250. Hamburger Presserunde: Moderator Karl Günther Barth übergibt an Vanessa Seifert

Hamburg. Zu Kindern, die unter besonders schmerzhaften Umständen geboren werden, pflegen Eltern angeblich eine besonders innige Beziehung. Beweisen lässt sich das nicht wirklich, aber es ist eine schöne Metapher für das Jubiläum, das am Sonntagabend um 21.45 Uhr gefeiert wird: Dann strahlt der Fernsehsender Hamburg 1 die 250. "Hamburger Presserunde" aus - und deren Geburt war zumindest für den Vater des Formats, Karl Günther Barth, ein eher traumatisches Erlebnis. "Die erste Sendung war die schlimmste. Danach wollte ich schon hinschmeißen", erinnert sich der 63-Jährige, der die Moderation der Sendung jetzt an seine Kollegin Vanessa Seifert übergibt.

Rückblick: 2005 entwickelte Hamburg 1 die Idee, Journalisten über Politik diskutieren zu lassen, moderiert vom stellvertretenden Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Karl Günther Barth, seinerzeit zugleich Chef der Lokalredaktion. "KGB", wie er von vielen Freunden und Kollegen angesprochen wird, galt und gilt als einer der besten Kenner der Hamburger Politik, er war in Führungspositionen bei "Bild" und dem Kölner "Express" und Autor des "Sterns", aber Erfahrungen als Moderator hatte er keine. Und so sprang er am 9. Oktober 2005 ins kalte Wasser.

"Guten Abend. Herzlich willkommen zur ,Hamburger Presserunde'." Die bis heute unveränderte Begrüßung klappte noch relativ reibungslos, doch danach kam die Diskussion nicht wie erhofft in Gang. "Ich habe Blut und Wasser geschwitzt", weiß Barth noch heute. Teilnehmern der Runde erging es nicht viel anders: "Das wird nie was", orakelten einige. Weit gefehlt. Es wurde, und wie. Von seiner Ehefrau und dem damaligen Abendblatt-Chefredakteur Menso Heyl zum Durchhalten ermutigt, setzte sich Barth zunächst 25 Sendungen als Ziel. "Dann fing es an, Spaß zu machen." Auch den Zuschauern. Nicht nur bei vielen Politikern und Medienschaffenden ist der Sonntagabend fest geblockt. Manche sprechen gar von einer Kultsendung.

"Die Presserunde ist für mich ein fester Bestandteil des Sonntagabend-Programms", sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. "Für uns Politiker ist es gut zu wissen, was über uns gedacht wird - ich freue mich schon auf die nächsten 250 Sendungen." CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich sieht es ähnlich: "Für mich ist es spannend zu sehen, wie Journalisten denken und wie sie miteinander reden", sagt der frühere Sozialsenator und räumt ein: "Wir als Politiker dürften ja nicht so reden."

Wie man reden "darf", hat Barth nie sonderlich geschert. Dass sein "Kind" "Presserunde" es so weit gebracht hat, hat auch mit seinem Hang zu deutlichen Worten zu tun: "Ich wollte nie ein TV-Mensch sein. Ich gebe mich vor der Kamera nicht anders als sonst." Wozu auch gehört, die Gäste ausreden zu lassen. In der oft hysterischen und künstlichen TV-Welt eine ungewöhnliche Attitüde - die bei den im Schnitt 30 000 Zuschauern ankommt. "KGB ist überraschend, er ist anders", so Hamburg-1-Chefredakteur Michael Schmidt. "Er ist nicht der Typ, der ein Moderatoren-Casting gewinnen würde, aber genau das macht ihn aus. Er ist ein besonderer Moderator, dem man gerne zuhört."

Einmal wurde Barth sogar selbst Thema der Sendung - als herauskam, dass der BND ihn und andere Journalisten bespitzelt hatte. Da übernahm Schmidt die Moderation, und Barth diskutierte selbst mit. Vertreten hat ihn sonst nur Uwe Bahnsen ("Die Welt"). "Er ist einer der klügsten Beobachter der Landespolitik", sagt Barth über seinen Weggefährten. Dank seiner guten Kontakte erweiterte er die Sendung thematisch und mit Blick auf die Gäste. Mittlerweile diskutieren auch Kollegen vom "Spiegel" und der "Süddeutschen Zeitung" über EHEC oder Sterbehilfe.

Der Vorschlag, dass Vanessa Seifert die "Presserunde" übernehmen soll, kam von Barth selbst. "Ich habe mich gefragt, wer die Sendung weiterentwickeln kann - und bei ihr bin ich mir sicher, dass sie es schafft." Die erfahrene Abendblatt-Redakteurin will an dem Konzept festhalten, Journalisten über Hamburger Themen diskutieren zu lassen. "Darüber hinaus werden wir zu jeder Sendung auch einen Experten einladen, der die Debatte fachlich bereichern kann", sagt die 31-Jährige. Dass es dabei so richtig kracht, ist nicht das Ziel, kann aber vorkommen. "Einmal haben wir über organisierte Kriminalität diskutiert, als es plötzlich knallte", erinnert sich Barth. "Wir dachten an einen Schuss und zuckten zusammen. Aber es war nur eine Lampe explodiert." Sie ist mittlerweile repariert und setzt künftig Vanessa Seifert und Gäste ins Licht.

In seiner Abschiedssendung am Sonntag, 21.45 Uhr, fragt Karl Günther Barth: "Wird Hamburg ordentlich regiert?" Seine Gäste sind Christian Kersting ("Bild Hamburg"), Jürgen Heuer (NDR), Sven-Michael Veit ("taz") und Peter Ulrich Meyer (Abendblatt).