Das Hamburgische Verfassungsgericht verhandelt im März und April über die Zulässigkeit des Entscheids zum Rückkauf der Energienetze.

Hamburg. Der Tag der Entscheidung rückt näher. Voraussichtlich im April wird das Hamburgische Verfassungsgericht darüber verhandeln, ob der Volksentscheid zum vollständigen Rückkauf der Energienetze zulässig ist.

Die CDU hatte im Dezember Verfassungsklage gegen den von der Volksinitiative "Unser Hamburg - unser Netz" durchgesetzten Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl eingereicht. Vor einer Entscheidung in der Sache wird aber zunächst geprüft, ob die Klage der CDU überhaupt noch zulässig ist oder ob sie zu spät eingereicht wurde. Diese Prüfung werde noch im März abgeschlossen sein, sagte Gerichtssprecherin Ruth Hütteroth. Sollte die CDU-Klage unzulässig sein, stünde dem Volksentscheid am 22. September 2013 nichts mehr im Wege. Andernfalls dürfte die Entscheidung des Verfassungsgerichts in der Sache noch im Frühjahr fallen. Als mögliche Termine für eine mündliche Verhandlung wurden den Beteiligten der 3. und der 23. April mitgeteilt.

Die Volksinitiative will den vollständigen Rückkauf der mehr als 35.000 Kilometer Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungen von Vattenfall und E.on durch die Stadt durchsetzen - zu einem geschätzten Preis von rund zwei Milliarden Euro. Die CDU hält den Volksentscheid aus zwei Gründen für verfassungswidrig: Erstens sei er zu unbestimmt formuliert; die Initiative gebe nicht vor, wie der Rückkauf konkret und rechtlich einwandfrei abgewickelt werden solle. Und zweitens greife der Volksentscheid angesichts der enormen Summe, um die es gehe, in den Finanzvorbehalt der Bürgerschaft ein. Nach Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung dürfen Haushaltspläne nicht Gegenstand von Volksentscheiden sein.

Die Initiative, die sich vom früheren grünen Justizsenator Till Steffen anwaltlich vertreten lässt, widersprach der Klage in einer im Januar beim Verfassungsgericht eingereichten Stellungnahme. Die Klage sei "weder zulässig noch inhaltlich begründet". Eine verfassungsrechtliche Überprüfung hätte deutlich früher innerhalb des Volksgesetzgebungsverfahrens erfolgen müssen, so Steffen. Laut Volksabstimmungsgesetz muss eine Überprüfung der Zulässigkeit bereits vor Beginn des Volksbegehrens beantragt werden. Diese Frist hatte die CDU in den Wirren nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition 2010 verstreichen lassen.

Zudem dürften Volksentscheide durchaus Auswirkungen auf den Haushalt haben, so die Initiative.

Die CDU hat jetzt ihrerseits einen Schriftsatz beim Verfassungsgericht eingereicht, in dem sie sich mit den Argumenten der Initiative auseinandersetzt. Die Klage sei auch jetzt noch zulässig, heißt es in dem Dokument, das dem Abendblatt vorliegt. Dies ergebe sich aus Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung. Danach entscheidet das Gericht auf Antrag über die Durchführung von Volksentscheiden. "Dieses verfassungsrechtlich gewährleistete Klagerecht kann nicht durch einfachgesetzliche Bestimmungen ausgeschlossen werden", so die von der Kanzlei Gleiss Lutz für die CDU-Bürgerschaftsfraktion verfasste Stellungnahme. Zudem hält die CDU-Fraktion daran fest, dass der zur Abstimmung gestellte Text zu unbestimmt sei. Die Vorlage genüge nicht den "spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen der Klarheit und der Bestimmtheit".

In der Vorlage der Initiative zum Volksentscheid heißt es: "Senat und Bürgerschaft unternehmen fristgerecht alle notwendigen und zulässigen Schritte, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien."

Damit würden die Bürger getäuscht, sagte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. "Die Initiative verspricht günstigen Ökostrom, dabei hat der Rückkauf der Netze damit überhaupt nichts zu tun", so Wersich. Im SPD-Senat geht man davon aus, dass die CDU-Klage nicht mehr zulässig ist, weil sie zu spät eingereicht wurde. Das geht aus einer Stellungnahme des Senats an das Verfassungsgericht hervor, die dem Abendblatt vorliegt.

Geteilt werden vom Senat die Bedenken der CDU, was die unkonkrete Formulierung der Vorlage angeht. Gerade angesichts der EU-weiten Ausschreibung der Konzession und der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes sei völlig unklar, ob und wie die Vorgabe umgesetzt werden könne, heißt es. Die Stadt könne es sich nicht leisten, für mehr als zwei Milliarden Euro neuer Schulden die Netze vollständig zurückzukaufen, von denen der Senat im vergangenen Jahr 25,1 Prozent erstanden hatte. "Das Risiko ist zu groß, dass wir uns dabei verrechnen und dann jedes Jahr draufzahlen", sagte SPD-Bürgermeister Olaf Scholz. "Am Ende steht die Entscheidung: zwei Milliarden Euro ausgeben oder nicht ausgeben. Ich bin ziemlich sicher, dass dann die meisten sagen werden: Zwei Milliarden vor allem für Kabel, Rohre und Leitungen, das ist bannig viel Geld, lieber nicht."