Im Hamburger Piraten-Prozess sagte gestern der Angeklagte Bashir W. aus Somalia aus, schilderte seine erschütternde Lebensgeschichte.

Hamburg. In Somalia herrschen Hungersnot und Anarchie, längst regieren Clans und Chaos das ostafrikanische Land. Ein Angeklagter im Hamburger Piraten-Prozess schilderte gestern seine erschütternde Lebensgeschichte - und überraschte mit der Aussage, er sei kein Pirat. Zum Angriff auf den Hamburger Frachter "Taipan" sei er gezwungen worden.

Bashir W., 28, gehörte zu den zehn Somali, die am 5. April 2010 von Soldaten der niederländischen Fregatte Tromp festgenommen worden waren. Einige Tage zuvor habe er mit einem Bekannten zum ersten Mal in seinem Leben Alkohol getrunken, so Bashir W. Er könne sich nicht erinnern, wie er auf die Dhow, das Segelschiff der Piraten, gelangt sei. Am Vormittag des fünften Tages sei ein "riesiges Schiff" erschienen - die "Taipan". Als der Anführer den Befehl zum Kapern gab, habe er sich geweigert. "Doch dann schwor er auf seine Familie, dass er mich mit Kugeln durchsieben und ins Wasser schmeißen würde, wenn ich nicht mitmache."

Die gescheiterte Entführung der "Taipan" war der vorläufige Schlusspunkt eines Lebens in einem vom Bürgerkrieg zerrissenen, unvorstellbar armen Land. Bashir W. wuchs in der Region Puntland auf. Ein Teil seiner Familie sei von marodierenden Clans ermordet worden, im Alter von neun Jahren habe ihn sein Vater in eine Koranschule gesteckt, so W. Weil ausländische Fangflotten das Meer vor der Küste Somalias leer fischten - ein geläufiges Argument von Menschenrechtsgruppen -, habe er sich nicht als Fischer verdingen können und so im Steinbruch arbeiten müssen. "Mein Verdienst reichte nicht zum Leben, war aber zum Sterben zu viel."

Unter Berufung auf die Menschenwürde und die Situation in Somalia beantragte Verteidiger Tim Burkert, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen oder auszusetzen. Weil Abdul A. "ständig um das Leben seiner Kinder fürchten muss", sich deshalb in einer existenziellen Notlage befinde, sei ihm nicht zuzumuten, weiter am Prozess teilzunehmen. Gegenwärtig sei er nicht in der Lage, seine Rechte als Angeklagter voll wahrzunehmen.