Bei 587 Veranstaltungen in Hamburg feierten 85.000 Menschen gemeinsam die achte “Nacht der Kirchen“ - darunter besonders viele Jugendliche.

Hamburg. Mit zögernden Schritten ist sie über den roten Teppich gegangen, vorbei an den brennenden Kerzen. Dann steht Kimberly im hohen Kirchenraum der Epiphaniengemeinde in Winterhude. "Ich wollte nur mal gucken", sagt die 13-Jährige, die sonst nicht so oft mit Kirche zu tun hat - aber viele Fragen an das Leben. Gleich an der Tür hat ihr jemand einen kleinen Button in die Hand gedrückt. "Wunderbar" steht darauf.

Es ist kurz nach 18 Uhr, leise Musik setzt ein. Und das Stimmengewirr verstummt. Vorn auf den Stufen zum Altar steht jetzt Theresa. "Gott hat uns wunderbar geschaffen", sagt die Studentin, die gemeinsam mit ihrer Schwester Julia für die Andacht zuständig ist, inspiriert durch Psalm 139. Um die beiden herum sitzen etwa 100 Jugendliche. Einige haben es sich auch in den Kissen auf dem Boden gemütlich gemacht. Es ist Nacht der Kirchen, es ist ihre Nacht.

"Die Gemeinschaft ist wichtig", sagen Sarah und Esther, die die Jugendnacht in Epiphanien mit vorbereitet haben. Seit mehreren Jahren engagieren sich die Freundinnen in der Kirche. An diesem Abend wollen sie zusammen mit anderen tanzen, singen, beten. Es gibt Workshops und Aktionsecken rund um das Kirchennachtsmotto "Wunderbar" und eine Psalm-Werkstatt. Dennis ist sogar aus Wilhelmsburg gekommen, um dabei zu sein. Warum? "Das ist schwer zu beschreiben", sagt der 18-Jährige, der eine Ausbildung zum Straßenbauer macht. "Kirche ist ein Ausgleich für mich, sie gibt mir Halt."

85 000 Menschen, so viel wie noch nie, haben überall in der Stadt die achte Nacht der Kirchen gefeiert. 130 Gotteshäuser hatten ihre Pforten geöffnet, um Kirche und Glauben einmal anders erfahrbar zu machen. Es gab 587 Veranstaltungen - vom NDR-Bigband-Konzert im Mariendom über die umjubelte Premiere des Musicals "10 nach 10 = 20 Lieder für ein Halleluja" in der Heilands...kirche auf der Uhlenhorst bis zur Schöpfungsgeschichte auf Platt in der Adventgemeinde Grindelberg - insgesamt 672 Stunden Programm. "Die Atmosphäre ist ganz besonders. Das groovt", sagen Anna, Melissa, Finja und Jenny vor der Open-Air-Bühne am Mönckebergbrunnen. Es ist, als habe sich mitten in der Stadt eine kleine Oase im hektischen Einkaufsgewühl geöffnet. Viele Passanten bleiben stehen, stellen die Taschen ab und lassen sich mitreißen, als die Jugendlichen von Gospeltrain singen - "Make My Day".

Aber nicht nur in der City und in den Hauptkirchen feiern die Menschen, auch in vielen Stadtteilkirchen, egal, ob evangelisch, katholisch oder freikirchlich kommen die Menschen zusammen. Und vor allem die jungen sind unterwegs. "Es sind einige da, die sonst nicht kommen", sagt Babak Keshtkavan, Vikar an der Christengemeinde Elim. Am Eingang in den großen Saal an der Bostelreihe in Barmbek-Süd stehen die Jugendliche Spalier und begrüßen jeden Besucher mit Klatschen. "Come come, let us workship god", steht auf der großen Leinwand hinter der Bühne, auf die Musiker von Youth Alive International stehen. "Komm, komm, lass uns Jesus dienen." Die meisten der 200 jungen Leute aus vielen Nationen singen mit. Anna aus Wandsbek kommt jede Woche zum Jugendgottesdienst. "Wir sind hier eine echte Gemeinschaft, aber heute ist es etwas Besonderes", sagt die 23-Jährige. "Wir feiern, wie wunderbar Gott ist, der alles so wunderbar geschaffen hat und so einzigartig."

Die Nacht der Kirchen ist auch die Nacht der Jugendlichen in der Kirche. Theresa zum Beispiel ist zum ersten Mal dabei. Zusammen mit ihrer Freundin Laura ist sie in die Jugendkirche in Flottbek gekommen. Drei Bands treten beim Soundfish-Festival auf, dazwischen gibt es geistliche Reflexionen. "Eigentlich bin ich wegen der Musik gekommen", sagt die 14-Jährige. "Aber ich finde es so gut hier, dass ich mir vorstellen kann, auch mal zum Gottesdienst zu kommen." So ist auch Dominik im ehrenamtlichen Team um Jugendpastor Robert Zeidler gelandet. "In der Schule werde ich häufig geärgert, hier fühle ich mich angenommen."

In die Epiphanienkirche in Winterhude strömen noch den ganzen Abend Jugendliche. Ziemlich in der Mitte haben Sarah, Esther und die anderen einen Thron aufgebaut. Viele haben sich in dieser draufgesetzt und fotografieren lassen. "Kirche ist eben nicht nur ein Ort, der heilig ist", sagt Jugenddiakonin Sandra Köpcke. "Es ist ein Raum, der lebt, an dem man sich ausprobieren und wunderbar fühlen kann." Und vielleicht auch einige Antworten bekommt.