Britta Ernst, Frau des Bürgermeisters Olaf Scholz, verlässt Hamburg, um in Berlin Politik für die SPD zu machen

Altona. Umziehen wird sie nicht. Keine Wohnung suchen, keinen Möbelwagen bestellen, keine Kartons packen. "Wir haben ja schon eine Wohnung in Berlin", sagt Britta Ernst. Bis Ende vergangenen Jahres war es ihr Mann Olaf Scholz, der als Bundestagsabgeordneter zwischen Hamburg und Berlin pendelte. Jetzt ist er Bürgermeister, und nun wird seine Frau zwischen den beiden großen Städten unterwegs sein.

Ein Stabwechsel, wie am Reißbrett geplant. In ein paar Tagen, am 1. September, tritt Britta Ernst eine neue Position in der Geschäftsstelle der SPD-Bundestagsfraktion an. "Ich freue mich auf Berlin, aber es ist auch Wehmut dabei", sagt sie. Denn auch wenn sie an Wochenenden und manchmal auch zwischendurch in Hamburg sein wird, der Job in der Hauptstadt ist eine große Veränderung. "Meine aktive Zeit in der Hamburger Politik ist vorbei, da endet was." In den vergangenen zwei Wochen war sie auf Abschiedstour. Heute ist ihr letzter Sitzungstag in der Bürgerschaft.

Anlass für ein Gespräch mit der SPD-Politikerin, die auch die Frau des Bürgermeisters ist. Britta Ernst sitzt in einem Café an der Großen Bergstraße, nicht weit von ihrer Altonaer Wohnung entfernt, und bestellt Pfefferminztee. Entspannt sieht sie aus in nachtblauem Jackett und Jeans, die Sommerbräune des Wanderurlaubs mit ihrem Mann in Südtirol noch im Gesicht. Vor nicht allzu langer Zeit hätte sie wohl auf ein Treffen im Rathaus bestanden, aber ihr Büro als parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion hat sie längst an ihren Nachfolger übergeben.

Auch aus dem laufenden Politikbetrieb hat sie sich fast vollständig herausgezogen. Die kämpferische Sozialdemokratin, die in vorherigen Legislaturperioden die Senate mit unzähligen Großen und Kleinen Anfragen überschüttet hat, stellte seit März keine einzige. Weil ihr Mann jetzt Senatspräses ist? "Nein." Entrüstet schüttelt Britta Ernst den Kopf. "Ich bin nicht mehr so tief in die Facharbeit eingestiegen, weil ich wusste, dass ich gehe." Die vergangenen Monate hat sie zum Durchatmen genutzt. Und wohl auch gebraucht.

Denn so sehr sie sich über den Sieg ihres Mannes bei der Bürgerschaftswahl im Februar gefreut hat, sie selbst hat das in eine schwierige Lage gebracht. Als Bürgerschaftsabgeordnete, die die Arbeit der Hamburger SPD in den vergangenen 14 Jahren maßgeblich mitgestaltet hat, wäre sie prädestiniert gewesen für einen Posten im Senat.

Als frühere gleichstellungspolitische Sprecherin, die engagiert für die Rechte der Frauen streitet, hätten es manche auch erwartet. Aber eine Angriffsfläche, die ein Ehepaar gemeinsam an der Macht immer bietet, sollte gar nicht erst entstehen. Früh war klar, dass ein Amt unter einem Bürgermeister Scholz nicht infrage kommt.

Nicht wenige finden das ungerecht, vermuten in dem Wechsel nach Berlin die Folge eines Verzichts. Vielleicht ist es auch so, aber darüber schweigt sie. Die neue Aufgabe, sagt die 50-Jährige, sei eine Chance für einen Neuanfang. "Ich wollte eine Veränderung, nach der anstrengenden Arbeit in der Opposition etwas Neues machen und gestalten." Deshalb habe sie auch gleich zugesagt, als der Chef der Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, ihr Ende Februar das Angebot gemacht habe.

Möglicherweise spielt auch ein anderer Faktor eine Rolle. Wenn sie in Berlin arbeitet, muss sie sich nicht ständig mit den Erwartungen auseinandersetzen, die manch einer in der Hansestadt an eine "First Lady" hat. Aber Britta Ernst will keine Schiffe taufen, Kindergärten eröffnen oder ausländische Delegationen durch die Stadt führen, das hat sie in den vergangenen Monaten deutlich gemacht. Und auch, als Bundespräsident Christian Wulff im Juni in die Hansestadt reiste - selbstverständlich mit Gattin Bettina -, war sie nicht dabei. "Ich bin ja als Abgeordnete selbst viel in Hamburg unterwegs. Aber wenn es passt, begleite ich meinen Mann immer mal wieder - vor allem zu Veranstaltungen im Kulturbereich", sagt seine Frau. "Ich habe nicht das Gefühl, dass Hamburg etwas fehlt, wenn wir uns nicht als Paar inszenieren."

Privatleben ist Privatsache, das ist die Devise des Ehepaars Ernst-Scholz. Seit Jahrzehnten sind die Hamburger ein Politikergespann im Gleichschritt, extrem sachlich, fachlich-kompetent. Über Politik sprechen sie beide oft, viel und schnell, auch über die trockensten Themenfelder. Das andere, das Persönliche, bleibt weitgehend verborgen. Fragt man trotzdem, bekommt das Gesicht von Britta Ernst etwas Abweisendes. Auch aus dem Urlaub gibt es kein gemeinsames Foto - sondern nur eines, das sie von ihrem Mann gemacht hat. Eine Anfrage eines bayerischen TV-Senders für ein Porträt unter dem Motto "Die Frau an seiner Seite" hat sie gerade abgelehnt.

Britta Ernst will sich darauf nicht reduzieren lassen. Das nächste Jahr wird sie als stellvertretende Verwaltungsleiterin der Bundestagsfraktion für die Koordinierung der Arbeit zwischen Bund und Ländern zuständig sein, danach soll die studierte Sozialökonomin die Chefin der Fraktionsgeschäftsführung mit etwa 180 Mitarbeitern werden.

Das ist ein ziemlicher Schnitt, vom prallen Leben der Politikerin, die seit 1997 in der Bürgerschaft engagiert, manchmal auch scharfzüngig um besseren Opferschutz für geschlagene Frauen, für vernachlässigte Kinder, bessere Schulen und die Aufdeckung der Affären um den CDU-Finanzsenator Carsten Frigge gekämpft hat, wechselt sie ins Backoffice des Berliner Politbetriebs - angestellt und nicht gewählt. Ihr Job wird es sein, hinter den Kulissen für geordnete Abläufe zu sorgen und den Abgeordneten den Rücken freizuhalten.

"Diese Ader habe ich auch", sagt die Sozialdemokratin, die 1978 wegen Willy Brandt in die Partei eingetreten war. Um sich vorzubereiten, hat sie schon einiges über die Strukturen von Fraktionsarbeit im Bundestag gelesen, sogar eine Doktorarbeit zu dem Thema gefunden. "Ich will, dass Abläufe funktionieren, und ja, ich mag Excel-Tabellen."

Natürlich besitzt sie auch ein iPad und ein iPhone, und sie hat aufgeräumt. Zu Hause, aber vor allem in ihrem Büro im Rathaus. "Da hat eine Altpapiertonne nicht gereicht." Die Frau ist wirklich gründlich. In den vergangenen zwei Wochen habe sie sich von vielen Menschen verabschiedet, sagt Ernst, die vor 20 Jahren zum ersten Mal in die Altonaer Bezirksversammlung gewählt worden war. Die letzte Sitzung in ihrem Bezirk Altona-Nord, der letzte SPD-Kreisparteitag. "Das fällt mir nicht leicht, denn es ist ein Abschied von meiner politischen Heimat, von Menschen, die mir immer wieder Rückhalt gegeben haben." Dagegen ist das Ausscheiden aus der Rathaus-Fraktion fast leichter. "Da sind so viele neue Leute, die können das allein. Ich bin nicht unersetzlich."

Statt von Altona zum Rathausmarkt wird sie von nächster Woche an in Berlin jeden Morgen von Prenzlauer Berg ins Regierungsviertel fahren. Sie weiß, dass sie erst einmal ackern muss, um sich einzuarbeiten. Das wird nicht leicht, aber es schreckt sie auch nicht. "Ich habe mich festgelegt", sagt die passionierte Läuferin.

Und wenn es doch wieder Anfragen gibt, ob sie für ein Ministeramt zur Verfügung steht, etwa nächstes Jahr in Schleswig-Holstein? "Ich war dreimal in einem Kompetenzteam für eine Landtagswahl. Jetzt freue ich mich auf eine konkrete Aufgabe", sagt sie. "Mein Lebensglück hängt nicht von einem politischen Amt ab. So wollte ich nie sein."