Verfolgte Iranerin landet in umstrittener Zeltstadt in Hamburg. Deutlich mehr Antragsteller

Hamburg. Laleh* steht unter Schock. Die 33 Jahre alte Iranerin war in der vergangenen Woche geschäftlich in Deutschland, als sie plötzlich eine Nachricht von ihrer Mutter erhielt. "Zu Hause werde nach mir gefahndet und ich sei in Gefahr", erinnert sich die adrett gekleidete Frau an das Gespräch. In ihrem Blick spiegelt sich Verzweiflung wider. Aus der Dolmetscherin und Frauenrechtlerin ist von einem Tag auf den anderen ein Flüchtling geworden - ohne Zuhause, ohne Perspektive. Ihr Schicksal liegt nun in der Hand der Stadt Hamburg.

Obwohl neu ankommende Flüchtlinge in Hamburg seit mehr als einer Woche nur noch in Zelten untergebracht werden können, schickt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiter Asylbewerber aus anderen Bundesländern in die Hansestadt. So wurde Laleh am Wochenende aus einem Gemeinschaftszimmer in Bremen in die Zeltstadt nach Hamburg verlegt. "Wir sind aus Berlin hierhergeschickt worden", berichtet eine andere junge Frau, die zusammen mit ihren drei Kindern und ihrem Mann aus Bosnien geflohen ist.

Grund für die Verlegung innerhalb Deutschlands ist ein Verteilungsschlüssel, wonach die Länder einen festgelegten Anteil aller Flüchtlinge aufnehmen müssen. Seit Juli steigt die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland stark an. Allein in Hamburg gingen im September 305 Asylanträge ein - ein Jahr zuvor waren es nur halb so viele.

"Mit einem solchen Ansturm haben wir nicht gerechnet", sagt der Leiter der Hamburger Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge, Carsten Mahlke. Deshalb wurden vor dem Haus Großraumzelte für jeweils 20 oder 40 Flüchtlinge errichtet. Zwischen den spartanischen Doppelbetten, die anstelle einer Matratze nur mit Plastikfolie bespannt sind, ist kaum Platz. Über dicke gelbe Schläuche wird warme Luft in die Behausung gepustet.

"Das zeigt man nicht gerne", sagt Mahlke, während er durch die kleine Zeltstadt führt. Die Situation bedrückt ihn. "Wir tun, was wir können", sagt er und erzählt von einer Spielzeug-Sammelaktion für die Flüchtlingskinder. Derweil sucht die Innenbehörde nach einer Lösung: "Wir haben geeignete Objekte im Blick und stehen in Verhandlungen", sagt Sprecher Frank Reschreiter. Die Opposition wirft dem Senat Kalkül vor: "Aus meiner Sicht sind die Zelte nicht eine Fehlplanung der Verwaltung, sondern Methode", sagt die Grüne Antje Möller. Flüchtlinge sollten damit abgeschreckt werden.

Von Ablehnung hat Laleh noch nichts bemerkt: "Die Menschen hier sind alle sehr, sehr freundlich zu mir und helfen", sagt sie und wirkt dabei nicht so, als ob sie sich genötigt fühlt, das zu sagen. Doch auch bei aller Fürsorge birgt die Unterkunft in dem Zelt Gefahren. "Mein zweijähriger Sohn hat sich kurz nach unserer Ankunft schon bei kranken Mitbewohnern angesteckt, und heute Morgen hat der Fünfjährige angefangen zu spucken", erzählt die bosnische Mutter sorgenvoll.

In ihrer Heimat hat die Mutter keine Zukunft mehr für sich und ihre Familie gesehen: "Wir Roma werden da unten diskriminiert und haben keine Möglichkeit zu arbeiten", berichtet die junge Mutter. Die meisten Flüchtlinge, die seit Juli in Hamburg aufschlagen, sind Roma aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. "Viele von ihnen erzählen, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen hierherkommen", sagt Mahlke. (* Name geändert)