Seit mehr als drei Jahrzehnten fördert Dörte Inselmann kreatives Eigenleben im Osten der Stadt. Nun ist ein Ausbau geplant.

Hamburg. Schon mit 15 engagierte sich Dörte Inselmann für Kinder und Jugendliche in Billstedt - erst drei Jahre lang in der Gemeinde der Kreuzkirche, seit 1979 im von ihr mitbegründeten "Kulturpalast". Damals war der Name ironisch gemeint, handelte es sich doch um einen 70-Quadratmeter-Raum in einem heruntergekommenen Haus. 1992, nach langem Ringen mit der Stadt, wurde dem Verein das ehemalige Wasserwerk am Öjendorfer Weg zur Verfügung gestellt. Das historische Gebäude hat sich durch das Engagement der Kulturmanagerin im Laufe der Zeit tatsächlich zu einem wahren Palast entwickelt. Mit einer Strahlkraft, die weit über den Stadtteil hinausreicht.

Zwei Ideen der mittlerweile 51-Jährigen haben sich zu einzigartigen, hamburgweiten Integrationsmodellen entwickelt: die "Klangstrolche", ein äußerst erfolgreiches Projekt zur musikalischen Früherziehung an mittlerweile 48 Kitas, das nachweislich zu mehr Konzentration und Sprachgewandtheit führt. Und die mehrfach preisgekrönte "HipHop Academy", bei der Jugendliche zu professionellen Bühnenstars ausgebildet werden, die Nachwuchsrapper traten schon in den Fliegenden Bauten, auf Kampnagel und bei der Expo in Shanghai auf. Außerdem ist der Kulturpalast Heimat für 40 verschiedene Musik- und Kulturgruppen, die hier proben und Aufführungen zum Besten geben, darunter russische Rockmusiker, orientalische Bauchtänzer, afghanische Autoren, vietnamesische Drachentänzer, die Sambaschule, die Liedertafel Schiffbek und der Concento-Chor.

"Wir platzen mittlerweile aus allen Nähten", sagt Dörte Inselmann, ein Hauch von Stolz liegt dabei in ihrer Stimme. "Unsere Besucherzahlen haben sich in den letzten fünf Jahren verdreifacht - von 60.000 auf mehr als 188 000 pro Jahr." Die Kulturmanagerin sitzt in ihrem Arbeitszimmer, ganz oben unter dem Dach des vierstöckigen Altbaus. Sie verlässt ihren Schreibtisch, tritt ans Fenster und weist auf den Parkplatz vor dem Haus. "Hier soll unser Erweiterungsbau entstehen", sagt sie. Mehrere Stockwerke hoch, mit einer Nutzfläche von 1600 Quadratmetern, soll der moderne Glasbau den Kulturpalast mit einem weiteren Altbau auf dem Grundstück verbinden. Gegen den künftigen Kulturpalast im XXL-Format wird der jetzige im Nachhinein wie eine Villa wirken.

Noch kämpft Dörte Inselmann um die Finanzierung des Verbindungsbaus. Von den rund vier Millionen Euro sind erst zwei Drittel gesichert - sie werden aus unterschiedlichen Töpfen der Stadt bezahlt, Olaf Scholz hat weitere Unterstützung zugesagt. "Wir versuchen, die letzte Finanzierungslücke mithilfe von Fundraising, einer Kreditaufnahme und Spenden zu schließen", sagt Dörte Inselmann gelassen, dabei ist ihre Ungeduld groß. "Ich möchte endlich einmal hier, im Kulturpalast, eine unserer Produktionen zeigen." Wenn die Klangstrolche oder das Ensemble der HipHop Academy auftreten, müssen sie bislang Theaterbühnen nutzen. Die hauseigenen Veranstaltungsflächen - die ehemalige Pumphalle sowie der Musikklub Bambi galore im ehemaligen Wasserbunker - bieten dafür nicht ausreichend Platz. Trotzdem werden die beiden Bühnen oft frequentiert. "In der Pumphalle wird etwa fünfmal am Tag umgebaut, weil hier so viele Veranstaltungen stattfinden", sagt Dörte Inselmann, "und im Bambi galore gibt es regelmäßig Konzerte, zu denen Menschen aus Billstedt und der ganzen Stadt kommen."

Die große Resonanz freut sie, besonders wenn es sich bei den Darbietern um Kinder und Jugendliche aus Billstedt handelt. "In diesem Stadtteil stecken so viele Potenziale", sagt sie. "Man muss sie nur verstärken und sichtbar machen." Genau das versteht sie als ihren Auftrag: Programme zu initiieren, mit denen sich junge Menschen an der Gestaltung einer internationalen Stadtgesellschaft beteiligen können. "Kultiplizieren" nennt sie das. Das publik zu machen ist kein leichtes Unterfangen bei 110 000 Einwohnern, von denen mehr als die Hälfte einen Migrationshintergrund hat und manche in vierter Generation arbeitslos sind. "Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir die Menschen aufmerksam machen können", sagt Dörte Inselmann. Deshalb hat sie "Marken" entwickelt - Bambi galore, HipHop Academy, Klangstrolche und natürlich die "BilleVue", ein großes Straßenfest mit mehr als 1000 Bühnen-Akteuren. "Damit", sagt sie, "erreichen wir wirklich jeden Zipfel von Billstedt." Bei allen Veranstaltungen ist ihre Rolle die der Intendanz, sie achtet auf Qualität und übernimmt Management und Organisation. Dabei hilft ihr ein Heer von Mitarbeitern: 15 feste und 80 freie, außerdem 250 Ehrenamtliche und über 90 Kooperationspartner in ganz Hamburg.

Der Kulturpalast bildet sogar aus: 15 Azubis erlernen hier Berufe wie Bürokaufmann oder Veranstaltungstechniker. Die Einrichtung finanziert sich zu mehr als 50 Prozent selber, unterstützt durch Spenden und Stiftungen, aber auch durch Eintrittsgelder und Vermietungen von Räumen und Know-how - etwa das Moderieren von Shows und Ausrichten von Festivals. "Unser Umsatz beträgt etwa 1,6 Millionen Euro im Jahr", sagt Dörte Inselmann. Darin enthalten sind die öffentlichen Förderungen für die Klangstrolche (knapp 340 000 Euro), die HipHop Academy (460 000 Euro) und viele Spenden. Trotzdem ist das Geld immer knapp. Um künftig mit mehr Renommee auftreten zu können, gründet Dörte Inselmann jetzt eine Stiftung - mit prominenten Unterstützern wie Bauunternehmer Stefan Wulff und Medienunternehmer Frank Otto. "Wir möchten erreichen, dass unsere Modelle für Kulturförderung und Bildungsgerechtigkeit in ganz Hamburg verwendet werden", sagt Dörte Inselmann, "sodass auch Kinder und Jugendliche aus Randgebieten daran teilhaben können."