verfassungsschutz könnten schwierige Zeiten zukommen. Wie das Abendblatt erfuhr, soll das Landesamt mehr als eine Million Euro einsparen. Bei einem jährlichen Budgets von zwölf Millionen Euro ist das keine Kleinigkeit. In der Konsequenz könnten bis zu 20 der 154 Stellen gestrichen werden. Das heißt: Beamte aus dem Landesamt werden in anderen Behörden eingesetzt. Stellen von Beamten, die in den Ruhestand gehen, werden nicht wiederbesetzt. Und es soll in den kommenden Jahren viele Ruheständler geben.

Sparen wollen angesichts von NSU-Terror und steigenden Fallzahlen weder Neumann noch Murck, der Druck kommt von der Finanzbehörde. Dass sich Innensenator und Verfassungsschutzchef dennoch reiben, soll an einem angeblichen Wortbruch Neumanns liegen. Er soll Murck zugesichert haben, dass der Verfassungsschutz ebenso wie die Vollzugskräfte bei Polizei und Feuerwehr von den Einsparungen des Senats unberührt bleibt. Bestätigen wollte das keiner der beiden, ebenso, dass es bereits klare Ansagen gibt, wie hoch das Sparvolumen beim Verfassungsschutz ausfällt. "Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt", sagte Murck. Immerhin: Geprüft werden soll, ob spezielle Stellen im operativen Bereich beim Verfassungsschutz denselben Bestandsschutz genießen wie bei Polizei und Feuerwehr.

Mit 154 Mitarbeitern ist der Hamburger Verfassungsschutz im Vergleich zu anderen Bundesländern noch sehr gut aufgestellt. Das Land Nordrhein-Westfalen beschäftigt etwa 400 Verfassungsschützer, hat allerdings auch zehnmal so viele Einwohner. Dies liege unter anderem daran, erklärte Murck, dass in der Hansestadt viele operative Aufgaben vom Landesamt noch selbst erledigt werden. In anderen Bundesländern sei dies nicht mehr der Fall. "Wir verbauen unsere Kameras noch selbst", sagt Murck, "bieten noch das gesamte Portfolio eines Nachrichtendienstes."

Die drohenden Stellenstreichungen belasten das angespannte Arbeitsklima im Landesamt weiter: Der Krankenstand sei überdurchschnittlich hoch, heißt es aus Kreisen der Innenbehörde. Insider sprechen von bis zu 50 Prozent. Dies liege unter anderem am Führungsstil von Manfred Murck. Der sei zwar ein intelligenter Kopf, aber der Umgang mit seinen Mitarbeitern lasse deutlich zu wünschen übrig. Die würden auch mal vor großer Runde zusammengestaucht, sagte ein Insider.

Auch bei der Polizei ist man nicht gut auf den 64-Jährigen zu sprechen, der im Mai 2011 auf den Posten des Verfassungsschutzchefs nachrückte, nachdem er mehrere Jahre als Vize agiert hatte. In elf Monaten geht er voraussichtlich in den Ruhestand. So soll er einen bösen Briefwechsel ausgelöst haben, nachdem er die Arbeit der Kollegen beim Staatsschutz der Polizei kritisiert hatte. Die Beamten im Landeskriminalamt (LKA) sollen sich seinen Ton verbeten haben. Hintergrund der Auseinandersetzung: Murck soll befürchten, der Staatsschutz - der im Gegensatz zum Verfassungsschutz bei Straftaten ermittelt, während der Verfassungsschutz schon viel früher zum Einsatz kommt - könnte seinem Landesamt Kompetenzen abgraben. Er soll sich von der Polizei instrumentalisiert fühlen und befürchten, ein zweiter Geheimdienst könnte im LKA entstehen.

Nicht zuletzt soll sich Murck jüngst mit der Innenbehörde angelegt haben, als er die islamische Bewegung Milli Görüs aus der Beobachtung des Verfassungsschutzes nehmen wollte. Sein Vorhaben wurde jedoch von der Behördenleitung ausgebremst. Hintergrund: In Hamburg treten die Anhänger der Bewegung zwar noch moderat auf, in anderen Bundesländern sieht das jedoch ganz anders aus. Im Landesamt geht das Rechnen los: Welche Stelle kann gestrichen werden? Einfach wird das nicht. Die Beamten beobachteten 2012 nicht nur politische Extremisten, sondern bearbeiteten auch fast 20.000 Anfragen vor allem zu Einbürgerungs- und Aufenthaltsverfahren.