Bürgermeister Olaf Scholz lud Juden, die während der NS-Zeit flüchteten, zum Senatsfrühstück

Neustadt. Sie kommen aus Israel, den USA, Dänemark oder Uruguay. Insgesamt 20 Gäste folgten der Einladung von Bürgermeister Olaf Scholz zum Senatsfrühstück ins Rathaus. Es sind ehemalige verfolgte Hamburger Juden oder deren Kinder. Die Hansestadt spielt in der Familiengeschichte jedes Einzelnen eine große Rolle, denn sie war ihre Heimat.

Unter den Gästen ist auch Franz Marcus. Er wurde 1928 in Altona geboren, sein Vater war Richter am Hamburger Oberlandesgericht. "Meine Familie war sehr innig mit Hamburg verwurzelt", sagt Marcus. Nachdem der Vater 1933 wegen seines jüdischen Ursprungs entlassen wurde, floh die Familie nach Dänemark, der Heimat von Marcus' Großmutter. Damals war Franz Marcus fünf Jahre alt, seine Schwester Maria wurde in Kopenhagen geboren.

Im Jahr 1943 musste die Familie erneut fliehen, um der angeordneten Deportation aller dänischen Juden ins Konzentrationslager Theresienstadt zu entkommen. In einer Nacht- und Nebel-Aktion wurde die Familie auf einem Boot nach Schweden gebracht. Zwei Jahre ging er in Stockholm zur Schule, bevor er gemeinsam mit seiner Familie 1945 nach Kopenhagen zurückkehren konnte. Dort studierte er Chemie, wurde Ingenieur und zog für seine Firma nach Brüssel. Seine Frau, Teresina Ortenzi, ist eine belgische Pianistin. Mit Hamburg verbindet Franz Marcus nicht mehr viel, die Stadt ist sein Geburtsort, aber nicht mehr seine Heimat. Gemeinsam mit seiner Frau pendelt er zwischen Wohnsitzen in Kopenhagen und Brüssel und einem Ferienhaus in der Provence.

Franz Marcus ist einer von drei Zeitzeugen, die ins Rathaus gekommen sind. Der Großteil der Gäste sind Angehörige aus der zweiten Generation, die sich auf die Spuren ihrer Familiengeschichte begeben haben. "Die Besucher sind nicht hierhergekommen, um ausschließlich schlimme Erinnerungen - beziehungsweise die Berichte davon - nachzuerleben. Sie wollen mehr über die eigene Familie und ihr früheres Leben in Hamburg erfahren", sagt Bürgermeister Olaf Scholz. Auf dem Programm des einwöchigen Besuchs stehen deshalb Stadt- und Hafenrundfahrt, ein Konzert in der Hochschule für Musik und Theater und eine Diskussion mit Schülern aus der Talmud-Tora-Schule. Seit 1965 lädt der Senat ehemalige verfolgte Hamburger in die Hansestadt ein. Über 4000 Menschen haben so bisher die Reise in die fremde Heimat angetreten.