Täter erstach seine “Zweitfrau“ auf der Hochzeit ihrer Schwester. Er fühlte sich verhöhnt

Bramfeld. 16 Jahre und zwei Monate nach der Bluttat auf dem schmucklosen Parkplatz an der Haldesdorfer Straße, einer Tat, deren Ursprung vermutlich in verletztem Ehrgefühl zu suchen ist, muss sich der mutmaßliche Täter seit gestern vor dem Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Omar R. vor, am 12. Juli 1996 seine damalige "Zweitfrau" Majidi M. mit mehreren Messerstichen getötet zu haben. Die Tat geschah, als die Schwester des Opfers Hochzeit feierte und vor den Augen ihrer feierlich gekleideten Familie. Jahrelang lebte der nun angeklagte Afghane danach verdeckt im Ausland.

250 Gäste, Afghanen wie das Opfer und der mutmaßliche Täter, hatten sich in der Music-Hall an der Haldesdorfer Straße eingefunden, um den größten Tag im Leben des Brautpaares zu feiern. Majidi M. saß mit in der schwarzen Mercedes-Limousine, die Braut und Bräutigam zum Ort der geplanten Feier brachte. Als sie aus dem Wagen ausstieg, soll Omar R., ein stämmiger Mann mit kurz geschorenen Haaren, aus einem Gebüsch getreten sein und mit einem Messer mehrfach auf die Brautschwester eingestochen haben. Aus niedrigen Beweggründen, wie die Staatsanwaltschaft sagt, aus einem Gefühl der verletzten Ehre heraus und von hinten, ohne Vorwarnung, also heimtückisch. Der Angeklagte selbst lässt seine Anwälte verlesen, dass er keineswegs absichtsvoll gehandelt habe.

Um zu verstehen, wie er zum Messer greifen konnte, sei es wichtig, die gesamte Vorgeschichte des Falles zu kennen, sagt einer der beiden Verteidiger. Majidi M. sei, genau wie ihre Schwester, in seinem florierenden Einzelhandelsgeschäft in Zwickau beschäftigt gewesen. Zuerst sei alles gut gewesen, dann sei ihm, dem Angeklagten, aufgefallen, dass Geld und Gold fehlen würden. Insgesamt sei es um Werte von rund 50 000 Euro gegangen. Dann habe sich seine junge Frau von ihm getrennt, die Familie habe sich fortwährend über ihn lustig gemacht. Kurz vor der anberaumten Hochzeit in Bramfeld habe ihn noch ein Mitglied der Familie M. angerufen und gesagt: "Wir feiern Hochzeit - mit deinem Geld!" Über den Vater des Chauffeurs, so steht es in der Erklärung des Angeklagten, habe er dann schließlich erfahren, wann und wo das Fest stattfinden solle: Das war das Todesurteil für Majidi M.

Nach der Tat war Omar R. nach Afghanistan geflohen. Seine Spur verlor sich. Bis zum Jahr 2002, als der Gesuchte im Büro des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in der usbekischen Hauptstadt Taschkent auftauchte.

Zu einer Auslieferung kam es dennoch nicht. Im Jahr 2011, als das UNHCR ihn nach Schweden überstellte, sahen die Zielfahnder der Hamburger Polizei ihre Chance gekommen: Da Schweden zum Bereich des Schengener Abkommens gehört, das die Auslieferung gesuchter Verdächtiger regelt, baten die Hamburger Polizisten ihre schwedischen Kollegen um Amtshilfe. Im beschaulichen Ostsee-Örtchen Njurunda nahmen Polizisten ihn in Haft.

Vor der Großen Strafkammer 21 muss sich der mittlerweile 56-Jährige bis voraussichtlich Ende des Monats an sieben Verhandlungstagen verantworten. Die entscheidende Frage für das Gericht - und somit die Zukunft des Angeklagten: War es heimtückischer Mord oder ein Totschlag im Affekt, wie die Verteidiger es darstellen. Heute wollen die Eltern der getöteten Majidi M. aussagen. Sie sitzen als Nebenkläger mit im Gerichtssaal.