Mehr Sommerhitze und Winterregen: Forscher raten der Hamburger Regierung zu Milliarden-Investitionen in verschiedenen Bereichen - vom Wasser bis zum Obst.

Hamburg. Klimaforscher streiten zwar noch darüber, wie stark die Temperaturen in den kommenden 100 Jahren in Norddeutschland steigen werden - dass die Veränderungen, die auf die Metropolregion Hamburg zukommen, gewaltig sein werden, ist hingegen kaum umstritten. Die Prognosen reichen von durchschnittlich 1,9 bis 4,7 Grad mehr im Jahr 2100.

Dazu wird es nach Berechnungen des Norddeutschen Klimabüros 17,7 zusätzliche Sommertage mit Temperaturen über 25 Grad geben und 6,1 weitere heiße Tage, an denen die Quecksilbersäule auf 30 Grad oder mehr steigt. Die Winter werden regenreich, die Sommer heiß und trocken; auch Wind und Stürme nehmen zu.

Aber wie muss sich die Hansestadt auf den Klimawandel einstellen? Welche Maßnahmen sind sinnvoll und was kosten sie? Zu diesen Fragen hat das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) jetzt im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) ein Gutachten erstellt. "Wir wissen immer noch zu wenig über die konkreten Kosten des Klimawandels und der Anpassung. Selbst da, wo Daten vorliegen, sind sie meist auf die nationale Ebene bezogen oder sogar aus dem Ausland, gelten aber nicht für Hamburg", erklärt Behördensprecher Volker Dumann die Vergabe.

Die HWWI-Forscher um Sven Schulze und Jenny Tröltzsch untersuchten die ökonomischen Folgen des Klimawandels und die Kosten der Anpassung für Hamburg. Die Studie fließt in ein Gesamtprojekt der Umweltbehörde ein, die eine Anpassungsstrategie für die Hansestadt entwickelt. Der Ansatz, den sie dabei gewählt haben, ist - anders als der vieler Klimaforscher - ein strikt ökonomischer. Das heißt, gefragt wurde: Was kostet eine Maßnahme? Welche kurz- und langfristigen Schäden lassen sich durch sie vermeiden? Ist der Nutzen höher als der Nutzen? Lohnt sich also die Maßnahme unter dem Strich? "Eine Standardlösung gibt es nicht, weil sich die Regionen und ihre lokalen Bedingungen unterscheiden", sagt der promovierte Volkswirt Schulze. Er hat sich mit seinem Team deshalb auf die Hamburger Gegebenheiten konzentriert und die Tauglichkeit einer ganzen Reihe von Maßnahmen untersucht.

Beispiel Niederschlag und steigende Grundwasserstände: In Hamburg liegt das Grundwasser in weiten Teilen der Stadt bereits zwei Meter oder noch dichter unter der Oberfläche. In der Folge können tiefer liegende Gebiete vernässen und Straßen oder Keller überfluten. Der Klimawandel wird dieses Problem nach Ansicht der Forscher mit relativ großer Sicherheit noch verstärken. Im Stadtteil Fuhlsbüttel, der als Pilotgebiet betrachtet wurde, stellt sich das Problem wegen des hohen Grundwasserspiegels teilweise schon heute. Abhilfe könnten Grundwasserregulierungsanlagen schaffen, wie es sie in Berlin bereits gibt. Den Investitionskosten im einstelligen Millionenbereich steht der vermiedene Schaden gegenüber, pro vollgelaufener Keller zwischen 3000 und 8402 Euro. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Grundwasserregulierung den größten Teil der Schäden vermeiden könnte - und der Nutzen die Kosten übersteigen würde. Also empfehlenswert.

Beispiel Bauen: In Großstädten wie Hamburg werden die steigenden Temperaturen durch versiegelte Flächen, also Straßen, Plätze und Gebäude, noch verstärkt, die die Sonneneinstrahlung absorbieren und wieder Hitze abstrahlen. Das nennt man den Wärmeinseleffekt. Um ihn abzumildern, sind Dachbegrünungen sinnvoll. Die bepflanzten Dächer absorbieren die Sonnenenergie und speichern Regenwasser, das sich über die Verdunstung wieder positiv auf Luftfeuchtigkeit und Temperatur auswirkt. Begrünt werden können Flachdächer und Dächer bis zu einem Winkel von 35 Grad - das betrifft 15 Prozent der Dächer in Hamburg oder eine Fläche von 113,3 Quadratkilometer. Um sie alle zu begrünen, müssten bis 2100 knapp zwei Milliarden Euro investiert werden. Dagegen werden hitzebedingte Sterbefälle und die Krankenhausbetreuung hitzegeplagter Menschen gerechnet, die vermieden werden könnten. Hinzu kommt eine bessere Effizienz von Fotovoltaikanlagen. Der Nutzen beträgt bis zu 2,1 Milliarden Euro. Fazit: Kosten und Nutzen sind in etwa gleich, aber grüne Dächer verbessern Stadtklima, Lebensqualität und Gesundheit, sparen Energie und helfen, gerade bei heftigen Regenfällen, Wasser aufzunehmen.

Beispiel Landwirtschaft: Diese ist unmittelbar vom Klimawandel betroffen - in Hamburg vor allem beim Obstanbau im Alten Land, in dem ein Viertel aller Apfelanbauflächen Deutschlands liegen. Probleme drohen durch den stark vermehrten Niederschlag im Winter und die heißen, trockenen Sommer, eine mögliche Bodenerosion, den früheren Blühbeginn der Apfelbäume, die stärkere Verbreitung von Schädlingen und das Ausbleiben des für die Pflanzen notwendigen Kältereizes im Winter.

So drohen geringere Erträge - bis zu zehn Prozent der derzeit 39.000 Tonnen jährlich geernteter Äpfel. HWWI-Forscher empfehlen die Entwicklung neuer, besser an das Klima angepasster Sorten oder die Nutzung robusterer älterer Obstsorten, die beispielsweise tiefer wurzeln. Diese haben allerdings oft niedrigere Erträge. Dennoch: Die Gutachter gehen davon aus, dass durch neue Apfelsorten bis 33 Millionen Euro an Einbußen vermieden werden könnten.

Die Behörde will das Gutachten nun genau auswerten. Sprecher Dumann: "Der Staat ist für die Gesundheit seiner Bürger verantwortlich." Die Frage, die nun politisch zu klären sei, laute: "Wie kommt man hier zu einer gerechten Aufteilung von Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Kosten?"