Neue Wohnhäuser mit zehn oder mehr Stockwerken? Bürgermeister Olaf Scholz trifft mit “Big City“-Idee auf positive Resonanz in den Bezirken

Hamburg. Jetzt kommt Bewegung in die (Chef-)Sache: Erst Anfang Juli hatten sich alle sieben Bezirke und der Senat im "Vertrag für Hamburg" verpflichtet, pro Jahr 6000 Wohnungen (davon 2000 sozial gefördert) zu bauen. Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, will Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nun an der Geschosszahl der Wohnhäuser in den zentralen Hamburger Vierteln ansetzen. Bislang galten dort seit dem 19. Jahrhundert vier oder fünf Etagen als Obergrenze. Nun könnten selbst Wohnhäuser mit zehn oder mehr Stockwerken entstehen, zumindest werden solche Möglichkeiten schon jetzt eifrig erörtert - wie etwa im Internetblog eines Immobilienunternehmens.

Obgleich er seine Vorstellungen noch nicht weiter konkretisiert hat, stößt Scholz bei den Bezirksamtsleitern schon jetzt auf offene Ohren: Sie verstehen seinen Vorstoß als nicht allzu kühne, eher pragmatische Vision und ersten Diskussionsentwurf für Hamburgs Zukunft.

Potenzial für mehr Höhenmeter bieten beispielsweise die Stadtteile St. Georg, Wilhelmsburg oder Horn, sagt Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD). Die nach dem Krieg vorherrschende Einstellung, Wohnraum vor allem in der Breite zu schaffen, sei überholt. "Wir haben viele Bauten aus den 50er- und 60er-Jahren, die kann man durchaus, wenn es sich anbietet, auf sechs Geschosse ziehen", sagt Schreiber. Positiver Effekt: Baukosten und Mieten würden sinken, da sich die Kosten auf mehr Menschen in einem Haus verteilen. Der Bau von Hochhäusern sei allerdings in jedem Fall sensibel zu prüfen. "Aber wenn ein Neubau gut in die Viertel-Struktur passt, warum nicht?", sagt Schreiber. Tabu sind Bereiche, die Hamburgs Silhouette prägen. So gelte der Blick von der Lombardsbrücke über die Binnenalster als "heilig", so Schreiber. Innerhalb des Inneren Wallrings werde man "keine Höhenveränderungen vornehmen".

Etwas verhaltener kommentiert Wolfgang Kopitzsch (SPD), Leiter des Bezirksamts Nord, die Vision des Bürgermeisters. "Man sollte sich jetzt nicht allein auf die Frage der Höhe kaprizieren." Entscheidend sei doch, wie sich eine höhere Bebauung ins Stadtbild einfügt, zumal "die Silhouette durch die Hauptkirchen und den Rathausturm geprägt wird". Im Bezirk Nord gibt es viergeschossige Häuser und Hochhäuser vor allem entlang der Hamburger Straße und in der City Nord - dort seien Wohnhäuser mit mehr als vier Geschossen denkbar, sagte Kopitzsch. "Und angesichts der immer knapper werdenden Ressource Boden wird man darüber nachdenken müssen." Wer bezahlbaren Wohnraum verlange, der müsse bereit sein, sich auf solche "Kompromisse" einzulassen. "Wenn unsere Stadt weiter wachsen soll und die Menschen nicht nur hier arbeiten, sondern auch leben und Steuern bezahlen sollen, dann müssen die Bürger zu Kompromissen bereit sein - auch vor der eigenen Tür."

Wo sich Hamburg gen Himmel strecken wird, darüber wird künftig verstärkt in den politischen Gremien gestritten werden. SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote hat bereits einige Wohnquartiere im Auge: "Etwa die Wohnhäuser aus den 50er- und 60er-Jahren an Ausfallstraßen wie Wandsbeker Chaussee, Hamburger Straße oder Lübecker Straße kämen für Aufstockungen infrage."

Ausfallstraßen sind auch für den Eimsbütteler Bezirkschef Torsten Sevecke (SPD) geeignete Kandidaten für eine "Verdichtung nach oben", eventuell sei dort "mehr Höhe" vorstellbar. Das urbane Bild von Eimsbüttel werde allerdings schon jetzt von vier- bis fünfgeschossigen Gebäuden geprägt. Und überhaupt: "Die hier geforderten 700 Wohneinheiten pro Jahr werden wir hinbekommen", sagte Sevecke.

Auch die Bezirke Harburg und Wandsbek sind auf Scholz-Linie. "Eine sehr charmante Idee", sagt Wandsbeks Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD). Gleichwohl sei Wandsbek außen vor. "Wir haben hier eine sehr gewachsene Struktur, keine Flächen, wo eine höhere Bebauung stattfinden könnte - mal abgesehen vom Wandsbeker Tor, wo wir vielleicht noch höher gehen könnten." Dabei handelt es sich um ein seit Jahren geplantes Hochhaus-Projekt an der Wandsbeker Chaussee. Der Stadtteil Jenfeld wiederum verfüge über ein eigenes, mit der Bevölkerung abgestimmtes Hochhausprogramm.