1500 Jungen und Mädchen in 110 Hamburger Schulen lösen jeden Tag die Konflikte ihrer Mitschüler. Behörde lobt ihre “Professionalität“.

Hamburg. Philip hat den Fußball wirklich nicht mit Absicht ins Gebüsch geschossen, beteuert der Neunjährige. Jetzt steckt ein Nagel in dem runden Leder, und der Konflikt mit Jakob, dem Ballbesitzer, ist da. Eigentlich ist Philip selbst Profi, wenn es darum geht, solche Probleme zu klären. Er ist Streitschlichter an der Grundschule Rellinger Straße in Eimsbüttel. In diesem Fall müssen Lana, 9, und Noelia, 9, gemeinsam mit den Jungs eine Lösung finden. Philip, Lana und Noelia sind drei von 1500 Streitschlichtern an 110 Schulen. Am heutigen Mittwoch und am morgigen Donnerstag treffen sich 400 von ihnen zu den "11. Hamburger Streitschlichtungstagen".

Wer den Stein oder den Stift in der Hand hat, darf reden. Das ist eine Regel beim Streitschlichtungsgespräch. Man darf sich nicht beleidigen und bleibt freundlich. "Wollt ihr das jetzt klären?", fragt Lana die Jungs. Jakob und Philip wollen. "Ich habe den Ball aus Versehen ins Gebüsch geschossen. Dort war dann der Nagel", sagt Philip. Lana wiederholt das Gesagte, das hat sie in ihrer ein Jahr langen Streitschlichter-Ausbildung gelernt. In der 14-tägigen Doppelstunde lernt sie zu moderieren, ein Gespräch zu führen. Lana will noch wissen, wie Jakob sich fühlt. "Doof", sagt er. Wer die Grundschüler bei der Klärung beobachtet, sieht Kommunikationsprofis. Alle sind sachlich und um Verständnis bemüht. Etwa 330 Streitfälle werden auf diese Weise jedes Jahr an der Grundschule Rellinger Straße geregelt. "Ich werde selten hinzu gerufen", sagt Beratungslehrer Volker Scharrnbeck. Die Schüler regeln die Konflikte selbst.

Genau wie am Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek beispielsweise. Dort kümmern sich die älteren Streitschlichter aus der 9. Klasse um ihre jüngeren Patenschüler aus den 5. und 6. Klassen. Streitschlichter Jan, 15: "Es hört sich vielleicht blöd an, aber man lernt etwas fürs Leben." Schulsenator Ties Rabe (SPD) lobt diesen Einsatz und zeichnet die Hamburger Streitschlichter, die ein Jahr dabei sind, am heutigen Mittwoch aus: "Das Engagement und die Professionalität der Streitschlichter ist beeindruckend." Die Lösung im Fall des kaputten Fußballs: Philip will am nächsten Tag Flickzeug mitbringen.