Schule in Hamburg

Die FDP will Sitzenbleiben wieder einführen

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Peter Ulrich Meyer

Liberale stellen einen Antrag; die CDU stimmt unter Bedingungen zu. Schüler und Eltern sollen über eine Wiederholung entscheiden.

Hamburg. Die Diskussion über die Abschaffung des Sitzenbleibens bekommt neuen Auftrieb. Die FDP-Opposition will die 2009 bis auf wenige Ausnahmen aus dem Schulgesetz getilgten Klassenwiederholungen generell wieder einführen. Nach dem Willen der Liberalen sollen Schüler ohne großen bürokratischen Aufwand auf Anraten der Zeugniskonferenz eine Klasse wiederholen können, wenn die Eltern zustimmen. Außerdem soll das Sitzenbleiben möglich sein, wenn der Schüler und seine Eltern dies wollen und die Zeugniskonferenz zustimmt.

Erst vor vier Jahren hatte die damalige schwarz-grüne Koalition das Sitzenbleiben in den Klassen 1 bis 10 in Hamburg als erstem Bundesland abgeschafft. Seitdem "darf" ein Schüler nur in Ausnahmefällen und nach einem aufwendigen Antragsverfahren eine Klasse wiederholen: im Falle einer langfristigen Erkrankung, einer schwierigen familiären Situation, nach einem Orts- oder Schulwechsel mit erheblichen Folgeproblemen.

Im Regelfall ist an die Stelle der "Ehrenrunde" die Pflicht zur Teilnahme an kostenloser Nachhilfe getreten ("Fördern statt Wiederholen"). Die Folge: Die Zahl der Klassenwiederholungen hat sich von 2108 Schülern im Schuljahr 2008/09 auf 789 im vergangenen Schuljahr verringert.

Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels kritisiert diese Entwicklung. "Der bürokratische Prozess in der Schulbehörde reglementiert nur die Beteiligten vor Ort, die viel besser wissen, was für die Leistungsentwicklung des Schülers gut ist", sagt von Treuenfels. Aus Sicht der Liberalen kommt ein weiteres Moment hinzu: Wie berichtet, ist die Zahl der Abschulungen vom Gymnasium auf die Stadtteilschule am Ende der sechsten Klasse deutlich angestiegen.

In diesem Jahr hat sich die Zahl der "blauen Briefe", die Schüler und Eltern zum Halbjahr vor dieser Gefahr warnen, im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. "Die momentane Situation führt offenbar zu stark erhöhten Abschulungsquoten am Ende der sechsten Klasse des Gymnasiums, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht jedem Schülerprofil gerecht werden", sagt von Treuenfels. Soll heißen: Trotz aktuell schlechter Noten könnten Schüler vielleicht den verkürzten Weg zum Abitur am Gymnasium schaffen.

Die SPD-geführte Schulbehörde sieht keinen Anlass, an der aktuellen Regelung etwas zu ändern. "Die guten Gründe für die Abschaffung des Sitzenbleibens als Regelfolge schlechter Leistungen gelten nach wie vor", sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Gegner des Sitzenbleibens führen unter anderem die Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und der Lernmotivation bei den Schülern sowie den Verlust des vertrauten Klassenverbands an.

Die CDU-Opposition reagierte grundsätzlich positiver auf den Vorstoß der FDP. "Wir wollen in zwei Schritten vorgehen", sagt CDU-Schulexperte Robert Heinemann. "Wir fordern in einem Bürgerschaftsantrag den Senat auf, die Erfahrungen und den Erfolg der kostenlosen Nachhilfe wissenschaftlich auszuwerten", sagt Heinemann. Erst wenn der Senat dies ablehne, sei die Union bereit, "ihre Position eventuell grundsätzlich zu überdenken".

Das heißt: Dann wäre die CDU unter Umständen für die Wiedereinführung des Sitzenbleibens, das sie 2009 zusammen mit den Grünen abgeschafft hatte. Allerdings will die Union in diesem Fall nicht das alte Modell wieder einführen, wonach die Noten den Ausschlag über die Versetzung geben. "Das sollen die Schulen entscheiden und dabei durchaus einen gewissen Spielraum haben", sagt Heinemann.

Die Opposition hat bereits mehrfach kritisiert, dass die Schulbehörde zwar Zahlen über die Teilnahme an Nachhilfestunden nennen kann, aber wenig über die Lernentwicklung der Schüler in den betreffenden Fächern weiß. Im Schuljahr 2011/12 nahmen an 6347 Kursen 19.976 Schüler teil, von denen 37 Prozent im laufenden Schuljahr keine Nachhilfe mehr benötigten.

Heinemann fordert detailliertere Auswertungen. "Gerade vor dem Hintergrund der bundesweiten Diskussion über die Abschaffung des Sitzenbleibens müssen wir wissen, ob dieses Experiment funktioniert", sagt der CDU-Politiker. "Die Nachhilfeförderung erfüllt in vielen Gymnasien offenbar nicht ihren Zweck", sagt von Treuenfels mit Blick auf die hohe Zahl der Abschulungen am Ende von Klasse 6.

Dagegen halten die Grünen an der Abschaffung des Sitzenbleibens fest. "Eine Änderung des Schulgesetzes halte ich für überflüssig, da bereits unter den geltenden Bedingungen Klassenwiederholungen möglich sind", sagt die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. "Sie sind jedoch nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme." Das sei richtig, weil das Sitzenbleiben einen "massiven Einschnitt" darstelle. "Es hat deshalb für den weiteren schulischen Bildungsweg oftmals deutlich negative Auswirkungen", sagt die Grünen-Abgeordnete.

Die Bürgerschaft wird den FDP-Antrag in der kommenden Woche beraten.

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