Acht Monate vor dem Volksentscheid zum Rückkauf der Netze streiten der SPD-Senat und die Opposition in der Aktuellen Stunde.

Hamburg. Allein der Titel, den die Sozialdemokraten ihrem Thema in der Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft gegeben haben, sollte keine Fragen offenlassen: "In Hamburg klappt die Energiewende." Es sollten keine Zweifel daran aufkommen, dass der Teilrückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungen für 543 Millionen Euro aus ihrer Sicht richtig war. Überzeugen konnte die SPD die Opposition davon natürlich nicht.

Der Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan nahm einen ordentlichen Anlauf, um zu erklären, dass der Teilrückkauf zu wenig und der Komplettrückkauf nötig sei. "Die Privatisierung von HeinGas und der HEW war ein Fehler. Nun bestimmen die Atomkonzerne E.on und Vattenfall die Energiepolitik." Er warf dem Senat vor, versäumt zu haben, gemeinsam mit der Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" die Versorgungsnetze komplett in die öffentliche Hand zurückzuführen. Die von der SPD beschworene Partnerschaft mit Vattenfall bei der Energiewende sei trügerisch. "Ihr Partner klagt gerade gegen den Atomausstieg." Kerstan hofft, "dass die Bürger mit dem Volksentscheid den Plänen des Senats die Rote Karte zeigen". Der Volksentscheid findet zeitgleich mit der Bundestagswahl in diesem September statt.

Andreas Dressel, Fraktionschef der SPD, sieht eine seiner Aufgaben darin, dass es im September nicht zur Entscheidung zum Komplettrückkauf kommt. "Wenn die Initiative Erfolg hat, dann geht alles auf null zurück." Es stünden viele Jahre juristischer Auseinandersetzungen mit den Energiekonzernen bevor. Das Szenario: Nach mehreren Jahren müsste die Stadt "zwei bis drei Milliarden Euro neuer Schulden" aufnehmen, um irgendwann Alleineigentümer der Netze zu sein. "In Zeiten der Schuldenbremse ist das schlicht und einfach unverantwortlich."

Er verwies auf die aus seiner Sicht bereits heute funktionierende Energiewende. Es fielen Stichworte wie Elektromobilität, Gas- und Dampfkraftwerk Wedel oder Öffnung des Fernwärmenetzes. "Wir machen Energiewende real. Nicht irgendwann, sondern jetzt." Dressel rief die Grünen dazu auf, den Widerstand gegen Wedel aufzugeben. "Dann muss keine Fernwärmeleitung von Moorburg aus gebaut werden." Teil des Netzedeals zwischen der Stadt und den Energiekonzernen ist die Aufgabe der Pläne, die umstrittene Leitung von dem im Bau befindlichen Steinkohlekraftwerk in Moorburg nach Altona zu verlegen. Stattdessen soll die bestehende Leitung von Wedel aus genutzt und das dortige Kraftwerk modernisiert werden.

In Anspielung auf die Elbphilharmonie sagte Dressel weiter, dass ein Großprojekt ausreiche, bei dem der Steuerzahler erst später sieht, "was auf dem Preisschild steht". Ein "Etikettenschwindel", wie Kerstan befand: "Der Senat hat kürzlich über 400 Millionen in der wesentlich risikoreicheren Schifffahrtsbranche investiert. Wer Hapag-Lloyd kaufen kann, kann auch die Netze kaufen. Mit der SPD und Vattenfall kommt die Energiewende in Hamburg weder jetzt noch übermorgen, sie kommt nur mit dem erfolgreichen Volksentscheid." Birgit Stöver (CDU) bestritt, dass die Energiewende funktioniere. "25 Elektrofahrzeuge reichen nicht aus", sagte die Umweltexpertin. Es reiche ebenfalls nicht, wenn jedes Bundesland für sich alleine an der Energiewende arbeite. "Wir brauchen nicht 16 Beiträge, sondern einen großen."

Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) verteidigte den Teilrückkauf. "Wir setzen die Energiewende gemeinsam mit Vattenfall und E.on um - und nicht gegen sie." Die Verträge mit den Konzernen garantierten, dass diese in die Wende investierten und Hamburg entsprechenden Einfluss habe. "Die Stadt entscheidet über die Investitionen mit." Die Befürworter des Komplettrückkaufs hätten kein Konzept für die Energiewende vorgelegt.

Die Linke bestreitet, dass 25,1 Prozent den Einfluss der Stadt sichern

Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Linken, kritisierte nicht nur die SPD, sondern auch die Christdemokraten für deren Position im Streit um die Netze. Wie berichtet, hatte die CDU vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht gegen den Volksentscheid Klage eingereicht, weil der Einfluss auf den Haushalt nehme. "Es gibt wohl keinen Volksentscheid, der nicht haushaltsrelevant ist." Den vom Senat vorgetragenen Einfluss auf die Energiewende stritt sie vehement ab. "Der Einfluss bei einer Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent geht gleich null. Dafür haben die Energiekonzerne einen dreistelligen Millionenbetrag erhalten."