Kriterien sollen in allen Bezirken gleich sein. Familien klagen im Sonderausschuss Chantal: Pflicht zum Drogentest führt zu falschem Bild

Hamburg. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat sich am Rande des Sonderausschusses zum Fall Chantal für eine einheitliche Regelung zur Auswahl von Pflegeeltern ausgesprochen. Bislang habe jeder Bezirk eigene Kriterien aufgestellt. Künftig soll in jedem einzelnen Fall der Pflegekinderdienst darüber entscheiden, ob sich Eltern als Pflegeeltern eignen. Gleichzeitig machte Scheele gestern Abend deutlich, dass freie Träger nach wie vor ein wichtiger Bestandteil im Pflegekinderwesen seien. Sie sollen sich um die Akquise und die Schulung geeigneter Familien kümmern. Der Staat müsse aber die letzte Instanz bleiben.

Im Fall Chantal hatte sich herausgestellt, dass es niemals zu dem Pflegschaftsverhältnis hätte kommen dürfen. Die Mitarbeiter des Jugendamts Wilhelmsburg kannten die schwierigen Lebensverhältnisse der Pflegeeltern und die Vernachlässigung der Kinder. So heißt es etwa im Bericht der Innenrevision wörtlich: "Dem Jugendamt waren die Familienverhältnisse, die Drogenabhängigkeiten der Pflegeeltern, der Wohnungszustand (...) bekannt."

In einer vorläufigen Fachanweisung hatte Scheele kurz nach dem Methadon-Tod des elfjährigen Mädchens Drogentests für Mitglieder von Pflegefamilien angeordnet. Im Sonderausschuss beklagten Pflegeeltern gestern, dass diese Maßnahme zu einem negativen Bild von Pflegefamilien in der Öffentlichkeit geführt habe. "Es entstand der Verdacht, dass wir drogensüchtig und verwahrlost seien", sagte ein Pflegevater. Scheele machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass er an einem Konsens für eine dauerhafte Anweisung festhalte. So solle geklärt werden, von welchem Alter an Drogentests durchgeführt werden müssen. Ebenso sollen etwa die Großeltern, die Geld für die Pflegschaft ihrer Enkel erhalten, künftig genauso geprüft werden wie jede andere Pflegefamilie auch.

Chantal war im Januar an einer Methadonvergiftung gestorben. Der Drogenersatzstoff stammte von ihren Pflegeeltern, die das Methadon ungesichert aufbewahrten. Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Die damalige Jugendamtsleiterin und der Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte, Markus Schreiber (SPD), mussten deshalb gehen. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen fahrlässiger Tötung sowie der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegen die Pflegeeltern erhoben. Ermittlungen laufen auch gegen fünf Mitarbeiter des Jugendamts sowie eine Sozialarbeiterin eines freien Trägers wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgepflicht.