Staatsgarantie für HSH Nordbank: Gutachter greift Fraktionen in Hamburg und Kiel an. “Die Dreistigkeit der Verfälschung steht im Widerspruch zu dem, was ich bisher als Werte der Sozialdemokratie angesehen habe.“

Hamburg. Die Wiedererhöhung der Länder-Garantie für die HSH Nordbank auf zehn Milliarden Euro ist ohnehin umstritten. Doch noch bevor sich der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft am Freitagabend final damit beschäftigte - die Parlamente entscheiden dann im Juni -, sorgte das Thema zusätzlich für einen handfesten Krach.

Professor Martin Hellwig, einer der renommiertesten deutschen Ökonomen und Vorsitzender des "Lenkungsrates Unternehmensfinanzierung" des Bundeswirtschaftsministeriums, wirft den SPD-Fraktionen in Hamburg und Kiel vor, sein Gutachten zur HSH-Garantie zu verfälschen: "Die Dreistigkeit der Verfälschung steht im Widerspruch zu dem, was ich bisher als Werte der Sozialdemokratie angesehen habe", sagte Hellwig. Die Aufregung hat eine längere Vorgeschichte: Wegen der Verschärfung der Schifffahrtskrise hatte die HSH Nordbank ihre Haupteigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein gebeten, die Garantie von sieben Milliarden wieder auf die ursprünglichen zehn Milliarden Euro zu erhöhen. Das soll ihre Kernkapitalquote dauerhaft über der vorgeschriebenen Höhe von 9,0 Prozent halten - denn je höher die Garantie, desto weniger Eigenkapital muss die Bank vorhalten. Nachdem die beiden SPD-geführten Landesregierungen dieses Vorgehen bereits beschlossen haben, müssen noch die Parlamente zustimmen. Am 30. April hatten daher Bürgerschaft und Landtag in gemeinsamer Sitzung drei hochrangige Experten dazu befragt: Professor Norbert Dieckmann, Bankenexperte von der Hamburger EBC-Hochschule, Gero Martens von den weltweit tätigen Wirtschaftsprüfern PricewaterhouseCoopers (PWC), und eben Hellwig - Professor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Alle drei hatten zuvor auch eine schriftliche Stellungnahme verfasst.

Die Sitzung verlief ungewöhnlich: Denn die Experten bejahten zwar, dass die Garantieerhöhung sich positiv auf die Kapitalquote der HSH auswirken würde, alle drei äußerten jedoch auch mehr oder weniger massive Kritik am Vorgehen der Regierungen und an deren schriftlicher Vorlage für die Parlamente. "Es kommt nicht oft vor, dass Experten so kritisch mit einer Senatsvorlage umgehen", sagte Anja Hajduk (Grüne), und Norbert Hackbusch (Linkspartei) sprach von einer "Ohrfeige für den Senat".

Die SPD-Fraktionen interpretierten das Ganze anders. "Sachverständigen-Anhörung zur Garantieerhöhung für die HSH-Nordbank bestätigt eingeschlagenen Weg", stand über ihrer Pressemitteilung zu der Anhörung. Weiter wird auf die Vorlage der Regierungen verwiesen, wonach "das Engagement der Länder im Zuge einer Wiedererhöhung der Garantie nicht über das bereits bestehende finanzielle Risiko hinausgeht". Das sei schlicht falsch, ärgert sich Hellwig. Schon die Senats-Drucksache spreche vielmehr davon, dass die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme für die neuen drei Milliarden Euro Garantie "derzeit deutlich unter zehn Prozent" liege und bei einem Anhalten der Schifffahrtskrise über 2014 hinaus "nicht überwiegend wahrscheinlich" sei. "Deutlich unter zehn Prozent bedeutet auch deutlich über null", sagt Hellwig. Und "nicht überwiegend wahrscheinlich" könne auch 49 Prozent bedeuten.

Seine Empfehlung: "Die Bürgerschaft sollte die Vorlage zurückweisen." Denn die dort zugrunde gelegten Annahmen der Bank und der Länder, vor allem zur Schifffahrtskrise, seien "zu optimistisch", ganze Passagen seien unverständlich, und es fehlten konkrete Angaben. So würde die höhere Garantie die erwartbaren Verluste der Bank reduzieren, im gleichen Maß aber das Risiko für die Länder erhöhen. Eine Zahl dazu fehle jedoch.

Im Ausschuss wies Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) die Kritik an der Drucksache zurück. Es gebe sehr wohl weitergehende Dokumente, die Hellwig jedoch nicht eingesehen habe. "Wenn man nicht die Gelegenheit und Zeit hat, die Dokumente zu würdigen, dann hat man ein Problem." Auch SPD-Haushaltsexperte Jan Quast will die Vorwürfe so nicht stehen lassen: "Die zentrale Frage der Anhörung war, ob es möglich ist, die Kernkapitalquote der HSH durch eine Garantieerhöhung zu stützen - und diese Frage haben die Experten mit Ja beantwortet." Etwas anderes habe die SPD nie behauptet.