Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat das neue Konzept vorgestellt. Einzelfallbetreuung wird Ausnahme. Mehr Geld für Sozialarbeiter.

Hamburg. Das System der Familienhilfen in Hamburg wird grundlegend reformiert. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat gestern ein Konzept vorgestellt, das vor allem ein Ziel hat: den enormen Anstieg der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (HzE) zu bremsen. "Wir sparen nicht", betonte Scheele. Er gehe sogar von weiter steigenden Ausgaben aus, wolle aber die Kostenexplosion - allein seit 2001 von jährlich 130 auf 230 Millionen Euro - aufhalten.

Die Ziele des Senats: Allen Eltern, die Hilfe benötigen, soll sie schon von der Schwangerschaft oder spätestens der Geburt an gewährt werden, zum Beispiel durch Hebammen. Als "zentraler Erfolgsindikator" wird angesehen, dass die Kinder später gut in die "Regelsysteme" wie Kindergarten und Schule integriert werden. Wenn doch Hilfen nötig sind, gilt das Gebot: "Umsteuerung aller geeigneten Fälle in sozialräumliche Angebote" wie Mutter-Kind-Zentren, Jugendzentren oder Frauenhäuser. Die klassische - und teure - Einzelfallhilfe, bei der ein Sozialarbeiter die Betroffenen zu Hause aufsucht, soll die Ausnahme werden. Hilfe solle künftig "grundsätzlich nicht ... innerhalb der Familienwohnung stattfinden", heißt es. Eltern, die Hilfe für sich selbst oder ihre Kinder verweigern, werden "nötigenfalls" vor das Familiengericht zitiert.

Scheele will zudem die 450 Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) in den Bezirken stärken. Sie hätten oft in kürzester Zeit die schwere Entscheidung zu treffen, ob jemand Hilfe bekomme und welche. Dafür brauche es erfahrene Mitarbeiter, die ordentlich bezahlt werden. Weil die Fluktuation zu hoch ist, werden Berufseinsteiger beim ASD künftig mit E10 (2553 Euro brutto) statt mit E9 (2256 Euro) besoldet. Mehrkosten: 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Den Personalmangel beim ASD, den Gewerkschaften oft beklagen, sieht der Senator hingegen nicht. Der Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung soll nicht mehr abgeschafft werden, sagte Scheele. In einem früheren Papier der Sozialbehörde, das auf Bundesebene kursierte, war das noch als Option genannt worden.

Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW), deren Mitglieder wie Diakonie oder Caritas die allermeisten Hilfsmaßnahmen anbieten, sind skeptisch. Zwar unterstützten sie viele Pläne der Sozialbehörde wie die bessere Anbindung der Hilfen an Schulen und Kitas. "Entscheidend sei aber das Zusammenspiel zwischen Familie, ASD und Jugendhilfeträgern. "Hier liegt der Schlüssel für eine wirksame Optimierung der Hilfe für die Familien", so AGFW-Geschäftsführer Michael Edele. Diakonie-Vorstandsmitglied Gabi Brasch verwies auf die gestiegene Aufmerksamkeit beim Kinderschutz als Grund für die Kostensteigerungen: "Familien und Kinder, die in Not sind, müssen auch in Zukunft die passende Hilfe bekommen. Sie dürfen auf keinen Fall nachrangig gegenüber Angeboten der Gruppenarbeit behandelt werden."

In die gleiche Kerbe schlug GAL-Jugendexpertin Christiane Blömeke: Den Kostenanstieg bei den Hilfen zu begrenzen sei richtig. Aber der Senat stelle die Hilfeplanung "auf den Kopf". Der Vorrang günstigerer Gruppenangebote vor Einzelfallhilfen sei "die Hintertür, durch die die SPD den Rechtsanspruch faktisch abschafft".